Cornelia Rémi
Gedichte & Geschichten

Mastodon

Vorweg und vorläufig geschrieben …

Ich kann nichts dafür und kann es auch nicht ändern: Wörter und Welt verflechten, verzwirnen und verheddern sich in jedem Augenblick in meinem Kopf. Immer wieder beginnt das entstandene Knäuelgebilde dann plötzlich aufzuschimmern und zu funkeln, als ob ich beim Puzzeln die perfekte Augenblicksstelle für ein perfektes Wort gefunden hätte. Solche Funde und Momente notiere ich seit etwa 2010 nicht nur in mein Notizbuch, sondern auch in verschiedene Accounts in den sozialen Medien. Meine ursprüngliche Heimat Twitter hat sich seit der Übernahme durch Herrn M. Ende 2022 so radikal verändert, dass ich ins Fediverse umgezogen bin. Ganz allmählich möchte ich die vielen Texte, die ich in beiden Welten festgehalten habe, auch hier zusammenstellen und vielleicht thematisch sortieren – mal sehen …

Ausführlichere Inhaltsübersicht

Schreiben & Leben

Schreiben

Dichten ist ein Weg zu denken:
Klang und Gedanken zu verschränken,
Zeichenteile ineinander zu schlingen,
um im Netz ihrer Knoten
Sinn und seine Boten
zu erwischen und fest in die Welt zu zwingen.

Dichten ist Suchen und Finden
Dichten ist Fügen und Binden
Dichten heißt federleichtes Befassen
noch mehr zu befiedern und fliegen zu lassen.

Ich denk in Gedichten,
ich dicht in Gedanken,
die mich verankern,
statt mit mir zu schwanken.

Ungereimten Tagen
lässt sich wohl begegnen,
beginnt man ihre Weltenkrümel
zu Bröselversen zu verkneten.

Definition

Lyrik sind Worte,
die so gefügt und gefunden sind
dass sich Mund und Gedanken tief
in ihrem Pulsen
in ihrem Klingen
in ihrem Sinnen verheddern mögen;
verschlungen ins Dickicht der Verse.
Je länger wir zappeln
suchend versuchend
um das Geknäuel entwirrend erst uns
dann alles zu lösen
desto weiter wurzeln wir ein in sie;
desto mehr hin und her
empor und hinab
taumeln wir wispernd wie Weberschiffchen durchs Gewoge der Fäden
und verzurren uns ihnen
zu schimmernden Bahnen
festesten Tuchs.

Wie etwas
das Bleistift heißt
so flaumfederleicht
übers Papier gleiten kann …

Wie kann denn das staubkornpünktchenfeine Gekritzel,
das mir aus allen Augenblicken bröselt wie aus zerschlissenen Jackentaschen,
sich so hoch türmen,
verbacken,
so viel Wortwelt verpacken,
dass ich mich auch nach einem Tag
voll Kartieren, Ordnen und Sortieren
im Dickicht verirre,
obwohl ich noch nicht einmal ein Jahr voll Schreiben
ganz eingezeichnet habe in die Karte?

Stumpf und verwaschen,
die Kanten verwischt;
voll Löchern die Maschen,
ein krümliges Nischt:
So fühlen sich meine Texte an,
wenn ich sie Tag für Tag
tief in Postflaschen schiebe hinein,
die dann verkorke (freilich online),
damit sie dann in die Ferne gleiten
hinaus in des Internets Ozeanweiten,
ohne jeglichen Antwortertrag.
Ohne, dass wer reagieren mag.

I patch my dispatches
with batches of lore;
if one of them hatches,
I just let it soar.

Leuchttürme würde ich gerne bereisen
auf Felsklümpchenstreuseln weit vor den Küsten;
würd im Hochgebirge von Wolkentuch speisen,
wo Gipfel als erste die Sonne begrüßten.
Ich kurvte durch Inselchen, Hügel und Wüsten,
folgte dem Wogen gewipfelter Wälder,
mäanderte mich die Bäche entlang,
gösse Gedanken aufs Spielbrett der Felder,
beflög sprudelnde Orte, quellend voller Geschichten,
um sie alle staunend verliebt zu bedichten.

Ich schaukle im Könnte, Werde und Hätte
mitten zwischendrin in der Wortschöpfungskette;
weiß nicht ganz von wo nach wo und wann;
hör nur über und unter mir das Klirren,
wenn Kettenglieder sich heddernd verwirren
und spür doch im Ozeanschwanken und -falten
Ankergedanken sicher mich halten.

An der Ampel
beim Queren der Kreuzung
wirft das unruhige Abenddunkel mir
Tauftropfen
auf Stirn und Finger
wie Tupfen von Fragezeichen
wie einen Auftrag mir
meinen Namen neu zu finden,
womöglich unerwartet abzubiegen
und schreibend weiterzuentdecken,
wer ich bin und werde.

Nichten bedichten
bedeutet mitnichten,
dass Nichten sich brav zu allem verpflichten;
vielmehr kommandieren sie
– laut oder stumm –
die dichtenden Tanten im Schnee herum.

Dies ist Poetenwetter, denn Dichten
ist Hüpfen zwischen Epiphanien.
Und wenn die so dicht die Luft beschweben,
so entgegen mir eilen und Welten verweben,
kann ich dem Staunen nicht entfliehn:
Es gibt kein Daneben – nur das Mittendrin.

Ich muss raus in den Schnee zum Dichten,
zum Welt-mit-Wörtern-Beschichten.

Am Anfang steht immer ein Strich,
der sich
erst zurechtfinden muss im Lichte.
Dann kringelt er sich zurecht und schwillt
zum Staben, zum Buch, zur Geschichte.

I'm iamb, delicately dancing on the tightrope of each line:
my feet gently advancing, balancing the metric thread of time.

Ich dichte, um damit den Tag zu kalfatern,
dass er flott bleibt. Dass seine Segel knattern
in der Morgenluft, um in diesem drängenden Tagen
mich zum Erkunden weit hinaus auf einen neuen Ozean zu tragen.

Mindestens
drei Amseln bedichten;
wenigstens
eine Angst vernichten:
All das nehm mich,
voll Aug und Ohr,
mir für den Frühlingsabend vor.

Schwer voll wartender Worte wiegt
der Bleistift mir in den Fingern.

Skizzengekritzel.
Gedankengewitzel.
Ideengebizzel.
Vielleicht ein Geschichtensamenkorn.

Meine Wörter wollen Worte werden.
Sie rumoren in den Bleistiftminen.
Scharen sich zu Herden.
Drängen suchend aufs Papier wie Kletten,
um sich mit der Wirklichkeit und miteinander zu verketten.

These hours are ours.
This minute is mine.
A moments that towers.
Time to employ
life to assign
to quiet
to joy.

Poesiekiesel

Einen um den anderen plumps ich
Verse in die Welt hinein.
Lasse sie ins Draußen gleiten,
dass sie Wellen weit verbreiten,
wachsen, schwellen und sich weiten,
um vielleicht in fernen Zeiten
jemand ferne nah zu sein.

Prose is quite often just a pose
neatly wrapped and tucked around the woes
of the visible surface outside, as opposed
to the poetry hidden inside.

Wie ist es in der Tracking -App
der TUM-Mobilitätsstudie zu kategorisieren
wenn ich eine Stunde auf der Bank am Feldrain sitze
und den Schwalben beim Tosen zusehe?
"Warten"?
"Erledigung"?
"Freizeit"?
"Ausbildung"?
"Unbekannt"?
"Dichten" nämlich
ist in der App nicht vorgesehen.

Yesterday, so long ago, @whatisaletter asked what writing feels like. This was my reply. Still feels true, even after an oddly lonely day that wrapped sunlight around me and sent January bees.

I tidy up some crumbs of world.
I nudge the heavens into place.
I tie each moment to its spark,
I hoist the sails of time and space,
I tickle stars into the dark,
transform my soul and words to glue
that trickles through each gap and tear,
that binds the world and makes it true.
So. Here I am. Why should I fear?

Tingle, tingle, little mind,
how I wonder what you’ll find.
Far through words and books you soar,
gluey with ideas galore,
tingle, tingle …

Gedichte sind Gedankengaben,
in Sprachpapier gewickelt.
Nur kriegt man diese Wickelwörter
schlicht nicht abgefrickelt.
So klebt der Dichtgedanke fest
an den Wörtern, am Papier;
das Papier mir an den Fingern
und die Finger hier an mir.

Die Wiese blättert sich um
sucht Abenteuer im Laub.
So betrachtet sind die Blätter
Schichten aus Geschichtenstaub.

I will not flood your feed with retweets.
I won't comment on every crumb of news.
Instead of being influential
I'm juggling languages and views.
I wonder and I write about my wonder
in tiny sketches of reality.
I draw with words, not GIFs or JPEGs –
so naturally you won't follow me.

On oceans of ink
I set sail
for word worlds splashing
their unjotted swell
all over my hands.
Into my labyrinths I force them
into the glyphs
cut into my fingertips.
They hold and carry
my ship my shuttle
across the abyss.
They bend
the dark surge
into letters and into adventures.

Wörterbastlerin
Sachenmacher
Plänebekneterin
Fundkramentfacher
Zeugsortierer
Angstverlierer Abentoitoitoierin
Hinguckfrischerneuerin
Würfelkritzler
Kugelschreiber
Tintenfadennetzbetreiber
Ideensuch- und -finder
Abgrundtiefergründer
Gipfelerklimmerin
Lebensbestimmerin
mag ich sein.

Abschlussarbeiten sind stets
einzureichen, nie einzuarmen.
Vielleicht täte dies ihnen dennoch gut.
Vielleicht auch bräuchten wir
mehr Anfangsarbeiten
die wir umarmen und willkommen heißen sollten
als Schritte in Abenteuerwelten
als erkundendes Taumeln
hinein in unbekanntes Land.

Postflaschen

Oft verlieb ich mich in Wörtergedanken,
wickle sie sorgsam in Buchstaben ein,
schleudre die Bündel hinaus in den Netzozean,
in die Weite, und warte
vergebens auf Nachricht, auf ein Gefundensein.
Statt Antwort nur Fragen.
Statt Stimmen nur Stille.
Wohl versteckten die Päckchen sich längst
und verschwanden die Kalligraphien,
so dass keiner sie weiß außer mir.
Matt und dumpf liegt das Meer.
Unbeachtet, im Leib nur die Leere
dümpeln die Postflaschen hohl und ungelesen dahin.

Lass mich ein Stück weiterdichten
und den Frühling versbeschichten.

Rhymes are mere twirls of sound that twist two lines together
and twine a thread of thoughts into a stubborn cord.

Ich habe da von vorhin noch so zwei bis drei Gedichtgedanken übrig,
die ich mal eben rasch verreimen müsste.

Die Worte sind geschrieben, und ich steh zu ihnen.
Ich könnte mich auch setzen, doch das will ich nicht.

Das, was ankommt bei mir
unten auf dem Papier
in dahingeschmierten Wörtern und Kringeln,
ist so eigenartige Kritzelei,
ist so seltsam verworrene Seitenlast,
dass man meinen könnte, es sei
statt mit Kugel- mit Würfelschreiber verfasst.

Fühl ich mich allzu akadämlich, flüchte ich ins Freie
und schreib mich dem entgegen, was und der
mich unbedingt angeht.

Reimen als Denkfehler.
Denker als Fehlreimer.
Fehler als Denkreime.

schickungen geschehen
lagern ab
sediment auf sediment
es fügt sich
eins aufs ans andere
zu schichten
zu geschichten
zu geschichtenschichten

Lasse mich spülen,
lasse mich treiben;
versuche zu fühlen,
versuche zu schreiben.

Vierfach bezahnlückt
ist derzeit die Nichte.
Viel Leere im Mund:
Ganz viel Platz für Gedichte.

Dickicht schlichten:
Lichtungsdichten.

Die Woche war strengend, irgendwie,
und hing doch so voller Poesie:
Viel hervorgequollen unter den Lidern
beim Blicken aus Fenstern.
Beim stillen Erwidern
von Nacht und Nebel,
von Wolken im Fliegen
während zäh verklebter Stunden in Zügen.
Ich suchte nach Sichten, das wusst ich gewiss.
so hindurchgeschleudert durch Finsternis,
stets nur mich selbst in der Scheibe vor Augen,
die zum Dringen durchs Dunkel kaum taugen.
So hing etwas von mir fest im fahrenden Kasten.
Den Rest jedoch spürte ich suchen und tasten
ins Jenseits der Fenster.
Ins Schweben.
Ins Wehen,
um um mich herum all die Sterne zu sehen.

Herumdichten
mal da mal hie
mit Kleberwörtern, Phantasie.
Verse schichten in die Zeit
gegen kleckernde Lecks der Wirklichkeit.

Papierstapel schäumen auf
türmen sich zu Brechern
branden an mein Bett
auf dem Ich Zuflucht suche
vor dem Sturm der blätternden Seiten
das selbst mit schwerer Schlagseite
sich als Flickwerk loser Planken
nur eben noch über Wasser hält.

Die Nacht ist Zufluchtsraum für flüchtige Notizen,
die sich verwirrt und dunkelüberwältigt in den Bildschirmwinkeln sammeln.
Dort harren sie geduldig, wispern miteinander, stammeln,
schwindlig vom großen Taumel und doch immer noch bereit, einander irgendwie zu stützen.

"More time, more time!,"
you cry and sigh,
"more time to play and write and rhyme!"
But there’s no need to beg and pray:
Time streams towards you anyway.
A flood of moments. Day by day.
All you must do is to assign
this gushing fountain wisely. Shove
it towards folk and things you love.

[@sasastanisic fragte: "Was könnt ihr richtig gut?"]

Orte finden.
Sachen suchen.
Öfter auch mal seltsam fluchen.
Knubblig denken.
Zeugs verheddern.
Auch auf kleine Steine klettern.
In Geschichten tief versinken.
In Gedanken fast ertrinken.
Bahnen schwimmen.
Bach-Zeug singen.
Lieder hörn in allen Dingen.
Wörter schräg an Dinge kleben.
Welt frisch finden und erleben.

Wörterschnüre sende ich
in die Welt den ganzen Tag.
Warte dann auf Ziehn und Zucken,
ob sie jemand fasst und mag.

[An @Frohmann:]
Verwegen verlegen:
ganz ohne Verlegen-
heiten, mutig und neu.

Rotzeschnotze,
Rüsselkotze,
klebrig zähes Schmiergeschleim, Quatschgeplatsche,
Quuutschgematsche,
tropf mir nicht auf meinen Reim.

Erste Dontknowser Melodie
(Umrilkungen)

Wer, wenn ich schreite, hortet mich denn aus den engen
Ordnungen? und gesessen selbst, es nannte
einer mich platzend ans Hemd: ich vergilbte von seinem
stänkernden Sparschwein.

Wenn erst alle Oden
in Odelgruben ersoffen sind
um künftigen Generationen
als Ausgrabungsobjekte zu dienen
wirds Zeit
Hymnelgruben anzulegen.

Knapp übersapphelt

Eigentlich könnte ich mal wieder oden.
Oder lieber auf nächsten Monat warten?
Juni, tja, der hat immerhin zwei Silben,
während Mai mit einer schlechter sich eignet:
nicht mal ein Fuß voll.

Der Wanderdaktylus ist mir davongaloppiert.

Manchmal
reicht es
völlig aus als
Akt der Rebellion Zwölfchen
zu schreiben.

— Zurück zum Seitenanfang —

Phantasie

I care
for my share
of the whereverywhere.

Auch mal abgesehn von Kartoffelbrei
kannst du mit Essen spielen:
kannst mit der Gabel drin wühlen und klettern,
dir dabei deine Gedanken verheddern,
mit dem Löffel Brokkolidschungel verfrachten
und Suppennixen beim Plantschen betrachten.

Drachen fliegen überall
Drachenkurven um die Häuser,
Drachen sausen um die Mauern,
Drachen bauen kleine Nischen,
um sich dann hinein zu kauern.

Wenn sie sich tief im Winter verheddern,
verlernen selbst Schmetterlinge das Schmettern.
So schnarcht sich ein jeder von ihnen ganz sacht
als Wisperling durch die Februarnacht
und hofft beim Träumen von fernen Sternen
im Frühling dann endlich das Jodeln zu lernen.

Verse, anspielungsbefrachtet:
schwere Ding in ihnen liegen,
dass sie sich hienieden biegen,
immer tiefer, immer mehr,
wie Billyböden von IKEA.
(Fehlen nur noch ein paar Ziegen;
die darf @clemensetz einschieben.)

[Reply von @clemensetz:
In diesem Fall sind das zwei Geißen,
die Meckerle und Trixi heißen]

Fein. Dann pack ich das Gegeiß
(Gut zu wissen, wie es heißt!),
Meckerles samt Trixis Ruch
schnellstens in ein Pixibuch.

Wieder zerschmilzt ein Klumpen Zeit
und tropft mir in die Gedanken.

— Zurück zum Seitenanfang —

Lesen

Postflaschen
Zeitgezeitenozean durchschaukelnd
sind Bücher: Treibgutgedanken
aus Strom der Regale
herauszufischen.

Lesen braucht Bleistiftstummelgetummel:
das Etwas zwischen den Fingerbeeren,
das sich wenden, vertrudeln und rollen lässt
wie ein bereits gepflückter Gedanke,
mal lackglatt und stumpf, mal splitterrau spitzig,
balanciert es auf mir, und ich halt es fest.

Reading tempts the stinkbugs
to squeeze through the blinds
rumble through the dark room like approaching thunderstorms
and squat on the story
shining from the book in my lap.
So I take measures, a deep breath and a handful of light
to hide in the depths of my duvet.

Books bubbling from boxes,
some reddish like foxes,
some green like bamboo:
all cornered for you.

Between two mountain ranges of books
that have sprouted along my hallway
runs the crevasse of a mighty rift valley,
a canyon, deep and full of woes
of horrid dangers for bare toes
when I fumble through its crumbling surfaces
to the bathroom or kitchen during the night
without turning on the light
for adventure purposes.

Noch einmal tosen Tage auf am Ende des Semesters,
so dass Gedanken Schiffbruch leider und Termine sinken.
Papiertreibgut spült dieser Sturm mir auf den Fußboden und Schreibtisch
und lässt gestrandet mich inmitten all der schwappenden Papiergischt
und der Bücherflut zurück.

I'll make my bed
in a book tonight.
Pages my pillow,
pages my cover,
words my delight.

Ich lausch, ein Ohr ans Fenster
der Buchhandlung gepresst.
Drin murmeln Zukünfte wie Sprudelblasen
denn der Laden hängt voller Kalender.
Jeder davon füllt ein Stück Raum
mit seiner eigenen Zeit.
Zeit die durch Regale driftet
die Gesichter und Bücher beschriftet:
Einzigartige Zeit.

Buchseitenkanten sind nur Weltenränder;
Grenzstreifen zwischen Rettung und Gefahr,
Gedankenklingen: sie zerschneiden Handlungsgang und Fingerkuppen
und trennen das, was vielleicht wird, von dem, was bereits war.

Die Bilderbücher träumen noch in den Regalen:
Hier pufft ein Wölkchen Drachenodem aus den Seiten,
dort rauschen Häuserdschungel, Abenteuerweiten.
Aus einem Stapel purzeln bunte Zahlen,
während aus dem gleich nebenan
ein Schwall Piratenozean
in eine Pfütze auf dem Boden platscht.

So viele Bücher, einst als Katapulte angeschafft ,
um mich voranzuschleudern weit in neues Wissen, Denken, Können, Sein,
lasten und drücken jetzt wie Blei in Kisten, Bodenstapeln und Regalen:
wie tausend Klötze an nur einem Bein (oder in meinem Fall: auch zwein).

— Zurück zum Seitenanfang —

Wortgespiele und andere Spielereien

Mutungen täten mir öfter mal gut:
einfach so kleine Überflutungen mit Mut.

Nie käme ich drauf,
die Zeit zu vertreiben;
lieber lad ich sie ein
gerne bei mir zu bleiben.

Auch wieder nur so ein Zweckel zum Mitt.

Beim Räuchern, also dem Selbstbeweih-,
bin ich eher ned dabei.

Always is a fountain of paths
a bubbling bundle of threads that gush
out of any here-now place
far out into the vibrant space
of time. A flood of ways to explore.
A flush that washes from shore to shore
carrying you as well as me
weaving the tightropes of time that we walk
into a spatial reality.

(It just struck me how "always” isn’t a temporal adverb at all, it is space disguised as time or rather time translated into space, all ways. This is a first weak attempt at turning this into a poem.)

All das Fragen. All das Warummeln.
All das Abends-im-Kopf-Herumgrummeln.
All das Weshalbeln, Wofürn und Wozun
gibt meinem Denken 'ne Menge zu tun.

Statt beispielsweise
stehen wir stumm
nur beispielsdumm in der Gegend herum.
Viel zu ernst
statt beizuspielen.

So viele Chancen,
um weise zu sein:
Hinweise und probeweise;
kreuz- und haufen-
seitenweise
kapitel- haufen- ansatzweise
andeutungs- und eimerweise.
Lieber bin ich beispielsweise
irriger- und auch leihweise
als (selbst als Vertretungsprof)
irriger- und beispielsdoof.

Beispielsweise
Beispielswiese
voll Beispielsblumen
so wie diese.

"Ich mache Gedichte", sagt die Poetin.
"Ich dichte Gemache", sagt das Installateurs-Burgfräulein.

Ganz persönliche Verben

Sag mal "ich" statt "es" und "er".
Spür: Du bist und machst was her!
Sag: "Ich regne, schneie, hagle."
Sag: "Ich dämmre, blitze, tage."
Sag: "Ich herbstle, wetterleuchte";
freu dich auf die Nebelfeuchte.
Sag: "Ich donnre, stürme, wehe" —
spür den Wind in jeder Zehe.
Sei dir selber eine Brücke.
Sag sooft es geht: "Ich glücke."
Sei dir täglich selbst gegrüßt,
weil du was Besondres bist.

Englisch longen wir nach Sternen
nur aus weiten Gedankenfernen,
dass die Seelen uns zittern im eisigen All.
Wenn wir deutsch nach den Sternen langen,
gelingt es vielleicht auch mal welche zu fangen.

Dukunft, Zukunft:
Kunfst du bald?
Kunf herbei durch Zeitenwald!
Kunf durch Berge, Täler, Seen.
Kunf recht bald.
Das wäre schön.

"Auch wenn das Zebrastreifenschild
für alle Autofahrer gilt,
krabbel nicht einfach so drauflos.
Du bist klein.
Die Autos sind groß.
Du weißt doch, dass Straßen gefährlich sind",
schilt die Kröte das Schildkrötenkind,
das aufmerksam nickt und zu folgen verspricht.
Das Zebra läuft Streife und kümmert sich nicht.

Krildschöten
Schödkrilten
Krödschilten
Schrödkilten
kullern kopfunter kopffutsch kopfüber
Panzer ringsrundherum am Hügel vorüber,
wenn, statt bloß träg in der Sonne zu liegen,
die Schildkrötenkinder Purzelbaum üben.

Wenn ich müde bin, kommt es bei mir schon
zu schrägen Gedanken betreffs Religion.
Die Buddhisten stell ich mir buddelnd vor;
die Katholiken mit Katzen im Chor;
und bei uns Protestanten
denk ich mir gemein:
"Wo werden die Protesonkel wohl sein?"

Kuriosität dann immer wieder all die Evangelen,
die milden Seitenblicks herab das Katholikenvölkchen würdigen —
Glaubensgeschwister, nur ein bisserl
von Heiligenvergötzerei und Priesterkult verblendet halt —
und die beim Wandelabendmahl in Sankt Matthäus sich dann doch
am liebsten in die Landesbischofsschlange stellen,
vermutlich hoffend auf das bischöflich gewährte kleine Bisschen mehr
an Sel- und Abendmahligkeit.

Schau: Taube!
Schautaube.
Schaut Taube?
Ciao, Taube.

Weg da!
So ganz allgemein?
Sag doch mal genauer:
Wanderweg da?
Gehweg da?
Fahrradweg da?
Schulweg da?
Bildungsweg da?
Dienstweg da?
Atemweg da?
Feldweg da?
Mittelweg da?
Ausweg da?
Königsweg da?
Irrweg da?
Wasserweg da?
Waldweg da?
Lebensweg da?
Holzweg da?
– oder doch auch hier?

Bestelltes besteht.
Gestelltes gesteht.
Verstelltes versteht.
Erstelltes ersteht.

Seegelegenheiten
Sehgelegenheiten
Gehgelegenheiten
Schneegelegenheiten
Teegelegenheiten

The hearing, the thereing,
the seaing, the faring,
the holding out throughout the day
means that I'm a bit unokay.

Vom Tember zum Tober
zum Vember zum Zember
rollt das Jahr vorwärts und schubst mich voran.
Überall in den Süßwarentheken
kartoffelt sich schon das Marzipan.

Vom Tember zum Tober
zum Vember zum Zember
rollt das Jahr vorwärts und schubst mich voran.
Überall in den Konditoreien
platzen die Plätzchen ins Zellophan.

"Wocht doch mit!", rief Freitag heiter.
Alle Tage wochten sich,
kalendrierten fröhlich weiter;
nur der Mittwoch wochte nich.

(Plötzliches Bedürfnis nach einer semantischen Surftour.)

Notwendig ist nicht einfach nur Gebrauchtes
auf dem Flohmarkt meiner Seele,
sondern der Angelpunkt und Hebel,
der mir einen andren Weg herangeschleppt
und die Not mir krempeln kann.

Reimen als Denkfehler.
Denker als Fehlreimer.
Fehler als Denkreime.

All that effing iffing:
if only, if only …

Welt: überweltigend.

Spielverhalten ist halt auch:
Ich werfe einen Schatten,
strecke die Hände aus und warte drauf,
dass du ihn mir zurückwirfst.

Benimm dich.
Cenimm dich.
Denimm dich.

Attaching is both
an engineering activity
and a village in Upper Bavaria.
I'm unaware of any attachment issues of Attaching and its Attachingians.
My hypothesis is
that unemployed English present participles
are camouflaging
as villages in Upper Bavaria in between gigs and gings.

Forsythie, Forihnthie,
Fordich- und -mich- und -unsthie:
Ob man sie sieht und zieht, ob nicht,
egal — sie birst vor Blütenlicht.

Kurze Zeitspannen:

eine Weile, eine Wenne,
eine Fallse, eine Soferne,
eine Nachdeme, eine Obwohle,
eine Bevore.

Das Verb 'wollen'
macht viel mehr Spaß
wenn man sich dabei vorstellt
dass es den Stoffwechselvorgang bezeichnet
mit dem Schafe
Fasern aus ihrer Haut hervorquetschen
wie unsereins Zahnpastawürmer aus Tuben.

Wecke die Wespen nicht auf, sondern ein,
um sie im Spätherbst erst ganz zu befrein.
Bis dahin lass sie schlafend im Weckglas sitzen
und sie im Traum ihre Stachel spitzen.

Erfindungerinnen sind die,
deren Erfundenes
zugleich noch mehr Finden
hervordüngt und sprießen lässt.

Manifeste manifestern,
während Manifestrer lästern
über Gegner. Und dabei
geht zerfestert Welt entzwei.

"Unbefugten ist der Zutritt untersagt."
Das Schild führt dazu, dass ich mich frag:
Ist das eine arge Tortur,
diese Befugungsprozedur?
Befugt mich doch mal.
Fänd ich nicht doof.
Denn ganz versteckt im Hinterhof,
steht ein Baum und wartet und wuchert
wem entgegen, der ihn besuchert.

Legst du den Schlüssel ganz in Gedanken weg, wird's schwierig,
weil du ihn da drinnen erst einmal wiederfinden
und aus den Gedanken zurückklauben musst in die Wirklichkeit.

Tage tagen ganz von alleine
von Morgen zu Abend
von Grenze zu Grenze
ohne Tagung und Gekonferenze.
Schreibs jedem Tag bitte
dick in die Agende:
Weder Taganfang
noch Tagende
braucht Tagende.

Differenzen sind zum Rennen da,
zum Hopsen, Schwimmen, Waten:
Also schlicht, um mit- und zueinander
in Bewegung zu geraten.

Das Bauernkind macht Bäuerchen
drüben auf dem Mäuerchen.

Das Geräusch von Männern
kann ich mir besser
beim stillen Lesen englischer Texte vorstellen:
Darin sirren sie
immer wieder.

Kreisengreis im Greisenkreis

Frisch gewaschen über Dächern,
um die Hemden aufzufächern,
schweben hell und blütenweiß
Kreisgreise im Greisenkreis.

Und in all dem Greisgekreise
schunkeln brummelnd, sacht und leise,
erste Hummeln, torkelfit,
mit den Kreisegreisen mit.

Jauchesammelbecken: Odelgrube.
Poetinnenpapierkorb: Odengrube.

Dreisilblerpflanzen mit Zuschlag

Polderwacholder.
Plunderholunder.
Sahneplatane.

All das Alsobben
Allswennen
Alswären
spreizt die Gedanken
in andere Sphären.

Der Spielplatz platzt vor Kindern.
Die Sandburg bürgt für Spaß.
Ein Puppenwagen wagt sich vor.
So'n Samstag hat schon was.

Hört Opa Opern,
seufzt Oma: O Mann!
weil Oma Opern
nicht ausstehen kann.
Oma bevorzugt Orchesterwerke
(gern mit großer Orchesterstärke)
oder Motetten und Moritaten,
die ihr selbst nicht so gut geraten.
Und weil man Oma
nur lieben kann,
wechselt Opa für sie
öfter mal das Programm.

Mumbled Map of a Monday

Masses of misses.
Masses of mess.
Messy misses.
Muse? …
(Muse?)
……………… (Miracle?)

Helikopter ungerührt geschüttelt.
Ein Turbulenzgedicht.

Hubschrauber.
Schrubhauber.
Haubschruber.
Schraubhuber.

Ich passiere so ungern Passanten.
Manchmal passiert's mir dann noch, aus Versehen, nur:
Wer putzt nach passierter Prozedur
dann das Fußgängermus vom Bürgersteig?

I don't like pitying people.
I find serendipitying them far more productive.

O Serendi, I pity thee
with all my serendipity.

Wenn Röschen dörnen
und Wittchen schneeen,
wenn Käppchen sich röten
auf winzigen Zehen,
drück ich blindlings Knöpfe in Kästen und Spalten,
um die Diminutive abzuschalten.

Verbogen im Nebel
ruhen die Hügel
wenn du ein R vergisst.

Too written to tire –
too wired too tied
or something like that:
That’s all for tonight.

Please allow me to write
on behalf of you
but on bethird of you over there
and on bequarter of the shy one
hiding behind you
as well.

Some joy lumps of spontaneous overgeneralization concerning English plural forms

goose — geese
moose — meese
choose — cheese
mouse — mice
louse — lice
house — hice
spouse — spice

Pupsender Poetenfrühling:
Flatulenz.

Ab und zu ertapp ich mich dabei,
aus dem Zweifeln ins Dreifeln zu geraten.

Mastodon-Vorstellungströt vom 28. Oktober 2023

Bin #neuhier mit Verhedderwörtern,
Tröten von Geheimnisörtern,
Abenteuern, Fundgedanken,
und Erkunden ohne Schranken.

Gekeitele, Gekleinige:
ganz viel rumort in Kopf und Bauch.
Doch wenn sie dann mal fertig sind,
beglücken Kleinigkeiten auch.

augenblicklich
handgreiflich
hautspürlich
ohrenhörlich
nasenriechlich

Is there an official verb for the act of committing whataboutism?
Whatabouting?
Whataboutizing?
Whataboutismisizing?

Deeply hidden magic powers
in all English words do dwell
since writing every one of them
requires you to spell.

Far from all real agents of change
are gents;
indeed their actual range
comprises all scents of humanity
who strive to keep up common sanity:
the yeast, the leaven that helps us ferment.

Let's be more manifold than any origami manual could ever cover.

Decemberdikter
täckta med rimfrost.

How many pigs
to mend a pigment?
How many pachydermic parts for elements?

Dinge, die sich beziehen lassen:

Wohnungen, Rente,
Zupfinstrumente,
Briefe und Kissen,
ein schlechtes Gewissen,
Stellung und Himmel, manch eine Droge,
Prügel, Verdacht und Versandkataloge.

Gewitter im Anzug!
Wenn ich nur wüsste, nur wüsste …
wo genau?
Womöglich gelänge es mir,
das Dings, das gewitternde,
gerade noch rechtzeitig
mit ein paar kräftigen Wacklern und Rüttlern
aus der Tasche, dem Hosenbein
oder dem Ärmel zu schütteln.

Jetzt wittert es ge
und donnert und blitzt,
während meinereins
grad noch draußen sitzt.

Tulpenkunter
bunt verstreuselt
zwischen Bauernhof und Feld.
Acker krumelt,
Krähen bröseln,
und der Löwenzahn ergellt.

"Bitte, Butte", sprach der Rabe,
"pack mir drei Glas Marmelade
für die Rabeneltern ein."
"Aber gerne doch, Herr Rabe!
Darf es sonst noch etwas sein?"
"Nein, das war's schon",
lacht der Rabe,
"dankesehr! Auf Wiedersehn!"
Freundlich nickend grüßt die kleine
Hagebutte: "Butteschön!"

Umlaute sind wichtig, denn
sonst drohten überall, wo Hunde klaffen,
Menschen in sie hinabzustürzen und auf ewig zu verschwinden.

Wer brennt Ideenschnaps für Schnapsideen?
Züchtet die Tortenkirschen und die Knödelmeisen?
Wer quirlt den Wattezucker und
rollt Entengummi aus?
Wer kümmert sich um Straßenmilch heut Nacht, setzt Lichtertee an
und sagt dem Schraubhuber wegen der Hubschrauber Bescheid?

"Während" ist so ein wunderbares Wort,
weil es Geschehensflächen Kant auf Kante aneinander legt
und dann die beiden Seiten sorgsam mit viel Zeit verklebt.

Jeder Verantwortung geht
eine passende Verfragung voraus,
damit die Verantwortlichen angemessen
verfraglich erscheinen.

Zumutung
Zuangstung
Zuhoffnung
Zutrauung

Was die Bayern versemmeln,
müssen die Schwaben verweckerln
und die Preußen verbrötchenen.

Das rührt mich sehr:
Mal im Uhrzeigersinn,
mal dagegen.

The devil's in the details, fuming
and fumbling them apart:
Poking them with his pointy fork,
coating them with faint farts of pork,
then twiddling, twisting, tangling them
into a bulky lump of art.

Fängt der Bauer an zu odeln,
hört man rings das Rindvieh jodeln.

Even them, evening:
Even the bumps, knobs and nubs
that have taken root in a fertile day's chaos.
Balance them.
Even them, evening.

Weak verbs for weak achievements:
I've chosed.
I've beginned.
I've writed.
I've speaked.
I've runned.
I've standed.
I've stinked.

Damn write – I'll write.
Damn write – I'll right.
Damn right – I'll right.
Damn right – I'll write!

"Let's go for a walk tigerther!"
said one big cat to another.
"I prefer to be alione,"
said No. 2 and stayed at home.

Hagebitten
darfst du nur flüstern
und ganz sacht in die Heckenrosen wispern.

Flutterflybutter.
Butterflyflutter.
Flutterbutterfly.
Butterflutterfly.

Flätterschminge.
Blätterschwinge.
Bürgersteigwirbler.
Luftflatterer, die auf Laternennektar warten.

Don't even.
On second thought, don't odd either.

Wenn's dir schlecht geht und mies,
versuch doch mal dies:
Geh ein Faultier anmaulen
und Kaulquappen kraulen.

Kommt es mal zu spät nach Haus,
zieht das Kängukind
das Kängurülein
ganz leise sich die Turnschuh' aus.

What if ferries turned feral
broke away from their moorings
to roam rivers, lakes, oceans
fervently ferrying random folk
cross waters, twixt shores
deep into spiralling adventures.

All the drifting
the dreaming
the inbetweening.

Fliegen
fängt ganz einfach an:
Bieg die Zeh‘n und kletter dann
Stück für Stück
und Tag für Tag
auf der großen Sommerleiter
eine Sommersprosse weiter.

Und im August verliebt sich frisch
der Tinten- in den Tinchenfisch,
während die Tantenfische tratschen
und beiden blubbernd Beifall klatschen.
Andere Fische treiben stumm
und passiv in den Meeren rum.
Nicht Tunfisch: der weiß immer Rat
als Tatenfisch. Als Fisch der Tat.

All die Wenns. All die Soferne.

Märchenverwehungen

Wittchenschnee.
Schnittchenweh.
Wehschnittchen.
Schneewittchen.

I don't have an English degree. I only have English – undegreed
undegreedated
ungreedydated
ungrategreeded
crumbling crusts of sounds
between my teeth
and under my nails,
unhammered.
Nobody will believe
that I can and would
anything
with these speckled traces
of letter lines.

Kopfmorphologie:
Konjugierbare Ortsnamen.
Gräfelfängt.
Gräfelfing.
Gräfelwirdgefangenhaben.

Lass dir einen Löffel voll
auf die Zunge gleiten;
du brauchst jeden Klecks davon,
um dir deine Welt zu weiten.
Mensch, genieß dein Musenmus.
Überleg nicht, sondern tu's!
Nur mit Mus und Muße muss
Mut dir wachsen, um zu singen
und Neues auf den Weg zu bringen.

Meetings, methinks, are not actually methings
and might not sweep masses of folk off their seatings,
although they seem to be seething with sense.
For all those staged selves do not help us to see things,
but rather obscure them with treacherous creakings
of halfhidden splintering confidence.

Kinderkacka geht ins Höschen.
Kinderkacka kommt in Klößchen.
Klößchen, abgelegt im Klo,
schwimmen dort mit viel Oho.

(Den Nichten und Neffen gewidmet.
Vielleicht nicht dem Teenager-Neffen, dem das peinlich wär.)

Schulhofklunker, dicht und schwer,
plumpst herab ins Grashalmmeer.
Kullerkugel, glänzend, dicht,
hopst dem Kiesweg ins Gesicht.
Kastanie? Nein: Kastaimmer
im Kastanienkinderzimmer.

Nas- und Ahorn stehen selig
auf der Blätterknisterwiese
reiben die Hörner aneinander
in der Oktobersonne.
Und genießen diese.

If you mean well, then be one:
a source, a fountain overflowing.

Ich bemühe mich, nichts falsch zu machen.
Ich gesse, ich liere, ich geude, ich schwende,
ich derbe, ich daue, ich damme, ich wende,
ich drieße, ich gälle, ich graule. Und darf dabei
noch nicht nmal versuchen, mich nicht zu vertun,
weil Versuchen schon Versagen wäre.

— Zurück zum Seitenanfang —

Leben, Welt, Zukunft

Ich wünsch mir einen Ort zum einfach Hingehören.
Um nicht mehr einsam treibend hilflos suchend unterwegs zu sein.
Zum Wissen, dass ich da bin und gebraucht. Zum Taugen.
Um am rechten Fleck zu sein.
Wo ich dann immer wieder angekommen sein und bleiben darf,
im Hier statt Dort:
Daheim.

Nichtenmädchen

Dein Tag schwappt über von Abenteuern.
Augenblickswunder sammelst und suchst du überall.
Ein ganzer Himmel voller Pusteblumensternchen schimmert
in den Kastanienschlieren deines Haars,
das sich mir in die Arme schmiegt.

How can I long after?
My longing comes first,
like joy before laughter:
not water, but thirst.
And so, as I sense
my whole being hum,
I'm longing towards
all the things yet to come.

Wir leben eingemietet in die Wirklichkeit,
die starr sich uns entgegensträubt,
auch wenn wir wachsen, schwellen, quellen,
so dass uns kaum genügend Raum bleibt,
neue Bücher ins Regal zu stellen.
Zugleich jedoch bleibt immer etwas da, das uns umgibt
und selbst falls alles sonst ringsum zerbröselt,
tröstend hegt, umarmt, umschmiegt.

Verborgen spür ich in mir ungeschlüpfte Wünsche pochen,
wie Puls von Larven tief im Froschlaich,
gegen Eihaut zappelnd,
wie diesen Lichtseim, ferner dort am Firmament als je:
Mond eingewickelt, sickernd in die Wolkenschleier.
Ich bin herausgeknotet aus den Angelegenheiten andrer Menschen,
die ihre Fäden klug gesponnen, dicht
verknäult und Muster draus gewoben haben;
ich drifte jenseits des Gewirkes ihrer Garne, netzlos unvertäut,
und spinne Schwebefasern,
Reiseseide.
Warte
auf meinen Wind.

Ein Bissen Sturm zum Nachtmahl heute.
Pochen in den Fingern.
Angst birst mir zwischen Atemzug und Herzschlag in die Brust,
als ob nichts wahr sei und das alles mir mit jedem Zeigerzucken einer Uhr zerspringen könnte.
Als ob ich nur noch warten kann auf Schmerzen und Verlust.

I weave my carpet as I fly
through tousling gales of time.
My fingers grasp for threads of why
as dizzying chances rush me by
beyond my reach, much as I try
in feverish surrender.
I balance on the threadbare cloth
knotting the fibres, darning tears,
and noting other carpets lie,
a safely moored flotilla:
a peaceful archipelago
of coloured squares deep down below,
too far down there for me to climb,
as battered by the gusts I pine
and try in vain to anchor mine.

Mazing

Vibrant amazement is the key
that we explorers, kindred spirits, carry everywhere
as we prospect and roam
through thousands
through all the burgeoning locks and possibilities.
Until we, unbewildered by all this bewilderness,
pick one.
And turn our probing key.
And feel unfurl
a maze of wonder from its slumber
in each grain of reality.
Its curling avalanche entwines our wandering mind
that marvels and gets lost in joy over the miracles we find.

In mazily mercurial turns,
like trembling seismograms
scribbled into the lingering syrup of the air by puzzled dragonflies,
the leaves keep pressing, printing and erasing tattered patterns
against, into and from the church wall and my mind,
as I walk past and pray.

Es gibt so Tage,
an denen sich mein Leib nur mühsam einklinkt in die Welt,
an denen das Rundum beständig schwindlig aufschäumt und zerfällt,
weil ich den rechten Ort für mich noch nicht gefunden habe.

Die Wirklichkeit betrifft uns.
Immer. Sowieso.
Selbst wenn wir uns nicht scheren
und vor uns hintun einfach so als ob.
Wenn wir uns um sie kümmern und sie sorgfältig gemeinsam pflegen,
sind unsre Chancen deutlich größer, ihre Wucht beim Aufprall abzulindern.
Sonst tut es richtig weh,
weil ihr nicht einfällt zuzuhören,
wenn uns ganz plötzlich einfällt loszubetteln: "Stop!"

Der Augenblick gerade:
Er macht was mit mir.

Wrapped in night and tucked in fear,
I remember I'm still here.

Tage voll Abenteuerfäden.
Womöglich reichen sie schon bald
zum wilden Verzwirnen, Verdrillen, Verdrollen;
zum Zwirbeln von geheimnisvollen
Garnen zu Kardeelen und Tauen;
zum Verknüpfen, Verzurren und zum Bauen
und dann zum Aufbruch mit ganzer Courage:
zu einer vollen Takelage.

Zaubersegel — Kartenfalten

Ein weites Baumwolltuch, das unterm Wasserhahn sich sammeln und voll kühler Schwere saugen durfte,
quert an der Wäscheleine Leitseil den Balkon
und teilt den Luftraum in die Flammenluft der Tanzglut dort
und in das sachte Fluten
des Schattenstreifens hier entlang der Mauer,
wo noch Gedanken, Lesen, Schreiben denkbar sind.
In diesen Streifen frischen Dunsts gepresst,
sitz ich gefangen, sehe durstiges Insektenvolk am Wasserteller stranden
und denke mich hinaus
ins weite, uferlose, ungedachte Land der Zukunft,
das es für mich noch zu durchqueren und bestehen gilt,
und das ich in dem sprießenden Gewirr aus Licht- und Schattenlinien zu erkennen suche,
das tausend feine Falten im Geweb, der Wut der Sonnenbrandung trotzend, für mich hinskizzieren:
schau! Klüfte, Grate, Klammen, sachte Hügel;
hier ein verkarsteter Gebirgsstock, dort das breite Delta
des Urstroms, der sich in die Ebene verspreizt.
Die Berge und die Zeiten wachsen, wogen, schwappen mir entgegen –
mir bleibt nur, meinen kleinen Pfad
in diese weite Wildnis einzufädeln
und dann mein Leben Schritt um Schritt inmittendurch zu legen.

Vermutlich wäre dieser Tag auch einfach so vergangen,
ohne sich nach mir umzusehen.
Nun aber hab ich ihn gefüllt, so voll ich konnte,
weil ich so gerne wissen wollte, wann er überfließt
und in der Flut seiner schwemmenden Fülle ausströmt in Zeit und Ferne,
um Sedimente in sie einzustreuen,
aus denen Inseln wachsen, Archipele,
auf denen einst Gedanken stehen und bestehen werden können,
selbst wenn sie noch so schwerend lasten und das Eiland niederdrücken,
das sie auf seiner zarten Schale trägt.

So ist auch dieser Tag verflogen
in weniger als einem Wimpernschwingenschlag.
Ich sehne mich ihm nach,
dem Licht, den Wolkenwogen,
ich wünsche mich auf seine Flügel, um mit ihm im weiten Bogen
berauscht von Blick und Lauschen
den Planeten zu umkreisen
und einzuholen, aufzusammeln, festzuhalten, was verloren lag.

Ach, Gegenwart.
Ich wünschte mir,
du wärst weniger gegen
und etwas mehr für.

Was, wenn die Zeit nicht Wasser ist
(sprudelnd, flutend, wie wir glauben oder meinen),
sondern fester als die Felsen,
während wir alle, selbst die Steine,
niemals in uns selber bleiben,
sondern von uns aus uns selber fortgerissen treiben,
so dass wir in diesem eilenden Vorüberströmen
an den harten, scharfen Kanten der gewaltigen Zeit, die um uns ruht,
uns zerreiben wie die bröckeligen Zündholzköpfchen
und uns tiefe Wunden schürfen, die nie mehr verheilen.

Reality, reality
keeps avalanching down on me.
Hurls chunks of hurt,
spurts in my path,
crushes my day,
seething with wrath.
Another wave
roars down the slope –
all I can do
is roam and hope.

Nur einen Stern in all dem Drehn und Schwanken
versuch ich mir am Himmel festzuwünschen mit der Kraft meiner Gedanken.
Doch allem Wünschen trotzend schiebt er weiter sich voran,
verfängt sich kurz im Dunst, verschwindet dann.
Ja. Freilich weiß ich, dass das ich bin, die verschwindet,
weil mein Planet mit mir auf seiner Rinde sich ein Stückchen weiter windet.
Doch wie soll anders ich mit Staunen euch beschenken,
wenn es mir nicht einmal gelingen will, mich selbst an einer Stelle festzudenken?

Oft bleibe ich an meinem Körper hängen, aufgebracht und stumm:
etwa an Fingernagelkanten,
die sich einzuschieben wagen ins Drumrum.
Wir treffen aufeinander, Welt und ich, wie Kontinente,
an deren Grenze sich die eine Platte unter eine andere zwängt;
dabei beharrlich drückt und presst und drängt
und rücksichtslos tektonisch irritiert,
bis all die aufgestaute Spannung explodiert,
bis etwas nachzugeben hat und vor dem andern weicht.
In aller Regel ich, weil mir die Welt unter den Nägeln reicht.

Es ist schlimm,
weder ein noch aus zu wissen.
Wenn ich allerdings aus weiß,
ist das immerhin schon mal ein Anfang.

Mein Kleiderschrank hängt voller Häute zum Hineinverkleiden,
heute oder morgen.
In jeder, die ich überstreife, bleibt ein Teil von mir verborgen:
ein Ohr, ein Zeh, mein Nabel, meine Seele.
Jede ist Puzzlespiel, gerad noch unvollendet,
damit ich tun kann, als ob ausgerechnet ich noch fehle,
genau in diesem kleinen leeren Bisschen Innendrin der Haut.
Ein Lückenstückchen Welt zum Borgen und zum Füllen –
vielleicht auch, um den Tag mit Möglichkeiten zu bespielen.

Shrill rays of twittering mark the murmurations of ideas that billow through my body, flickering with feathery ease.
Their sparkling plumage glitters galaxies
across the oceanic abyss of the distant seas
deeply inside my self, my soul and mind
to help me navigate. To help me find
a path of meaning through the wayward waves.
To pave some certainty across them with their rays.
O lighthouse flighthouse brighthouse
pulse your shine
in guiding flushes through my dancing veins
rein in and realign my fluttering weather vanes
to let me love all that is me and mine.

I stepped out into the day
like into a painting
and back in again
with all the paint still dripping from my shoes,
leaving puddles in the hallway.

Die Welt sprudelt von Stellen,
die auf mich warten:
frische Funkelschneekruste auf Mauern am Garten;
an den Eichen empor schroffe Borkenklüfte
die geduldig strömen hinauf in die Lüfte;
ein Stückchen Welle im tanzenden Bach;
weicher Moossmaragd unterm Schuppendach;
deine warme kleine Hand;
die Quarzkristallkörnchen im glitzernden Sand;
in euch alle, wie in die Wölbung im Stein,
fügen sich meine Finger ganz passend hinein.

Jeder Baum ist verschwistert mit einem Gedanken:
einer Zwillingsidee, die sich sprießend verzweigt,
die im Wirrwarr aus Astwerk und suchendem Ranken
sich knorrig ins Jetzt stemmt oder nachgiebig neigt.
Sä Gedanken hinaus in die Welt und die Weite!
Denn mit etwas Suche- und Findeglück
begegnet dir, dass er dich fortan geleite,
der rechte Baum genau im rechten Augenblick.

Sprinkled into the grass
like a patch of poppies
I lie breathe watch.
I sense my rambling thoughts part
from all the beyonds
where I've sent them
from distant thens, future and past.
I sense them return,
as they slip back under my skin
to join me
snuggled into my NowHere
my Self.

If only knowledge worked like teeth:
the new one pressing from beneath
and gently pushing out the old
as life and time entwirl, elapse
as underneath fresh sense unfolds
to fill the newly yawning gaps.

Thoughts scratched with worries
and sore with blisters
from grazing against possibilities.

Zeit ist wie Sprache:
Jeder läuft mit seiner eigenen umher,
und stoßen wir zusammen, müssen wir uns arrangieren
und dabei
auf unser Können und die Dolmetschkunst der Zifferblätter vertrauen.

Früh heißt jetzt Dunkel, weil das Licht Verstecken spielt
und wir das Suchen üben und vollenden müssen,
um zu erkunden, statt nur zu vermissen,
und zu entdecken, was uns längst umgab und hielt,
während wir lebten, ohne es zu wissen.

In der Keksdose sammle ich Schatzkiesel,
die Du mir schenkst.
Nicht um der Steine willen
die nicht wollen können
sondern deinetwegen
da dein Finden mir aus jedem entgegenschimmert
und ihn leise pulsen lässt.
So wiege ich den Kieselhort in meinen Fingern und vergleiche
die Klüfte meiner Hand mit dem Aderrauschen der Quartzbrocken
bis zu dem Augenblick
als das Geäder an der rechten Stelle zu liegen kommt
einrastet in meine Haut
und darin Wurzeln schlägt.

Manchmal denk ich viel zu viel an Hätte Sollen,
weil das Ist und War mit meinem Bin nicht recht zusammenpassen wollen.
Gleichzeitig halt ich mich fest am Kann und Will und Werde,
um mich weiter rundherum und vorwärts zu entdecken,
in mich selbst hinein und in mein Leben hier auf dieser Erde.

Sie haben die Reißleine gezogen
und schleifen nun
Schleppen aus Fallschirmseide
hinter sich durch die Korridore.

Mir springen Dinge durch den Kopf wie Hasen oder Pingpongbälle:
ganz wild und unvorherzusehen, physikalisch intressant.
Vor lauter Dingsgespringe denk ich mich kaum von der Stelle,
weil Lauschen auf sein Klackern mich beschäftigt.
Für die Tagesplanung ist das recht riskant.

Her, zu, nieder,
aus und wieder,
ab, zusammen, überein:
Überall gilt es zu kunften,
um als Mensch dabei zu sein.
Künfte gilt es zu bestücken,
wie mit Ködern Anglerleinen,
damit andre sich verheddern
und womöglich mich mal meinen,
damit Künfte ich behalten,
ein und unter haben kann,
trotz der Risse, Klüfte, Spalten,
die mein Leben sich ersann.
All das Kunften,
all das Suchen,
all das Angeln fällt mir schwer.
Ach, wo nehm ich,
ach, wo sehn ich
mir den Tag für morgen her?

Ich klammre mich an einen Tropfen Regen.
Meine Fingerkuppen schwingen.
Ich spüre ihre Rillenlabyrinthe sich ins Glas des Wassers pressen,
so dass es sich wie klare Tinte in die Riefen legt.
Vermessen in der Kleinigkeit von meinem Existieren schau ich in die Tiefen,
die im weiten Raum des Augenblickes um mich singen,
und sehne mich danach, in ihnen mitzuklingen,
wenn sich der Eindruck meiner nassen Hände erst in ein Stück frischen, neuen Grundes prägt.
So will ich meine Spuren legen in den unkartierten Sinn,
wenn ich mit meinem Regen nur erst endlich angekommen bin.

Träumen: ein – aus,
ein – aus, ein – aus.
Immer ein paar
Gedanken voraus.

In manchen Tagen hängen wir drin
wie Mücken in Bernsteintropfen.

Wie kann eine Woche so brunnentief sein,
so hineinstürzbar und so sehr allein?

Auch wenn ich sehr damit beschäftigt bin,
mir alle Pflichten und gelegentliche Abenteuer in mein kleines Bisschen Zeit hineinzupfriemeln,
geb ich mir diesen Auftrag (und ich will ihn nie vergessen!):
Überall kleine Staun- und Wunder in die Welt hinauszukrümeln.

I do admit: I carry pocket pebbles.
You never know when you might need one, three or ten
to do their magic, ground you, mend
or merely lend weight to an argument.

Vorhin, nachher,
nachhin, vorher:
Im dem weiten Zeitenmeer
zickzackt Zeit, mal kreuz, mal quer …
Wirklich glücklich (richtig, sehr!)
wär ich nur, wenn Jetzt hier wär.

Streift auf dem Heimweg meine Sehnsucht einen Menschen,
der grade selbstbewusst ein schönes Haus betritt,
so neid ich ihm den Schlüssel in den Fingern
und drin an meiner Seele kaut mein Kummer leise mit.

Board game brimming
with secret rules
trimming of evening
shadow jewels.
In your field filled with sun
dark tokens prove
that you're waiting for me
to make my next move.

Danke für jetzt.
Für Tag voller Wunder.
Voll Funde, Erkennen,
voll Freude und Plunder.

I'm longing for a sense of belonging,
belonging so deep, so close, so tight,
that unbelonging becomes unthinkable,
uneverbegraspable.

My loneliness
is a violet panther
that stirs at dusk
bares its abysses
and sinks them
deep into my soul.

Ich trau mich nicht,
meine Seele baumeln zu lassen,
denn wer weiß, was passiert,
wenn ich sie aus Versehen loslasse.

Zweifel mästen die zeit
dass sie monster ausspeit:
zukunftswürmer zuhauf.
mit flammenden rachen
die angstglut anfachen
kriechen sie meine gedanken hinauf
und nagen sich so
– schmerz für schmerz, stück für stück –
unbarmherzig
hinein in mein glück.

Ich sprang hinein in dieses Jahr.
Ich war bereit.
Ich wollte alles anders fügen, als es war,
an einen Ort geraten, wo ich aufgehoben war.
Das Jahr verstrich.
Und nun klebt mein Kalender von verschmierter Zeit.

Reality is random piles of pebbles:
solidified heaps of events lodged in a river bed
with all the might-have-beens and yet-to-bees and sometime-possiblies
swirling about them
to keep their gathering alive
and our dreams fed.

Wie lange wird mein Lebensknäuel
wohl noch im Ungewissen wippen?
Frau Aventiure lacht und legt
den Zeigefinger auf die Lippen.

We witness reality crumbling each day:
trickling whispers of smidgens,
soft scrunch of decay.
As its avalanches roll downhill like tears,
we're facing the neverbefore in our fears.
We are drifting on
towards uncertain weather …
So let's all be glue
and hold our world together.

Wir sinnen auf die Besserung der Wege,
die vor uns liegen und die wir und andre nach uns weiter gehen sollen.
Kaum einer gleicht dem andern: Es gibt viele Straßen, Pfade, Treppen, Brücken, Stege.
Noch haben wir die Wahl. Doch um zu wählen, muss man erstmal wollen.

Suchen und finden.
Krümel verbinden.
Puzzeln und machen.
Sachen belachen.
Räumen und laufen.
Gebrauchtfahrrad kaufen.
Auch wenn all das nur klein war,
ohne viel Kraft,
hab ich doch einiges heut geschafft.

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Kritik

All dem unrechthaberischen Getu
der Tatoren und Rannen beim Gieren und Rotzen
guck ich aus unsichrer Entfernung zu,
stemm mich und sträub mich und tu, was ich tu,
dagegen. Und müh mich, nicht ständig zu …

Ich versteh dich nicht,
wenn deine einzige Währung
nur Geld ist, das zählt,
nur Nullerqualm, der auf den Konten schwelt,
nur das Noch-Mehr als jenes der andern.
Und nichts, das währt.
Und nichts, das lehrt,
das leitet im Wandern,
Tag um Tag,
und das Glück zu gewähren vermag.

Es gibt Patentrezepte,
um sein Leben erfolgreich
durchzudesignen
meinen
die feinen
Herrschaften, denen das Glück
in seinen bockigen Zufallsstürmen
wieder und wieder Wunscherfüllungsfülle
vor die Füße schwemmt,
so dass sie sein irres Toben nicht
als Zufallsgestrudel erkennen,
sondern es für Fahrtwind halten,
der ihnen auf ihrer perfekt geplanten Bahn
Komplimente zuträgt,
ohne Kursverlustgefahr,
ohne Angst,
weil es für sie ja
verdientermaßen
gar nicht anders kommen konnte
(meinen sie).

Sondermaterialien

Bärchengummi für Gummibärchen.
Talerschokolade für Schokoladentaler.
Senkelschnüre für Schnürsenkel.
Stammbäume für Baumstämme.
Sprossensommer für Sommersprossen.
Sesselohren für Ohrensessel.
Eisenwaffeln für Waffeleisen.
Ministerkultus für Kultusminister.
Meisenkohl für Kohlmeisen.
Schwalbenrauch für Rauchschwalben.
Falttage for Tagfalter.
Kastanienrösser für Rosskastanien.
Pastazähne für Zahnpasta.
Saunapos für Posaunen.
Zeichensätze für Satzzeichen.
Schirmbilder für Bildschirme.
Ministerschulen für Schulminister.

In einer ordnungsgemäßen Bürokratie sind Berüchtigungen beizeiten bei den betreffenden Behörden zu beantragen. Dies beinhaltet Anträge zwecks
Wetterberüchtigung
Terrainberüchtigung
Hausberüchtigung
Behördenberüchtigung
Betrügerberüchtigung

Gib Berüchtigungsbetrug
keine Chance.

Willkommen, Leute! Seht euch um
im Pandemiedämonium!
Dort drüben krähen schon die Schwurbler,
Verschwörungsschreier, Hassankurbler,
die sich als arme Opfer wähnen
und damit wahres Leid verhöhnen;
die sich Freiheitskämpfer nennen,
weil sie am schrillsten kreischen können.

Man definiert so vor sich hin.
Und lässt die Finitionen defilieren.
Lässt Wortgedanken tanzen an den Schnüren
der Schaftlichkeit. Ganz eng
und hoffentlich auch fest geknotet an den Sinn.

Membekremt die Juhser hocken,
wackeln mit den Juhsersocken,
söafn mit viel Matschomumm
hier im Wöald Waid Wäbb herum.

Bis sie memvergrämt sich schämen,
um beschämt sich vorzunehmen,
ihren Motzmumm zu bezähmen
und sich besser zu benehmen.

(Anlässlich eines am Odeonsplatz unfreiwillig mitgehörten Gesprächs über aktentaschenttragende Chauffeure und Dallmayr-Fresspakete:)

Die Größtkopfeten pappen ihre Leben voll
voll voll mit Statussymbolen
wie Schulkinder früher Paninialben mit Klebebildchen —
nur
dass es für sie keine Adresse gibt,
bei der sie ganz sicher sein können,
die letzten noch fehlenden Bildchen wirklich zu erwischen,
um fertig zu füllen,
das Album hinter sich zu lassen
und sich zu lösen aus der klebrigen Sammelwut.

The extreme political right
thinks that it always is —
automatically.
For its name’s sake.
How are its people to get their bearings and navigate
when they keep confusing judgment
with direction?

Gern "Elegien" betitelt oder auch "Ghasele",
so heimsen Literatentaten Preise ein:
das Versmaß voll bis an den Rand,
die Anspielungsbespülung bis aufs Letzte aufgespannt,
ein bisschen Avantgarde, Antike, Mittelalter mittendrin,
und zwischenreingequetscht noch ganz viel Hölderlin.

Aus Elons Sicht ganz klar:
Meinungsfreiheit gilt
für all das,
was er MEINT.
Das andere ist Deinung
und kann dementsprechend weg.

— Zurück zum Seitenanfang —

Sinn & Sinne

Augenblicke in Nähen und Fernen

Es gibt Welt ganz woanders
und Welt gleich hier:
nah, bekannt und vertraut
wie ein Teil von dir.
Das Wichtigste, was ich je lernte als Kind,
ist, dass das Woanders
im Hier beginnt.

Sinn, Sinne und Gedanken so weit öffnen,
dass sie auf ihren Gleisen nicht ganz glatt nach Fahrplan gleiten können,
sondern über die Ufer treten,
Einzelheiten mit sich reißen
und an der Wirklichkeit entlang sich schrammen,
beinah die Balance verlierend,
so dass sie Schrunden in den Morgen schneisen:
kleine Klüfte,
in denen Wörter neue Ankerstellen finden dürfen.

Golden dreht sich Windgeflügel
über Dächern und Antennen,
doch im Sonnenlichtgegleiße
ist es schwierig zu erkennen,
was für Vögel das nun sind:
ob Turmhähne oder -hennen.

Fels schiebt sich langsamer als jede Schnecke.
Ihm eilt es nicht — nur uns.
Weil unser Augenblickchen Leben rasch verflackert,
so dass uns keine Zeit bleibt, Fels beim Fluten in den Tiefen zuzusehn.
Was sonst nur Jahrmillionen in die Brockenströme kneten —
galaxienweise Glimmerfunken
in Schichten über Schichten Schimmergneis —
tupft Regen fingerkuppensacht in diesem einen Augenblick
auf eben noch so dunkelmatte Gehwegplatten:
Geologenzaubertrick.

Blau und Geknäuel noch schlafzerschlissner Wolken schwemmt der Morgen über mich hinfort,
damit ich Blicke in dem Fluten treiben lassen kann wie Schiffe auf den Wellen
und spüren, wie im öffnenden Erwachen die Gedanken mir wie Segel schwellen,
die aus dem Innenall des Traums mich treiben in das Draußendort.

Himmel, hellblau eingetintet,
schwappt im Oben hin und her.
Wer hinaufguckt, taucht hinein,
wie ins tiefe, weite Meer.

Weil ich nach Nacht suchte
und hoffte, etwas Nebel zu entdecken,
ließ ich die Decke hinter mir auf meinem Bett zurück wie eine abgestreifte alte Haut
und trat mit bloßen Füßen auf die Kälte, aus den Steinen strahlend klar und scharf, die Luft fast schon wie Klinge,
die alle Trübe aus sich selbst herausgeschnitten hatte.
Orion hing im Osten im Geäst der Traubenkirsche, zerrte ungeduldig an den Zweigen, stieß ins Horn,
um Sirius hervorzuhetzen unterm Horizont.
Entschlossen trat ich ihm entgegen.

Ernte das Licht im Wachsen, ehe es verwelkt.
Flicht Schalen dir aus Blicken und gebeugten Fingern, es zu sammeln.

Hübsch eingerahmt und hinter Glas,
vielleicht so hundert Meter fern,
quer über Hinterhof und Straße nebendran gemessen,
tanzt einer, Arme rhythmisch schwenkend, hin und her.
Beschwört mit bunten Stücken Stoff wild wedelnd wohl verborgene Gespenster
oder lotst heimlich Reisende durchs wilde Straßenmeer.
(Ja, freilich weiß ich: Der putzt nur sein Fenster.
Aber es ist so schön, ihn mir inmitten dieses Morgenrauschens Wellen
als Magier und irrgärtnernden Lotsen vorzustellen.)

Von einer Masche des Zaunes zur andern
zupft das Licht
tupft das Licht
hupft das Licht
springt das Licht
singt das Licht
wie Finger auf Harfensaiten.

Am Horizont schwappen die Alpen hoch auf:
so viel Blauhimmel, dass ich drin fast ersauf.

Ein einzelner Heißluftballon tropft hinauf
in den klaren Teil des Morgenhimmels
wie eine umgedrehte Träne.

Always rising, holding and falling,
seesawing, swaying, rocking and sprawling,
calling out, heaving, hiding and lunging,
steadily soaring, perpetually plunging:
the mountains, the mountains
as they weave and prance
as they billow and dance
as they breathe along the horizon.

Blau wie ein Walleib wälzt die Masse all der Alpen sich
durchs Postkartenazur den Horizont entlang.

Alpen aufgespießt zappelnd
auf dem südlichen Stachel der Kompassrose.

Wie Drachenflügelzackenkante flattern
die Alpen auf am Himmelsrand
und lüpfen, wenn Du mit genauem Hinsehn hilfst,
die Erde ein Stückchen höher,
leichter in die Frühlingsluft.

Fahrräder glotzen aus Eulengesichtern
von der Brücke oben auf mich herunter.
Bespähen mich, ohne mich richtig zu sehen.
Ich husche davon — lebendig und munter.

Die Alpen schwappen sich
vom Abendlicht beschäumt
den Horizont entlang
wie Rosenmarzipangewoge
auf dem Pfirsichozean.
Vereinzelt schaukeln Dächer archenartig auf den Wellen
während Millionen Menschenseelen schauend branden, hoffen, tosen, schwellen.

Knallend wie Peitschenschnur blau:
so gipfeln sich die Alpen
bergeweise aufschwappend
in den Himmelszipfel
im Süden brückenabwärts ein.

Wenn sich vor sonst hellem Himmel im Westen
ein Horizontstreifen dunkler Wolkenklumpen auftürmelt,
denkt man einen Herzschlag lang,
die Alpen hätten sich losgerissen
und tanzten nun rund um München herum.

Jemand hat die Alpen aufgepustet
und sie, groß und blau,
in den leuchtenden Zwickel besonderer Ferne
am Südende der Fürstenrieder Straße eingeankert.

Die Silhouette eines Heißluftballons,
fern über der noch viel ferneren Alpenkette
durch die goldene Abendluft gleitend,
ist ein i-Punkt,
der sich nicht entscheiden kann,
auf welchen Berg er sich drauftüpfeln soll.

Aus Münchner Perspektive sind die Alpen auch dann besonders schön, wenn man nicht in ihnen ist, weil man sich dann auf sie freuen kann.

Schwimm so geschickt mit den Ampelphasen,
dass du punktsicher treffgenau, ruhig und gelassen
auf der Verkehrsinsel stranden darfst.
Lass Blechhinundher dich umbranden,
während du, umspült vom Wogengeschwärme,
Ausguck hältst in den Blaudunst der Ferne.

Heizfahnen wehen von den hohen Häusern,
als dampften die hinaus auf offnen Ozean.

Und auf der Brücke noch ein Schwall
voll Aprikosenlicht
das saftig troff
und schimmerte
und zuckerklar ein Haus ans andre klebte
weil grad als ich dort droben auf dem Bogen stand
der Horizont
sich in die Sonne tief
hineingebissen hatte
dass sie ihm in den Schattenzähnen hing.

Sow a handful of star seeds up into the sky
beyond freezing fog and clouds.
then hurl your hopes straight up into them
to make them grow. To help them sprout.
And as each slumbering seedling starts to swell
pray that you'll burst through all your layers and husks of shell as well.

Während im Schwingen der Mittagsglocken Schnee dahinschmilzt, verrinnt
und all die schon in ihn hineingelegten Spuren mit sich nimmt
trippeln über der zerschlissnen Decke und daneben
längs der Gärten Tupfenfäden
gestempelt tief ins Mauerwerk hinein:
Tänzelspuren von wildem Wein.

Die Schattenleute in den Fensterscheiben,
die im Vorüberlaufen sich schnell neben uns gesellen,
im Augenwinkel auf Giganten- und Titanenmaße schwellen,
nur um beharrsam hütend drin im Glas treiben zu bleiben.

Bauzaun klimpert Lichtklavier
auf dem Gehweg neben mir.

Acht Hubschrauber in Formation
queren den Himmel über Laim,
als spielten sie Nils Holgersson.
Sie würden so gern Gänse sein …

Märchenschatten, aufgespannt
auf des Korridores Wand.

Ich lieg gemütlich in der Luft
und balancierjonglier
mit Wirbelfüßen dieses Fahrrad
und den ganzen Erdplaneten über mir.

Entlang sprossender Feuerleiter und Zweigen,
die sich mir quer durchs Fenster neigen,
trennt Samstagssonne blendend grell
mit klingend geschliffenem Lichtskalpell
Strich um Faden, Fläche um Band
Schattenschablonen aus leuchtender Wand.

Während überm Feld die Drachen
ihren Flammentanz entfachen,
hängt daneben auf dem Sturm
nur ein Falke. Ohne Turm.
Ungebunden, ohne Schnur
guckt er über Wald und Flur
und schwimmt frei in luftger Flut
unter bunter Drachenbrut.

Zwei Flieger stricheln sich durchs Blau:
Der eine hier — der andre da.
Und ich versuch mir auszudenken,
wo sie sich wohl begegnen könnten.
(Vielleicht erst in Amerika.)

Saharastaub-Gedichte, als ich mit COVID krank im Bett lag (15. März 2022)

Desert sanding down this day,
cloud and kernel, house and chaff,
transmutes my entire city
into an ancient photograph.

München heute:
Unten Schotterebene.
Obendrüber
Saharagedankensandkasten.

Saharastaubtraum

Draußen Luft voller Wüste,
rot drückendem Schein,
der zwischen meine Gedanken sich knirscht.
Karawanen ziehn mir am Fenster vorbei
und winden sich träge durchs Hofbaumgeäst.
Sand zwischen den Hufen Kamele schrein,
während mein Traum sich sehnend pirscht
entlang ihrer Spuren
entlang ihrem Schreiten
und sucht und nichts findet in öden Weiten.

Wenn die gute Besserung zickt
und sich störrisch weigert sich einzustellen,
worauf hoff ich dann wenigstens?
Schlechte Besserung?
Gute Schlechterung?
Schlechthin schlechtweg Gutes?

Man kann keinen Urlaub nehmen vom Entdecken,
vom Wissen und Freuen und Neugierigsein —
nur mitten in all das direkt hinein.

Wie Tafeln voller Zauberschrift,
so hängen in den dunklen Küchen nachts
die Displays leerer Herde in der Luft
und künden, leise glimmend.

Die Risse schlängeln sich wie Aale
das Holzgewog der Bank entlang,
durchziehn das Brettermeer in Schwärmen,
dass ich sie blickend fangen kann.

Die Oberleitungen der Trambahn halten Stückchen Abendhimmel,
die aus der Stadt wie Hängematten in die Höhe hängen,
hinaus ins All und zu versteckten Sternen.

Aufgetakelt,
abgetakelt,
seitwärts hin und her getakelt,
schippern Menschen durch die Stadt,
voller Segel, wochensatt.

Flugzeugstreifenwolkgekritzel
einmal himmelsquerzeltein
reißt den Blick ins Lichtgespritzel
und ins Unterwegsgeträum.

Noch nie hab ich den weiten Himmel
vollkommen blau gesehn, solang ich denken kann.
Nie frei von Graugewimmel.
Durch meine Augen brummen Hummelschwärme,
toben Wolken, Schmiereschlieren,
weil meine Glaskörper mit Schatten vor sich hinjonglieren.
Zum Trost stell ich sie mir dann eben frisch vor,
in ein völlig andres Sein hinein.
Ich denke sie mir rufend lärmen,
in den Lüften wehen:
Zugvogelschwärme frei in ungeahnten Höhen,
sichtbar nur mir, mir ganz allein.

Kondensstreifen: erst Klebespur,
die fest zusammenhält das Blauen;
dann Reißverschluss voll Zähne, nur
beschäftigt, Himmel zu zerkauen.

Die Böen sprenkeln Dohlentupfen in die Wolken.
Die Wetterhähne krähen imponierlich.
Die Drachen an den Schnüren machen sich von hinnen.
Die Wetterhenneneier kullern golden in die Regenrinnen
Die Knatterfahnen an den Stangen plaudern recht ausführlich.

Wetter für Schnurdrachen

Zum Steigen und Zerren,
Zum Juchzen und Plärren,
Zum Tanzen und Klettern,
Zum Wolkenverheddern.

— Zurück zum Seitenanfang —

Lauschen, Schmecken

Früh um vier,
wenn die Stadt noch so sehr
mit Stille beschäftigt ist,
dass man ihr dabei zuhören kann.

Mit den Vogelstimmen kam
Im ersten zarten Dämmerlicht der Regen,
so dass beim Lauschen
kaum zu unterscheiden ist,
wer singt.

Durchwasserfallte Nacht voll Rauscheregen,
der Ohrmuscheln durchflutet, um sich in die Träume einzuweben.

Sonntagganzfrühmorgenregen
lädt uns ein hineinzulauschen.
Luft voll Glück und Wolkenbauschen,
noch nachtversteckt am Himmel,
wenn die Fensterbretter knistern:
Regen sich entgegenflüstern.

Bei ganz langsamem Regen
so nur alle paar Atemzüge ein Tropfen —
hört es sich an,
als ob die Luft puzzelt
und jedes einzelne Teilchen des Tages
versonnen am richtigen Ort einklicken lässt.

Draußen Rauschen.
Regen.
Suchende Luft.

Morsenacht voll Regenwörter,
eingepocht in Laub und Sinnen;
Schneckenhausversteckelnacht,
tief und tiefer in mein Drinnen.

Draußen tanzt die Luft.
Ich lausche ihren Schritten
auf den Spreiten der Dächer
in den Spalten der Straßen dazwischen
wie beim Versinken in die Tiefe eines Ölgemäldes,
wenn der Schorf der aufgetürmten Pinselspuren gletscherrissig um mich aufzuragen strebt.
Jeden Tritt der Luft versuch ich zu erlauschen in den Raum hinein an seinen Ort:
Ankerketten einzulauschen in die Luft, die alles aneinander binden durch mein Hören,
ohne jedoch dabei all das Tanzen aufzuhalten und zu stören.

Gelegentlich gluckst der Balkonabfluss gemütlich,
weil er sich übers Wetter und die bunten Regenschirme amüsiert.

How kind of the world outside
to place itself in rain’s path
help me hear it unfurling
and allow me to listen to the listing count
of tiny joyful encounters
of drops and their counterparts
far more substantial
than their jostling whispers
as they collide with themselves in midair.

Im keimenden Erwachen sind die Morgenlaute noch verklebt mit Traum,
während sich die Geräusche noch zu einem Knäuel aus Schall tief ineinanderschlingen
und ineinander eingeheddert wie Pullovermaschen oder Wassertropfen eines Ozeans gemeinsam singen.
Mir fällt es zu, sie voneinander sacht zu lösen, tastend lauschend in den weiten Raum.

Ganz sacht und erwartungsvoll
beginnen die Blätter im Regen zu knistern,
wie Stanniolpapier um eine Tafel Schokolade,
das jemand ganz, ganz vorsichtig aufzufalten
und abzuschälen versucht,
um die anderen Konzertbesucher nicht zu stören.

Vor dem ersten Tropfenschwall ins Tonnenhäuschen eingeflüchtet,
wart ich zwischen Bio-, Altpapier- und Restmüll rasch den Schauer ab.
Wipp zum Tropfentrommeln auf dem Dach ein wenig auf den Zehen,
hoffe, dass die regenschweren Wolken rasch vorüberwehen
finde Schimmerspinnennetze und belausche,
wie der Strom der nassen Straße unter eiligem Verkehrsfluss platscht und schwappt.

Regenrauschen

Regenlauschen
den Ohrenpünktchen
den Trommelfellfünkchen
aus kichernder Kühle
Reisetröpfchen, Laub und Luft
und Fahrradschuppendach.

Gebüsch, Gezweig und Laub sind Außerhausaufgaben
einfach mal so hingestellt
für Regen und Sonnenlicht
die hinein sich fädeln und hindurch
an andre Enden finden müssen
wie feste Schnur in Kindergartenkinderfingern durch Holzperlen und Fädelbrettchen
um bunte Spuren in die Welt zu legen:
Schattenflimmerlabyrinthe
Tropfentuscheltrommelwirbel

Vereinzelt ploppt die Nacht noch einmal auf
wie Popcorn in der Ferne
oder wie Badewannenschaum,
der aus Versehen brüllt statt nur zu flüstern.
Ich liege, lausche, warte durch das dumpfe Knistern
hindurch darauf, dass erste Vogelstimmen sich in die gelegentliche Stille wagen,
damit das frische Jahr dann auch beginnen kann zu tagen.

Eichkätzchen turnen durchs Gezweig,
kringeln sich durchs bunte Blättern.
Ich gucke mit den Ohren zu:
Ich lausche ihrem Raschelklettern.

Die Morgenluft wogt,
durchwoben von Stimmen,
die Orte und Räume ins Dämmerlicht dimmen,
so dass diese mittsommerfrühe Welt wild
sich wie eine riesige Tafel füllt
mit amselgeduldigem Pinselströmen,
mit Buchfinkenkringeln, mit Zilpzalpschemen
und zwischendrin in die stillen Lücken
mal hier, mal da die Mönchsgrasmücken
ihre knittrigen Kritzelskizzen rücken.

Ich lese von tobender Luft über Island,
während um mich Stille durchs Zimmer rast.
Nur im Auge des Sturms
höre ich das feine Kratzen
mit dem mein Schatten bei jedem Atemzug
eine Daumenbreite weit
über die raue Wand schrammt.

Klonk! sounds tousled woodpecker, hitting fireladder.
Rumble-squeak! sound claws, stuttering down metal beam.
Swish-swash! sound wings, flapping in futile attempts to reach feeder, unleashing drop cascades from washing line.
Scrunch! sound fat balls as beak finally finds them.

Ein Auftrag für dich: eine Heldenmission.
Bewältigest du sie, winkt dir herrlicher Lohn.
Quere den Hinterhof morgen früh,
ohne die Bodenblätter zu stören,
damit sie nicht in wispernden Chören
sich tuschelnd über dein Trampeln empören.
Stattdessen suche nach freien Flecken,
um ihr Geraschel nicht aufzuwecken.
Tritt mit Sorgfalt zwischen die wartenden Schatten.
so dass deine Füße ins Tanzen geraten.

Schritte, vermutlich mit Sohlen, Schuhen und mit einem Menschen darüber
pochen den Gehsteig entlang
am Fenster vorbei
doch ohne sein Glas zu berühren.
Während ich lausche und sie zu entschlüsseln versuche,
mein ich zu glauben und spüren,
dass sie Geheimzeichen sind, ein klopfender Code an verborgene Türen,
um das Darunter zum Öffnen zu drängen
um aus den Tiefen der Straße heraus die gewohnte und viel zu bequem bewohnte Welt zu zersprengen.

Imagine what it must feel like to play the lute:
to fill a tiny string of time and universe with music absolute.

Kaum Straßendröhnen.
Nur gelegentlich ein Vogel.
So einen stillen Morgen bin ich kaum gewohnt.
Mit sachtem Plätschern schwappen Berge
im Süden an den hellen Horizont.

Lebe, wie der Tag erflimmert.
Lausch: es knistert.
Spür: es kribbelt.
Schmeck: es wispert.
Schau: es schimmert.

Ich lausche in die Morgendämmerung hinaus, hinein
in etwas, das wie erstes zartes Licht klingt,
um Fäden einzelner Lieder, Stimmenfasern,
aus dem großen Fluten des Vogelchors zu lösen.

Schnee heißt: Ich hör draußen die Wolken flüstern,
das Fensterglas kichern,
die Büsche knistern.

Dem Regenwisperrauschen
wie Knisterbrause lauschen.

Irgendwo draußen vor nachtdunkler Küste
Sprudelstrudelgeglucker
tief im tintigen Ozean:
aber mit Apfelmus, Zimt und Zucker.

Nachtbrandung sacht.
Lauf durch mein Lauschen.
Rausch und berausch.
Wellenpakete aus Stille packst
legst und trägst du
schwellend an allen Schwellen vorbei
und drüber hinüber
mit wispernden Adressen.

Tee ist das, was ich im Becher vergesse,
zurückgelassen irgendwo
im Ozean der Nachmittags, der durch Kalender und Küche brandet,
und das, was ich dann abends wiederfinde,
um mich über mich zu wundern.

Ich lausche auf ungeschriebene Briefe,
mit denen sich wartend mein Postkasten füllt.
Sie schichten sich mählich, als ob jemand schliefe
und nach ihnen tastete fern in der Tiefe
wie nach Glimmerplättchen, vom Felswust umhüllt.

In der Christnacht

Zwischen dem Glockenrausch bleibt Raum für Nacht und Lauschen.
Die Weite, freigeläutet von der Macht des Bronzeklangs, schwebt voller Zeichen, Fragen, ungehörter Wünsche.

— Zurück zum Seitenanfang —

Spüren

Kleiner Kiesel, Findelstein,
der einsam lag am Wegesrand,
hüpfst in die Finger mir hinein,
schmiegst dich tief in meine Hand.

Ich lasse Blicke, Lauschen, Spüren schwirren
wie Wirbelholz an einer Schnur:
zunächst verankert noch inmitten der Gedankenspur,
doch dann an zarterem Geschnüre immer weiter kreisen, schweben,
durch Strauchgeknister, Wolkenbauschen, Flussgetöse
bis schließlich sich der spinnenseidenfeine Faden mir aus meinem Denken löse
und Horchen, Gucken, Fühlen sich ins Weite heben,
nach Abenteuern stöbern in der Welt,
um mir im Heimkehrn überraschend zuzutragen,
was immer ihnen zutreibt und gefällt.

The kitchen a mysterious cave
brimming with bottomless darkness.
I let myself glide out into its depths
towards counter encounters between fingertips and surprises
lingering bubbles and pockets of time from Sunday
like the forgotten bowl full of evening tea
whose warmth has long danced off into the night.

Nie komm ich dem Festhalten eines Augenblicks näher
als beim Verstauen einer Jackenkastanie,
wenn die feinen Schlierenwirbel mir
im Dunkel der Tasche noch unter den Fingerkuppen tanzen.

Eine Schale Haselnüsse um hineinzutauchen:
Fingerspitzen, Ohren und Gedanken.
Kleine Weltpakete,
zum Erkunden und Tasten,
zum Kullern und Klackern,
vielleicht später zum Knacken.

Mit dem Strecken der Knie, die den Körper hinterher
aus dem Schwebewasser des Schwimmbeckens heben,
flutet die Schwerkraft in bleiernen Kaskaden zurück
in jede Unze Leib,
klebt Fußsohlen auf den Boden
und brüllt triumphierend auf.

Wir laufen auf Nacht.
Wir brauchen das sachte,
federnde Dunkel ruhender Kohlen
von Schichten aus Schatten unter den Sohlen,
die auch in den brennendsten Sommergluten
als schützende Polster bei allen Schritten
zwischen Pfad und Fuß rollen tief ins Inmitten
und uns tragen im weichen Bett ihrer Fluten.

— Zurück zum Seitenanfang —

Natur

Himmel, Wolken, Wetter

Ich lasse meine Blicke in den Himmel kullern
wie eine Handvoll Murmeln, die mir aus den Fingern rutscht.

So viel Blau über uns.
So viel Himmel, um drinnen
blickend versinkend gedankenzuschwimmen.

Ozeanhimmel, leuchtend weit:
kein Wellenschaum, kein Streifen Gischt.
Lass meine Seele in dich schweben,
dass sie sich deinem Licht vermischt.

Sky bright and liquid in the draining light of dusk, like mercury;
a giant scrying bowl so full of futures
that it's impossible to choose and tell even the simplest one among them,
like: will the night be deep and coruscant with stars or dull with cloud,
since it's impossible to tell their vast expanse apart
in light like this
in scintillating doubt like this.

Unermüdlich quillt mir Himmel entgegen
aus dem drumherummenden Überall:
aus Rokokodorfkirchendeckengemälden
aus Hieren und Dorten
aus Worten und Orten
aus Parkplatzpfützen
Libellenblitzen
aus wisperndem Kiesweg unter den Sohlen
aus Schwalbenkurven, ins Weite gezogen,
aus Grashalmflimmern und Wolkenknoten.
Ich treibe in seinem Quellen und Strömen.
Ich lasse mich gleiten.
Ich lasse mich schweben,
wohin er mich trägt,
will ich reisen und sein.

Verstreut über ganz München schaukeln Kirchturmspitzen
als Bojen auf dem Dächermeer im Windgebraus.
Weithin siehst du die Wettergockel auf den Spitzen blitzen,
so dass du deine Boje findest.
Und dank ihr den rechten Weg: nach Haus.

Wolken wie Suchgedanken tief
mit Krallenfingern in den Himmel eingegraben,
so dass das Dunkelschwelen dir von ihnen auf den Scheitel trieft,
während ein Sehnen jenseits drüber wegrauscht wie ein Schwall von Raben.

Kalligraphiehimmel mit Wolkenpinselspuren.
Sehr Zen.
So zart und unbegreiflich,
dass man sich sachte nur besinnen und zurande staunen kann.

Himmelblaubeeren
frisch gepflückt
aus Wolkengestrüpp auf meine Zunge.

Cloud quilt covers
sleeping sky.

Lass uns heute gemeinsam wettern:
uns in Wolken und Tropfenfäden verheddern
und auf dem Teppich aus glänzenden Blättern
durchs nasse Gras auf den Hügel klettern.

— Zurück zum Seitenanfang —

Wind

Wind ist die Vagabundenluft,
die an uns reibt,
die mit geliehnen Stimmen nach uns ruft
und uns im flüchtigen Vorübertreiben Briefe schreibt.

Wind, Windwindwind,
sei gespürt und gegrüßt,
wie du uns in alle Briefkastenschlitze
deine Depeschen schiebst!
Ständige Einladung bist du,
mir ins Gesicht und den Leib gedruckt,
du Böenbote, eiliger,
Nielangverweiliger,
schubst und rupfst,
druckst und hupfst
quirlst und strudelst
Loseblattwerk und Luft,
so dass es mich hinreißt, umarmt und ruft
mitten hineinzuspringen in wirbelnde Laubkringel auf allen Wegen,
um meinen zerzausten Irren im schwindligen Strudeltanz Richtung und Mitte zu geben.

Wasserfallwind
mit rauschendem Klatschen
lässt das Licht schäumend
aufs Mauerwerk platschen.

Resolute gusts are brushing bridge pedestrians' hair
skywards around their faces into flaming halos.
The gushing tufts are licking open air,
tasting the scent of freedom everywhere,
like flaring prophecies that fly on
the distant flagpole of the Alps along the far horizon.

— Zurück zum Seitenanfang —

Wolken

Schwebekreide

Zwischendurch gern öfter mal
Blicke hoch ins Blau raufspucken,
um die Wolken überall
beim Himmelskritzeln zu begucken.

Wolken wurlen sich durch Himmel
zu verquirltem Himmgewimmel.

Wolkenschaumgischt
wogt und verwischt
hoch droben im Oben.

Das Himmelblau durchwogt, durchkritzelt
von Wolkenschaum auf Wellenkämmen,
die Licht, das mein Gesicht bekitzelt,
dem Horizont entgegenschwemmen.

Wolken wirken seltsam beim Daruntersitzen und Hineinbetrachten auf den Leib:
reißen ihn empor und wirbeln mir die Seele schwindlig, strudeln sie durch Himmelsweiten,
lassen sie am Ende wieder sacht herniedergleiten
in den Körper, der dort unten längst schon wieder ruht und wartet wie ein Anker, fast Zuhaus.

Wolkenknete, Faust um Faust voll,
pfirsichglitzernd, schimmerkalt,
stapelt sich am Horizont hoch;
denn das Hoffen
denn das Warten
denn das Sehnen sucht Gestalt;
denn das Neue
denn das Leuchten
denn das Freuen kommt nun bald.

Wie Kreise mit bespucktem Daumen auf dem Tafelgrund verschmiert:
die Wolken
so ungewiss zerlaufend, dass nicht zu wissen ist,
ob ich es bin, die blinzeln müsste, oder sie,
um sie ein wenig schärfer in den Blick zu fassen.

Wolken auf Augenhöhe
für atmosphärische Gespräche.

Wolken wie Packeisfladen treiben übers Land
und untendrunter
schiffsschräubeln Windradschwärme die Erde Stück für Stück voran.

Wolkenvorhang wird nach oben
statt zur Seite weggezogen,
platzt empor und weitet sich:
macht den ganzen Himmel licht.

Behind the crowd of clouds a gentle luster
of secret sun is jostling out only the worst of night.
With all the confidence and courage I can muster
I gaze into the gloom, trying to hope out day and light.

Kamine füttern die Wolken
mit Qualmspaghetti
und die schlürfen gierig
einen quellenden Dampffaden um den anderen
in ihre schwellenden Bäuche hinein.

Nilpferd, Engel, Vogelschwärme,
wolkigtes Gewimmel,
gleitet aus dem Schornsteinrauch
in den hellen Himmel.

Wolkenzottel, Blautentakel
tasten übern Horizont,
winden, solang Wind sie lässt,
sich um Tagesrestchen fest.

Morgenrotwolken wie Blätterteig
geschichtet aus feinen Lagen von Farbe und Schatten
aufgehend im Osten.

Blumenkohlgeknollewolken
-quollewolken
-grollewolken
hängen tief über der Stadt,
schütten alles plitsch und platt.

Bö scharf von Nord.
Die Schornsteinwatte
wie Packgewöll aufs Dach gepappt.
Der Frost so hart,
dass sich die Kompassnadel drin verkeilt
und knarzend drängt,
weil sie der Wind von ihrem angestammten Ort vertreibt.

Wie von Radiergummi verschmiert die Wolkenschlieren,
so dass der ganze Himmel weich zerläuft und quillt,
bis dann der Abend ihn durchtränkt und letzte Lücken füllt.

Ratzefummlig wie Radiergummis im Fahrtwind,
Wirbelkrümel, Temposchleierfädenschleppen nach sich streifend,
rubbeln Cirruswölkchen übers Himmelblaupapier.

Ich lief den kleinen Weg zur Post entlang
und blieb dabei ein paarmal stehen, um emporzugucken
durch dunkle Untendrunter- auf die pfirsichenen Obendrüberwolken.
Ich guckte und ich hoffte, dass die Untendrunterwolken drauf verzichten würden, mich mal eben zu bespucken.

Wie Flaum von Vogelküken wispern Wölkchen sich ins Blau
und schaukeln daunenweise auf den Wellen.

Wenn Wolken Sehnsucht haben nach Sternen,
fädeln sie sich in den Himmel ein.
Ich sehne durchs Gewölk mich
hindurch in Sternenfernen
und bin dabei dank Wolken
zumindest nicht allein.

The clouds are shaking their petticoats
to practice a waltz in the sky.
When their step on each other's toes
the clouds begin to cry.

Versteckt tief unterm Horizont
unhörbar selbst fürs feinste Ohr
rumpeln und blubbern und plumpsen und gluckern
die Wolkenvulkane den Himmel hervor.

Auf Eisenbahnbrücken
steigst du über die Stadt.
Zwar nur beinahe —
doch siehst du schon dort,
was Regenwolken denn sind:
Pinsel, beborstet mit blauem Tüll,
streichen Elsternflügeltinte
über einen Himmelsstreifen,
bis zur Kante aus Dächern und Horizont.

Die Wolkenzunge hat das Blau
vom Himmel weggeschleckt.
Gelegentlich trieft sie Spucketröpfchen.
Die Stimmung ist bedeckt.

Die Wolken bauschen sich zu Zauberböen
und zwirbeln sich zu Fäden unbeschriebenen Papieres zwischen meinen bloßen Zehen.

Schornsteinpuster, Wölkchenhuster,
füllst den hellen Abendhimmel,
einen Schnaufbausch um den andern
mit dem weichen Luftgewimmel.

Sahaarig lässt die satte Luft die Zotteln schleifen
staubt ihre Spuren in die Simse ein
beschmirgelt Briefe, Blicke, Stadt im Takt, den Amseln hüten,
stäubt Wüstendünen in die Münchner Blüten
um tief im Sommer
knirschend in den Kirschen
uns noch Erinnerung an diesen Tag zu sein.

— Zurück zum Seitenanfang —

Regen

Der Regen niest noch nicht mal,
sondern nieselt nur so leise,
dass er zum Schnäuzen nicht mal Taschentücher braucht.

Regenseide fädelt feine
Saiten in die Stadt hinein:
stopft klaffende Straßenspalten und Ritzen
mit der glucksenden Fugenfülle der Pfützen,
weil das, was schmerzt und zerrissen ist,
in ihrem Spiegel zusammenfließt.
Darum runde ich zwischen bittenden Fingern
auch meine Hand zur zerklüfteten Schale,
in der sich schimmernd die Tupfen sammeln.
Ich blicke, hoffe, warte und male
mir aus, wie sich schließlich mein Gesicht
finden wird im Spiegel aus Tropfenlicht.

Der Regen so unmerklich zarter Wasserstaub
legt sich wie Flaum auf Haare, Brillengläser, Wangen
ich schwebe einen Augenblick im Regenglück gefangen
oben mitten auf dem Scheitelpunkt der Brücke
bevor ich mich aus dem Gespinst der feinen Fäden löse
und nach Stückchen Regenbogen blicke.

Today began with a library in Morse code:
all the stories I could wish for
washed into the backyard
simultaneously.

A drizzle, almost too gentle to notice,
trickletickles each cobblestone’s curious face.
Their chuckling and giggling turns them all sticky
and glues all the light flooding down from the city
into their solid, cobbled embrace.

The path is awake with shimmer
that the rain has washed down from the traffic lights.
It breathes soft luster, caresses the faces
and nudges them onwards, out of the yet-night.

Rain as yet undecided.
Still hesitating
halfway between my thoughts and the ground.
Each hovering droplet meditating
on a target in life, a purpose in waiting;
floating, balancing and creating
warp threads of water all around.

Ununterbrochen eifrig raschelt Regen mit den Blättern,
so dass ich Großes mir erwarte über Nacht:
dass er nach all dem unermüdlichen Hantieren, Falzen, vorsichtigen Fingern mit den grünen Bögen
mich morgen früh erwartet mit dem ganzen Fenster voller Origamipracht.

Und plötzlich schäumt die Luft von Licht,
rauscht auf von Funkelgischt,
die Leuchten in die Straßen wäscht
und Bunt am Himmel mischt.

Scatterbrained and addlepated
weather roams through hills and plain:
shedding, sprinkling and forgetting
(without noticing and fretting)
puddlewise its wet disbatches
a whole quilt's worth full of patches
blotchful splotchful splashing skein
of delightful, frisking rain.

Tief in jedes Klümpchen Regen,
das an Stadt und Türen klopft,
hat ein Wirbel Drumherum sich
unlösbar hineingepfropft.
Während aus den Wolkenwellen
Tropf- um Tropf- um Tropfen quellen,
fädeln sich aus dem Gereige
nasse Perlen auf die Zweige.
Jeder Tropfen ist ein Kino
das mir hell entgegenfällt:
birgt er doch in seinem Schimmern
Murmelglaskopfüberwelt.

Tropfen und Knospen
kaum zu unterscheiden
schwellen voll Zukunft
zwischen den Zweigen.

Regen hat es oft eilig.
Dieser hier nicht.
Fröhlich vertraut beschnuppert er, umkringelt und umwedelt mich;
er schmiegt sich mir ins Haar
und webt sich tief in meine Anorakkapuze,
ganz arglos, weil er weiß, dass ich ihn gerne duze.
Doch wenn ich im Gebüsch des Tages
zu straucheln drohe, weil ich beben muss
und zittere vor Leben
eilt er herbei
und schiebt sich ein Stück Pfads ums andre unter meine Schritte,
dass alle Last und Landschaft drumherum zerschmelzen mag,
während ich ruhig wandernd hier auf meinem Regenweg verweile
und mich tragen lassen darf
fast schwebend heben:
dem glucksenden Mäandern seines Strömens hingegeben.

Sprich mir den Regen in die Luft!
Erst flüstre mir die Wolken in den Himmel.
Dann sag den Pfad der Tropfen, jedes einzelnen:
Bespanne mir den Raum über der Stadt
mit ihren Wassersaiten.

Sprich mir den Regen in die Gehsteigritzen.
Sing mir die Tropfenperlen auf die Fingerspitzen.
Lass Wasserglucksen an den Dächern drängeln durch die Rinnen.
Behüte diese Kühle.
Lass mich frisch und neu beginnen.

Tröpfchen, schüchterne Besucher
aus dem Wolkentanzgewimmel,
traun sich noch nicht ganz herunter,
klammern sich noch an den Himmel —
bis die ersten es dann wagen:
hupfen mir auf den Balkon,
tupfen Regenbogenpunkte
auf mein Telefon.

Silberperlen, seidenfein an Wasserschnüren aufgefädelt
spuckt der Abendregen an die Trambahnfensterscheiben.
Mantelkrägen und die Bürgersteige werden hochgeklappt.
Allein die Schatten von Passanten bleiben.
Und hinein in lichtverwischte Kegelstümpfe,
ausgeschleudert vor die Wagen,
kritzeln nur
Tropfen ihre kunterfunkelbunte, blinzelkurze Glitzerstrichschraffur.

Der Himmel beginnt zu flüstern.
Erst still
dann lauter lauter
in die Baumkronen, ins Laub hinein
herab
bis in mein Gesicht.

Es ist ein Kunststück,
sich im Abendregengruß
grad so auf den Balkon zu sitzeln,
dass all die wilden Rauschetropfen dich
nur sachte an den Zehen kitzeln.

Heute kein Regen. Die Pfützen veraltet.
Nur Himmel zerknüllt wie ein Wildhaufen Wäsche.
Das Suchen, das mir die Gedanken zerfaltet,
wünscht heimlich herbei, dass sich etwas ergösse,
um die Pfade mit Perlen frisch zu befädeln
und versunken in ihrem Tanzen zu trödeln.
Trödelzeit, ganz frei geschenkt,
die das staunende Blicken ins Regenweit lenkt,
durch das Schirme wie bunte Blasen sprudeln.
Trödelzeit, um frei zu handeln
und Regenzeit in Raum zu verwandeln,
in dem die Gedanken kullern und kugeln.

Weil der Nachmittag dann
schließlich einfach zu lang
zu weilig
zu eilig
zu ungefüllt wirkte,
schlupfte aus Knäuelgewolkegewimmel
rasch noch ein kleiner Regen vom Himmel:
streichelt und tupft
schmeichelt und hupft
setzt auf Brillen und Fenster die Perlenschnur
seiner fein gefädelten Tatzenspur.

Am späten Nachmittag biegt sich die Luft ins Weiße, wie in Schaum auf einer Wellenkrone,
und birst.
Nie kam der Tag mir heute näher als in diesem Schauer,
der mich auf halber Strecke zwischen Markt und Haustür überspülte,
die Straße schmelzen ließ und mit Sekundenblüten übersäte.
Der Regen schmiegt sich in die ganze Welt bis in die schmalsten Winkel dieses Augenblicks.
Er hängt sich mir in Hemd und Hosen, hüllt mir meine Haut,
so dass gewahr ich werde all der stillen Antiphonen,
welche die Schwerkraft zwischen jeder meiner Zellen und der Erde tanzt.

Sudden song crashes down on my mind
as it weaves its path through the trees
as air foams and frothes
as everywhere washes
the tiny collisions
the tingling clashes
of raindrops and world
right into my ears.

So much sudden soddening rain
splashes and crashes on this terrain:
roaming in oceans of foaming curtains
quenching the dust
overwhelming the breeze;
waterfalling and drenching the trees
so splashful in its everywhere lair
that it has washed
that it has flushed
in delightful deluge
even afternoon rainbows
out of the air.

Soft night rain comes tickling,
the city starts giggling
through the windows straight into our dreams.

Der erste, sanfte Botenregen dämpft die Stadt
und hebt die Mönchsgrasmückentriller und die Mauerseglerrufe hoch hervor aus ihrem Wispern,
während darunter bäum- und büscheweise Blätter glücklich flüstern,
weil jedem sich ein Tropfen freundlich in den Schoß geworfen hat.

Wache auf vom Regenband,
das sich um die Stadt verknotet
und mich im Meerestiefen drückt,
als würd ich grade ausgelotet.

Regen lacht, jauchzt und jubelt,
Regen rollt, hopst und springt,
Regen gurgelt und sprudelt,
Regen summt, rauscht und singt.

Regentropfen.
Luftperlen.
Kopfüberwelten, die sich quer über die Scheibe schieben.
Silberschlangen, die Zugfenster durchzüngelnd.

Der Regen morst Märchen
in alle Pfützen.
Steh still, lausch und lies.

Dieser ganze Regen hier
ist ja nur ein kleines Tier.
Kugelt draußen durch die Bäume
hopst den Nachbarn auf die Zäune,
schüttelt voller Glücksgebell
sich die Tropfen aus dem Fell,
spuckt mir fast aufs Briefpapier:
"Komm jetzt raus und spiel mit mir!"

Erase the rain for a while or two
while you try to understand puddles.
Forget all drops.
Force their trajectories out of the air.
Just watch: how silken sheets of glass
erupt into the briefest blossoms
jungles and mountain ranges as they
reach out and up
with wistful calls of silver.

Der Regen rubbelt an den Vogelbeeren,
poliert die Dachschindeln der Nachbarhäuser blank,
radiert zerfetzte Spinnennetze aus den Zweigen
und spuckt romantisch Pfützchen auf die Haltestellenbank.

Round each street light rain is scratching
hatching lines into the air
as with each step I'm attaching
myself to a patch of There.
Places, paths and expectations
round my feet in waves unfold;
ripple through the splashing paving
merge me into an engraving
of a story yet untold.

Regen gelegentlich
lässt die Nacht knistern
und die Fenstersimse
mit Rätseln beflüstern.

(Geregentlich wäre auch ein hübsches Wort, hier aber tatsächlich Klang-Überdosis im ersten Vers. Vielleicht eine passende Überschrift: Gute Geregenheit? Oder schon ein Puzzlestückchen für ein anderes Gedicht …)

— Zurück zum Seitenanfang —

Sturm & Gewitter

Während es sich ausgewittert,
hab ich eben mal getwittert;
lausch dem wispernden Gespüle
abendlicher Regenkühle.

Es blitzelt und britzelt,
es knistert und kracht,
als ob der ganze Himmel lacht.

Der Himmel knistert von Gewittern in der Ferne
wie Wickelfolie rund um ein Geschenk.

In rumpelnden Schneisen
hustet der Sturm
wild und wüst seine Böen
voll Regen und Plunder,
so dass ich mich beim Gedankenverreisen
mit den Fingern in GoogleMaps schon fast wunder,
dass mir nicht ständig Bäume durchs Luftbild wehen.

Just ignoring
all your roaring
wasn't easy, storm!
as you stammered
as you hammered
with raw force your swarm
of brute gusts against my pane,
romping, ravaging insane!
But I'm willing to forgive you
every scream & blow,
since you have withdrawn your forces
and left me with snow.

Sturm drückt Nacht hinein durchs Fenster,
dass die feine Haut der Scheibe singt
und das Schlimmste aus dem Strom siebt,
der zu mir ins Zimmer dringt.
Doch nachdem Finsternis sich geifernd
an meinem Fenster ausgetobt hat,
hat sie sich müde zurückgezogen
und Schnee gelegt über Wiese und Stadt.

Storm is storing
all its roaring
in the raging air,
that bursts with blaring
booming, forming
blustering yells of wrath, transforming
all the city's everywhere
into flaring dragon's lair.

Gewitter breitet weit die Schwingen,
um Alpenhimmel zu verschlingen

— Zurück zum Seitenanfang —

Nebel

Im dunklen Morgen hängt ein Hauchen
wie Staub in langen Korridoren:
Selbst Blinzeln lässt mir das Verschwimmen nicht verschwinden.
Doch erst als Autolichter schon
von jenseits der Brückenhöhe in die Luft blühn
begreif ich
dass nicht versäumter Schlaf die Kanten mir verwischt.
Nein: Nebel
hat auf den Daumen sich gespuckt
verreibt mit feuchter Fingerkuppe die Konturen
wischt in die Blicke und Gedanken seine Spuren
so dass die Grenzen ungewisser werden und sich dehnend blähen
so dass rings um die Dinge Räume für den frischen Tag entstehen.

Nebelmilch fließt in die Stadt
wie in eine Schüssel Cornflakes:
weicht harte Stellen auf,
umgluckert die Kanten
und versteckt alles
in weißer Geheimniskühle,
so dass wir tasten und raten müssen.

The moment of utmost wonder unfurled
once the fog waves had piled themselves so impossibly high
that the room vanished: walls, floor, and ceiling
and the nozzles stopped sizzling.
Silence fell like light snow
and joy rose in billows
as we floated in blind infinity.

Fog is prancing
daring and chancing
to invite the town for a dance.

Ausgerubbelt die Konturen:
Dach um Dach und Blatt um Blatt.
Gierig schlecken Nebelwürmer
Zungenspuren durch die Stadt.

Erst schmeckst du seine Bitterkälte,
die sich dir auf die Lippen legt.
Dann siehst du, wie er sich bewegt
und seine Masse niederschiebt,
bis er auf allem lastend liegt:
auf Bäume plumpst, die Dächer quetscht
und gierig seine Zähne fletscht.
So kaut der alte Nimmersatt,
der Nebel, quer sich durch die Stadt.

Im Mund der Kälte rollen mich die ersten Nebelzungen durch den Abend
wie Pfefferminzbonbon, ein halb zersplittertes, ganz unten aus der Tüte,
das sie nun erst einmal in Form
und grade lutschen müssen.

Nebel und Nacht
zerknüllen die Stadt
wie eine zerlesene Zeitung,
deren Seiten durcheinander geraten sind.
Die Grenzen quellen auf.
Die Häuser rutschen auseinander.
Und wer noch unterwegs ist, muss sich hüten,
sich nicht im Klaffen zu verlieren,
in plötzlichen Zwischenräumen und Spalten.

Nebel rollt sich in die Stadt,
hat das ganze Licht verschluckt
und, als er dann weiterkullert,
alles wieder ausgespuckt,
so dass man nun mit jedem Schritt
in Sonnenspuckenkleckse tritt.

Fog Sounds

In winter one stumbles
across icy crumbles
left in chilly mock
by one hungry fog.

If only you listen
with awe-stricken frisson
You'll hear how it munches
and crumbles and crunches.

It licks off the rooftops,
it swallows the light,
it nibbles the lampposts
and chews with delight.

Mit feinen Bögen aus Filterpapier
wickelt der Nebel die Häuser ein
sträubt sich beharrlich gegen das Außen
stemmt sich noch gegen den Sonnenschein
siebt das aufgegossene Licht
das schon oben vom Morgen hernieder rann
damit dann irgendwann ein Tag
nur umso klarer leuchten kann.

Nebel ist Distichen-Wetter! Er lässt Hexameter segeln,
breitet flatterndes Tuch über die Häuser der Stadt,
fädelt Pentameterfäden hinein in die Nebenstraßen,
wirft kühle Stille umher, gähnt den Vormittag matt.
Selbst das Supermarktdach lässt er im Milchlicht ertrinken,
quillt und schwillt wie ein Schwamm, der sich vollsäuft mit Tag;
schiebt sich heimlich sogar tief in Hosentaschen und Wände
und speit Verse aus in meine suchende Hand.

Himmel häutet sich aufs Neue,
Himmel platzt aus allen Wolken:
schilfert Luftschorf, Nebelschuppen,
nieder auf die Hügelkuppen,
um die seidenzarte Bläue
frischer Flügel zu entpuppen.

Eingestrudelt in die Morgenluft
segelt der Nebel:
feinstes Mehl
– Milchstraßenstaub –,
um draus einen Sonntag zu backen.

Nebel ist ein Leuchtedings
knistert ein Gedicht
schluckt und spuckt das Licht
bunter in das Tal hinunter
wenn er sich verzieht.

Tief drückt sich Nebel in die Stadt.
Er stempelt sich um die Gebäude;
frisst sich an Licht und Wärme satt,
zerkaut und schluckt die Freude;
bis seine Säule sich erhebt
und in sie tief hineingeprägt
hohl Häuserspuren aufwärts steigen
und nur die Tröpfchen noch vom Nebelstempel zeugen.

Nebel füllt Luft
wie Wasser ein Becken
zum Eintauchen, Plantschen und Entdecken
für Ampel-, Laternen- und Scheinwerferlichter
für frühe Staun- und Erkundergesichter,
die drin gleiten mit langen Zügen.

Nebel lässt die Lichter schweben
überm Ruhepuls der Stadt;
darf das Hell ins Dunkel weben,
bis es mich gefunden hat.

— Zurück zum Seitenanfang —

Schnee

Stell dir den Schnee hervor.
Wünsch ihn herauf, herbei.
Staple die Wolkenhaufen quellend in den Himmel
und füge einen um den anderen zum Großgewimmel.
Durchknistre sie mit Frost. Und dann
fängt es, wenn alles richtig ist, zu schneien an.

Vorzeichenwechsel. Und ich muss
wieder ganz anders rechnen lernen mit den Temp'raturen.

Heut ist Sternenfunkelwetter.
Heut ist Gehwegglitzerwetter.

Grieselschneegekuller kippt der Himmel auf mich nieder:
Füllmasse im Schwall, wie Kügelchen aus Styropor in Pappkarton geschmissen:
Winter ist wohl grad dabei, vom Speicher sich herabzuklauben und dann auszupacken, pünktlich vorm Advent.
Oder jemand schüttelt ihn herab
wie Füllgekügel aus den Billigkissen,
die sich in die Waschmaschine stopfen lassen,
weil sie ihre Daunen erstmal noch verdienen müssen,
damit sie dann später richtig Federn lassen können, so im Fall der Schüttelei.
Kauft Frau Holle sich womöglich diesmal
all die Schüttelkissen
auch bei Aldi ein?

Snow night, so lush
so full of whispered light
that gloom and dark will find no room inside you.
The flakes in tiny manyness have caught each droplet of the shimmer
that gushes from each window, vestibule and door
and passed it on from here to there
one sibling to another, garden wall to rooftop, roof to floor.
The gleam glides in soft pingpongs,
bouncing through the backyards along white-rimmed scrawls
of wriggling branches, swelling with a myriad shiny echoes as it sprawls.

Die Luft sprüht von Flocken:
von schwebendem Licht,
das sich hinaus ins Offene findet
und im Strom aus Glitzerkristall von den Zweigen
tief mitten in meiner Seele mündet.

Die Straßennamen auf den Schildern ausradiert,
als ob sie sich entschlossen hätten, erstmal namenlos zu sein.
Verwischt und gut versteckt die scharfen Kanten und Konturen:
So schmiegt das erste Schneegestöber seine Spuren,
vom Wind geleitet, einmal quer durch Laim.

Besonders gern bestaune ich die grünen Discoflocken,
die als Verkehrsgelichter vor den Ampeln schweben,
und warte ihretwegen auch mal eben
noch eine Ampelphase extra ab. Denn ich bewundre sie enorm,
wie sie da über Trambahngleis und Kreuzung tanzen, völlig frei und doch
StVO-konform.

Auf dem Schneepfad jede Fußspur eine Schnur aus Hell und Dunkel,
die das Licht, vom Fahrrad zugekegelt, wieder ausspuckt oder voller Gier verschlingt,
die mir Richtung vor die Augen wirft mit Schimmer und Gefunkel
und dann hinter mir in Nacht versinkt.

Die Luft so weit und voller Sterne,
dass Knäuel kleiner Galaxien sich in der blauen Wolle meiner Fäustlinge verfangen.
Der Raum verschmilzt vertraute Nähe und geheime Ferne,
damit im Schwebeschnee die Wünsche aus der Tiefe an ein Ziel gelangen.

Schneefett schmiert die ganze Stadt:
Schritte stottern, Wege glatt.
Flockenflüstern auf den Straßen
bremst Leib, doch lässt Gedanken rasen.

Schneegegrissel zerkitzelt die Luft.
Froststreuselsternchen millionenweise.
Ich laufe hindurch und spür überall
kalte Busserl auf Mund, Stirn und Wangen. Ganz leise.
So geh ich und schweb fast ein wenig dabei,
mit dem Mantel voll glitzernder Liebesbeweise.

Wenn die Windrose erblüht,
halten die Schneeflocken inne im Flug,
und ihre Bahnen beginnen zu leuchten.

Häufchen Weiß
Klümpchen Kristall
flocken kreuz und quer
wuseln hin und her
hinterm Fensterglas
bis hinab aufs Gras.

Flockenknistern schmeichelt leises
Glitzern über Stadt und Land.
Knisterflocken schleichen heimlich
vom Himmel bis in meine Hand.

In Scheinwerferkegeln
tanzt Luft mir entgegen
im Segeln
im Schweben
Zehntausende Fünkchen
Glitzerpünktchen
Galaxiensamen, Keime voll Licht
sät mir der Morgenwind ins Gesicht.
Der Schnee birgt Wunder.
Der Schnee trägt Zeit.
Es schneit kleine Krumen Ewigkeit.

Und dann plötzlich, um mich, das Luftbewispern,
das verschwörerische Novemberbeknistern,
frisch geöffnete Limonadeflüstern,
wenn die Sträucher ringsum bemerken: es schneit.

Stadt schiebt, ruckt und wackelt sich
unter den Schnee
wie Puzzleteilchen
ins große Porträt.

Der Morgen hängt so tief von Stille,
dass es dem Lauschen nicht gelingt hinabzutauchen bis auf ihren Grund.
Nur stummes Staunen schiebt sich in die weiße Fülle
und schmiegt sich aus der Flimmerluft in Augen, Lippen, Mund.

Schneeflocken sind wie Zeit
die tanzt und wirbelt
beinahe greifbar vor Augen dir schwebt
Ärmel mit Sternenklumpen beklebt
und dann
wenn's dir endlich gelingt
sie zu fassen
dir zwischen den Fingerspitzen zerschmilzt
während sie heimlich weiter sich sammelt
in verborgenen Winkeln.

Parkbuchten, prall von Kokons,
verpuppten Wagen im Wandeln.
Schilder halb weggekrempelt im Schnee,
der Wogen wirft wie tobende See.
Wege fast wegradiert ins Weiß:
nur Tapfenschluchten noch offen.
Suchend durchwate ich Kluft um Kluft
ins Dunkel der Nebenpfade
und warte, dass irgendwer irgendwohin mich ruft,
weil ich mich noch nicht gefunden habe.

Wie eingetuscht ins Schwebeweiß: die Zweige —
jedweder Kohlenstrich schlummernder Glutenstrang.
In den orangen Lichterkugeln der Laternen tanzt die Luft
und bebt der Abend voll verborgenem Gesang.

Der frühe Morgenschnee liegt still,
wie ausgerollt und ausgebreitet;
doch füllt ein Singen noch die Luft,
das mir die Seele in die Fernen weitet.
Wie Saiten schwingen all die Milliarden Bahnen,
auf denen nachts die Flockensterne zu mir kamen.

The night has sown fresh stars and whispers.
Through the window I can hear them sprout and grow
until they blossom into a December morning, full of snow.

Auf einmal so viel Licht, wo vorher Schatten klebten.
Der Acker aufgefaltet wie ein wartendes Papier.
Die Luft schon Fülle: stilles Singen, Tanz.
Voll Raum. Voll weitem Hier.
So voll, dass sie mich trägt wie einst ein Sommersee.
So gleit ich hingegeben durch den Schwebeschnee
und lasse Myriaden von Kristallen voller Schimmerlicht
herniederströmen in mein träumendes Gesicht.

Überall tummeln sich Märchenwolken:
auf Mützen und Dächern, jedem Zweig, Ast und Blatt.
Federig schwebend und flockengeplustert
sammeln sie sich in der ganzen Stadt.
Ich brauch nur die Finger auszustrecken
und wühle schon tief in dem Wolkengewimmel.
Mit jedem Schritt, den ich weiter gehe,
ist mir, als liefe ich mitten durch Himmel.

Schnee beknetet das Heckengeknäuel:
verbirgt und verheddert die Knoten der Zweige
verändert Gestalten, lässt neue erstehen
und einen Hauch später gleich wieder vergehen
verwirrwarrt, was wahr wird, und umgekehrt;
weckt das Holz aus der Winterstarre
lässt es schwellen und suchen, strömen und fließen
sät leichter Hand Geheimnissamen
aus denen Wunderkeime sprießen.

Kaum kann ich es begreifen
wie so viel Licht in eine Nacht hineinpasst
wenn schon so viel Schnee darinnen ist.

Eiszapfen:
Zeitlupen-
dachrinnenrotz.

Heut morgen nur noch Altschnee, wie ein Schulterzucken:
gleichgültig hingetrampelt mittlerweile und vertraut.

Zeitverlupt zu Quallen, Schwebemonstern, Wasserfallkaskaden,
hat sich Schneeglas tief ins Buschwerk und die Gartenhecken eingeleimt:
knistert in den Fingern, die hineinzutauchen wagen,
wo der Zeitfluss, der durchs Wolkenwasser fluten sollte, sich zu Klumpen klaren Eises fest verseimt.
Schwindel sprüht mir in die Fingerkuppen beim Bespüren mit den Händen,
weil das Wasser hier in seinem Blühen, Suchen, Warten, Ranken, Regen tanzt in seinen Räumen zwischen den
Elementarzuständen.

Handvoll

Nach jedem Windhauch bleibt das Wispern,
das mich wie ein Kokon Geräuschgespinst umhüllt.
Tief aus dem Lichtgebausch quillt es hervor,
das alle Flächen, Fäden, Winkel eingebettet hat. In jedem
aus Frost verfertigt ein Gefüge feinster Platten:
Blüten und Sternenstrahlen dicht verkeilt aus atemzartem Glas.
Ich kann nicht anders als die bloßen Finger da hineinzuwühlen
und eine Handvoll Herrlichkeit zu greifen

und einen seligen Sekundensplitter lang
spür ich die ganze Welt
in jeder einzelnen der filigranen Klingen,
die sich in meine Fingerbeeren drücken,
und weiß um jede Ecke, jede Kante, jeden Unterschied
und alle die geheimnisvollen Grenzen zwischen Eis und Welt,
die sich mir prägen in die Rillen meiner Haut
– bis sich dann die Wärme meines Leibes voller dampfender Begier hervorbricht,
um ungeduldig zuzupacken, zu zerdrücken, zu zerschmelzen,
so dass der Weisheit Fülle in den Fingern mir zerrinnt,
eh ich sie richtig fassen kann.
(Ich versuch seit gestern, die richtigen Wörter zu diesen Gedanken zu finden, und sie verflüchtigen sich wie der frische Schnee in meiner Hand.)

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Bäume

When the birches catch the light
and get the angle about right
up in their tops the emerald foam
of fluffy, bubbling mistletoes
turns into resting swarms and rows
of merry, swaying kakapos.

An den Hofgartenlinden reifen Triolen:
Sie bersten von schwellenden Viertelnoten,
die unter den Herzblättern schweben und warten,
in schlummernden Dreiklängen, grünen Triaden,
dass auf den schwingenden Gartenpfaden
sich ein Orchester verirrt,
sie umringt
und die Lindenmusik zum Klingen bringt.
Nebenan strömt in groben Borkenwogen,
die zu Wirbeln sich falten, tosen und toben,
die Lindenrinde den Stamm empor,
schiebt sich hinauf in geduldigem Sturm,
ohne Eile ganz oben anzugelangen,
so dass in den Stromschnellenstrudeln des Baumes
sich Taschen gestauter Zeit verfangen.

Kahlbäume tinten sich ein in den Himmel,
ädern sich weit ins Wolkengewimmel,
spreizen ins Helle ihr Kritzelgezweig,
und warten, dass etwas drin hängenbleibt,
um zu wachsen und wohnen
hoch in ihren Kronen.

Bald berstend unter all der Fracht,
die sie sich aufgeladen hat,
lässt die Magnolie ihre Blüten eilen:
Kaum zu beblicken und bewältigen,
kaum fassbar zu verweilen
nur eines Liderflügelschlages Flattern lang.

Splashes of Spring

Cherry trees pop their dispatches
to my ears from right and left;
weave buds that burst like bubble wrap
across the lane, each splash a weft.
A drowsy burly bumblebee bumps straight into my face,
as petals all around unfurl
their wings with ease and grace.

Cherry tree telegraphs branches
out through star-sprinkled sky:
rifts of ink
and faults of shadow
are pulsing quakes to navigate
the maze of passages enwrought
into the infinite archipelago
of islets sparkling prancing.
Trembles shake the starry dew
send Sirius spinning, dancing.

Einige verschlafene Platanen
zwirbeln über mir ihre Platanenpuschelsamen.
Cheerleederbäume, die mich prompt
hineinbejubeln in egal, was kommt.

Branches are brushes
that paint and part
the spaces beyond my window:
high, shining sky, all wide and bright;
calm walls holding houses and yards.
Across them all the branches brush
led by the breeze,
hachuring, hatching
idea eggs, catching
my eye, and putting my mind at ease.

If I were an autumn breeze
I'd make a thousand wishes.
Not by breathing out a candle:
but by blowing
golden glowing
leaf flames off the trees.

Ahornfragen

Ahornflügel schräubelt sich
herab in meine Hand
Wars Zufall nur, dass er mir zufiel,
grade dahin, wo ich stand?
Wars womöglich Schicksalspuste,
die ihn mir in die Finger trieb?
Kluge Vorsehungslogistik,
dass er nicht länger hängenblieb?
Ich wundre Knoten mir ins Hirn
und hab das Fragen schließlich satt:
Entscheidend ist doch schlicht und einfach,
dass er mich gefunden hat.

Laubgeflacker lodert leuchtend
dunklen Stamm empor ins Blau.
Ahorndocht sterzt himmelwärts
wie ein dunkles Ankertau,
reckt die Züngelwipfelflammen,
dass sie an den Wolken schlecken,
während Funken abwärts taumeln,
und sich tief im Gras verstecken.

All die lebendigen Hände,
die du mir entgegenstreckst,
kann ich nicht greifen,
kann ich nicht reichen,
kann ich nicht fassen
die Scheibe hindurch.
Ach, Ahornfinger …
sind ja auch keine Arme dran,
mich zu umfangen.

Maple Magma

Heat splashes my shoes
as I walk down the lane.
Red stabbing the darkness,
red piercing the rain.
Each leaf bubbling with lava
with danger and glow:
geysers of colour wherever I go.
Volcanic eruptions all over the path!
Magma footprints of dragons past
and present.

Bauschend und Buchten, eine um die andre, stiftend
bekronen die Kastanien die Allee.
Wandernde, in der grünen Fülle hilflos driftend,
reißt ihrer Kronen Strom vorüber in die wilde See.

In grüngoldkupfernem Rausch und Bogen
bauscht sich das Herbstlaub in die Allee.
Umgeben von flirrendem Schwärmen und Wogen
schreite ich wie durch tosende See.

Anzugliches

Unglaublich!
Was erlauben Sie sich?
Mit Verlaub!
Sich so öffentlich zu entblättern!
schnauzte die Fichte den Ahorn an
der beschämt zu Boden blickte
wo sein Laub
bereits errötet war.

— Zurück zum Seitenanfang —

Mauersegler

Mauersegeln müsste man.
Mauersegeln sollte man.

Wie tiefe Atemzüge in den Abendhimmel eingesogen,
peitschen die Mauersegler lidschlagschnell vorbei im Dämmrungsdroben:
gehalten grade eben nur
an ihrer unsichtbaren Drachenschnur,
am Seidenfaden Schwerkraft,
Schwungkraft, der sie hält und lenkt,
mit ihnen wie mit Marionetten spielt
und sie den Blicken im Vorüberschleudern schenkt.

Selbst in den besten Augenblicken kaum zu fassen: Mauersegler
wie Handvoll Engelsbrösel in das Licht- und Wolkenschaumgebrodel eines Abendhimmels eingeschleudert,
das ebenfalls sich allen Griffen meines Blicks verweigert.
Er packt ein Mal ums andre immer wieder hilflos zu
und hascht dabei doch nur
die Wimpernschatten eines Lidschlags, ehe sie zerfallen.
Was bleibt, sind Spuren:
dort, wo all die scharfen Schnüre der Seglerrufe im Vorübergellen
sich tief in meine Seele eingeschnitten haben.

Im Süden leuchten Wolkenflocken in den Höhen überm Tal.
Als Anker schleudern sich die Mauersegler aufwärts in ihr Licht,
ihr Rufen spinnend wie ein Netz aus unsichtbaren Fäden im Vorübereilen;
knüpfen geduldig rasend Netze
zwirnen Augenblicke zu verschlungnen Seilen
die sie ins Morgenblauen breiten, fädeln, legen, streuen,
um mit den Ankerleinen uns im Grund des Himmels zu vertäuen.

Sternschnuppen dunkel dort im lichten Azur sind die Mauersegler,
die weiterkreisen statt herniederstürzend zu vergehen,
die Wünsche aufwärts schrauben und empor ins Weite drehen,
so dass nicht Nacht sie mit dem dunklen Schlund verschlingt,
sondern sie eine Seglerkurve um die andere dem Himmel ein Stück näher bringt.

A dozen swifts are darting past my attic window,
towing wide lengths of paling sky silk over hills and valley.
I wrap my soul into the whispering shimmering fabric of their rally
as I lie listening to the evening gushing past their crescent wings
and love
and weave myself into all breathing, travelling things.

Segler-Sirren.
Alle Sommersaiten schwingen.

Segelblicken mit Mauerseglern
in Schraubspiralen ins Himmelhochblau
in den seidenleichten Schleier von Himmel
der über dem Morgenlicht schwebt.

Die Mauersegler bröseln sich hinauf
überm Viertel ins düstere Wolkendröhnen:
maldamalhier
saugen sie mir
die Gedanken empor zu sausendem Sehnen.

Ich hake mir eine Hängematte ins Morgenlicht,
hoch in den ersten Junihimmel über die Dächer,
von wo sich die Sonne wie Sirup über die Hügel schiebt,
wo die Mauersegler die Luft aufblühen lassen.

Pure sense takes the shape of a moment
that merges with souls brushing by.
It may pour itself into swirling swifts,
raindrops, whispering pebbles, and clouds full of sky.

Mauersegler sind immer plötzlich
sausendes Staunen
über die Luft
in der man SO fliegen kann
und mit dem nächsten Atem
gleich wieder vergisst
was in ihr möglich ist
während man drunter weiterlebt
und in Mauern haust
statt zu kurven und schweben.

Swifts are always sudden
sweeping wonder
about air
in which one can fly like THIS
but forget already
with your next breath
what is possible in it
as you continue living underneath
and dwell in walls
instead of curving cruising soaring.

Im Abendgeläut surfen Mauersegler
auf Glockenschwallbrandung durchs schwappende Tal.
Jeder Bronzestoß: Welle
voll Seglergegrelle
und Gischt von Flügelklingen im Schneiden.
An den Hängen Wolkenklumpen im Fall.

Die Spinnennetze bläh'n sich in der Brise
und schleppen den Planeten Stück um Stück voran.
Darübern schwirren Mauersegler so wie diese,
zurren die Ankertaue fest mit jedem schrillen Schrei;
und horizontig rollen Alpen wellenweise blau vorbei.

Again the swifts are busy dashing paths
through the sash of my tiny horizon
that melts into the night with their vibrant yarning
their wild skirlstrings of shimmering, diligent darning
as they mend flimsy patches of sky in decay
and anchor the final loose threads of the day.

No one has switched the swifts on yet
in all that sky above my quarter, which fits plenty.
So, as I study dispatches about their everywhere elsewhere arrivals,
I listen, long, and hope for swift returns
and calls that pierce the dusk like beacons.

Wenn der aus meiner Hand gelöste Kiesel längst versunken
und in den Schlamm des Teichgrunds eingeschmolzen ist,
knistert in Morgentrübe noch ein Funken,
der sich als Kieselecho tief in meine Seele frisst.
Denn über des versteckten Wassers Glashaut kräuseln pulsend sich noch Wellen,
die immer heimlicher ihr unsichtbares Netz aus Rillenfäden an die Ufer spannen,
zarter und ewiger als Spinnen je ersannen,
während durchs Himmelsspiegelbild hindurch ihr Wispern weiterschwingt im Mauerseglergellen.

Im Grellen, im Gellen der Mauersegler
blitzen die Türangeln auf,
an denen der Spalt der Sommerpforte
jeden Abend ein Stück weiter aufklafft.

Tief mittwochig fühlt sich der Dienstag an,
und Mauersegler kreischen Schneisen in die Regenschleier.

Mooring the sky requires swifts:
dozens of swirling anchors
aweigh, yet tying us to all the abysmal infinity above.
In breezing breathless spirals they are twisting
their dancing filaments of shadow into stubborn rodes
into the strongest rigging, still resisting
the traction of the rolling planet underneath our feet,
as sunbeam blasts fill the azure expanse of sailcloth
to push us out into the endless oceans:
far out, among the waves of stardust,
where we'll finally meet.

Mauersegler, Bogensehnen
aufgespannt aufs Firmament,
schnellen schwirren gellen schrillen
Wünsche, die ihr nicht erkennt.
Senden auf des Fluges Bogen
Sehnsuchtspfeile in die Weiten,
die im Lichtgewog da droben
fort in Ewigkeiten gleiten.

Always the almost.
Always adrift.
Breath of a blackbird,
dash of a swift.

Hoch über Bern wirbeln die Alpensegler
Bäuche weiß begletschert
schrauben mit Trudel- und Trillerflügen
Himmel an Gassen, Türmen, Dächern
und drunten in der Aare fest.

— Zurück zum Seitenanfang —

… und andere Vögel …

Ich sah noch niemals Kraniche im Fliegen —
vielleicht bis eben jetzt, wo hoch über dem Raum der Bäume
Fanfaren schallend Hunderte sich durch den Himmel schieben:
als Keil der Freiheit in die Wipfel eingetrieben.

Gerade als der Tag sich grauzerschlissen zusammenzog
und um mich schrumpfte wie ein alter Beutel
so eng zerdrückend, dass mir Risse durch die Seele sprangen,
hörte ich sie rufen
wie aus anderer Welt.
Trat ihrem Ruf entgegen durch die Tür und sah
wie sie den Himmelsraum von einer Weite in die andere durchspannten
in langen Schnüren voller Flug und Klang.
So zogen in den Höhen über München Kraniche entlang
und rissen mich mit sich davon, dahin:
hinaus ins Hier, wo ich zu Hause bin.

Their voices reached me faint and pale, as if from memories
bubbling up from inside myself instead of oozing through the windowpanes.
When finally I recognized the glorious trombone calls of cranes,
their flock had crossed the crests of ocean sky above me
as I was left to cast my longing gazes out
behind their flickering shadow yarn of hundreds
steadily threading its dark line of stitches
across the firmanent
unravelling reality and breath
as I stood yearning on my balcony, alone,
and watched them reach
distant horizons.

Krähen wie Rechtschreibkleckse im Gezweig vor hellem Himmel.

I listen into the outside
and can hear
a whole oakful of crows
adream
acroak
minds brimming with wonder and joy.

Crow splodge wedged
in its own patch of time
in a dash of sky
in the corner of an eye
is an aspect of joy and of fooling
a black fleck of resistance in the bright
a speckle quite unexpected, right
between wink and waking
dreaming and making
that brings gliding mind to sputtering stop
as it tries to catch up
and insert shape of crow
not knowing quite how
back into the inert reality
from which it went missing aeons ago
not caring for watchers &emdash; light with ease,
romping and frolicking on the breeze.

Wie Tüpfelpunkte zum Verbinden sausen übers Schneeland Krähen,
um Schabernack und Spaß und Krähenkrachvergnügen in die Luft zu säen.

Ein Zugfensterrechteck ums andere
fliegt eine Krähe rückwärts neben der Regionalbahn her.

Auf Böenwogen surfen Falken über halb gemähter Wiese.
Von Wipfeln ringsum brocken sich
die Krähenschwärme rußkornwirbelnd in die Luft hinein
und schwelen.
Regen herzuhoffen wagt man kaum.

Ich wünschte, ich könnte die Krähen verstehen,
die über dem Stoppelfeld bröseln und wehen.

Quer übers Stoppelfeld gekleckst: die Krähen,
die stöbernd nach den Resten sehen.

Der Himmel flackert
von Krähen und Blitzen
die auf den dunklen, kühlen Böen sich zertaumeln.

Krähen können gar nicht krähen,
gilt es traurig einzusehen.
Leider merkt Krähe das erst dann,
wenn sie's meist nicht mehr ändern kann.

Überm Olympiasee brodeln die Krähen;
kaum sind sie im Dämmerschlick noch zu sehen,
nur zu ahnen als Knäuel aus Chaosbahnen,
als in sich verhedderte Ruß-Explosion,
die aufschäumt von Schwingen, Krakeelen und Krallen.
Ich staun nur, dass nie zwei zusammenknallen.

Krähen verwehen
purzeln auf Böen
jubeln und spähen
wirbeln und drehen
aber vergehen
niemals.

Krähenrußstäubchen, gebröselt
übers gestutzte Feld.
Toastbrotgolden die Halme,
Firmamentweit die Welt.

Krähenkleckse, Tintenspritzer
tief im grauen Wolkenmus, kritzeln Wirbel übers Wäldchen:
Schattenbrösel, Federruß.

Nebeltröpfchenschwebeltanz
wirbelt um die Zweige leis.
Hoch im dunklen Baum die Krähen.
Drunter Krähenkleckse. Weiß.

Brise hängt Krähen in den hellen Himmel
wie ein Kurator Bilder an Museumswände.

Im Abendflutlicht wie zerstäubt
über Tobewellen
möwengrelle Klingenschwingen
wie das Gellen von Skalpellen
rasen und zertanzen schneidend
stählern singend, niemals bleibend,
öffnen weit in lichte Höh'
die Luft überm Olympiasee.

Jeder mit eigener Stimme.
Jeder mit eigenem Flehen.
Jeder mit eigenem Rufen
wie die Möwen hoch über den Seen.

Die Mönchsgrasmücke mückt entzückt
im Baum gleich nebenan,
dass es mir in den Fingern jückt,
sie zu beverseln, falls ich’s kann.

Während sich der Himmel striegelt,
hat sich noch wer im Teich gespiegelt:
Das Spiegelblässhuhn dort im Nest
pickt kurz den Teich entzwei,
zupft ein paar Zweige sich zurecht
und legt ein Spiegelei.

A somewhere robin, glow still hidden, starts Midwinter Day
spinning vibrating threads of wire fibres through the darkness
for me to put my feet on. Balance, swinging. Count my step by steps.
To sense the tremble of the abyss breathing from below.
To cross the depths of night towards the morning.

Stieglitzschar, wie Glöckchenwölkchen
scheppert silbrig durchs Geäst.
Sonnenkugel, golden kleckernd,
klebt am Horizont noch fest.

Ein Klumpen Stieglitze schwappt über die Mauer,
und die Halme auf der weiten Wiese
wissen gar nicht, wo sie zuerst hingucken sollen.

Shrub erupts
on my right:
blast of sparrows
bursts into the light.

[Als Reaktion auf ein Video, das einen Starenschwarm zeigt, der bei seinen Drehungen und Wendungen irre Muster in den Himmel malt und wieder verschwinden lässt.]

Murmuration murmuraining
clouds of life across the skies:
murmurmaking, murmurfeigning
pulsing hearts and bodies, veining
moment creatures, murmurreigning
all my soul and all my eyes.

Whip your tail
flash your wings
as you ply the open sky
as you pry for curious prey
as you swim the air and sway
magpie magpie
featherray.

Magpie in flight
a shadow arrow
blazing wing flames
left and right
flaring black
glaring bright.

Crisscrossing the misty morning air
are all the books that have been flapping
their pages jollily enough
to unscramble their white and their printer's ink
until they've morphed into magpies.

Jede Elster ist ein Buch,
dessen Seiten so eifrig flattern,
dass Papierschnee und Druckerschwärze sich
auf Ihnen zu Gefieder entmischt haben.
So fliegt durch den Weinberg
hier eine ganze Bibliothek.

Die Elster kennt keine Dämmerung –
kein Vielleicht, kein Zaudern, kein zweifelndes Sein –,
nur Tag und Nacht, nur Ja und Nein.
Sie trägt, auf ihr Gefieder geschrieben,
die Klar- und Gewissheit ins Heute hinein.

Ein Keil aus Gänsen treibt sich rufend durch den frühen Himmel
und pflügt der Sonne, die am Horizont schon drängt, den Pfad.

Like the blade of an arrowhead
a wedge of geese cuts
through the sheaths of my sleep.
So I have tumbled out
and found myself lying
gooseless dreamless.
But my skin still ripples
with echoes of their calls
in unseen flight
approaching through mists
from the distance within myself.

Tag hat Tauben aufgefädelt
auf Laternentrageseile
(hatte wohl leicht Langeweile),
so dass in der Kreuzungsluft
überm Fahrbahnkreuzgekluft
eine Federperlenkette
nun vom Sonnenglanz beglückt,
hier die Westendstraße schmückt
und den Nachmittag begurrt,
fast als ob die Kreuzung schnurrt.

Hansastraße, Sonntagfrüh
Kaum will ich auf die Straße treten,
da flattert's rechts und flattert's links:
Zwei Taubenschwärme sich verkneten
zum Riesenvogelwuseldings.

In den Sonnenfluten von Augustmittagen
sausen schattenlose Tauben
über Straße, Markt und Park vorbei,
weil sie ihre Schatten gut versteckten Nischen anvertrauen,
um im Oben, losgelöst von langen Schattentauen,
leuchtend hinzusegeln, taubenschwärmend, rauschend, frei.

Taubenschattentupfentanz
über den Waschbetonplatten.

Laim, 5. Februar 2022

Am schönsten ist sie mittags:
die Kreuzung
der Agnes-Bernauer- und Fürstenrieder Straße,
wenn mitten ins verkehrsdurchbrummte Chaos
sich die Sonne kleckst,
so dass der Taubenschwarm Geflimmerwolken
aus Flatterschattentupfen durch die weite Fläche schiebt und in die Ampeln webt,
so dass den Fußgängern das Licht
in den Gesichtern zu tanzen beginnt.

Schwebetaube
flügelschlaglos
einen atemlosen Augenblick lang
in den Federwolkenhimmel eingehängt.

Taubenspritzer, wie von Pinselborsten,
die sich widerspenstig gegen Daumenkuppen sträuben,
einmal in die Windschlaufen über der Kreuzung gekleckst.

Taubenkurve

Tauben sind Sandkörner
im Himmelsstundenglas
rinnen in rauschenden Bögen
von einem Blau ins andre
im Gefüge der Felsenklüfte der Zeit –
bis die Kurve den Atem anhält
und er stockt der Strom
der Zeit
des Sandes
der Tauben
des Himmels
einen Taubenkurvenaugenblick lang

Taubenschwärme sind die Atemwölkchen der Stadt.

Parkplatzpfütze:
Taubentummeltümpel.
Vor dem Schreibwarengeschäft platscht selig plusternd stumm
ohne Trambahn und Passanten weiter zu beachten
beinah der ganze Fürstenriederstraßen-Kreuzungsschwarm in Regenresten rum.

Die Tauben sausen vorbei,
um in der Nachmittagssonne
Taubenschattenschnörkel
auf die Dächer zu kringeln.

Droben am Sims
neun Stockwerke hoch
sammeln die Tauben sich
über der Kreuzung bis der Atem der Trambahn
die Gleissaiten aufsingen lässt
und es überquillt:
Taubenstreuer
sprenkelt Taubenstaub
pudert Flügelkurve
zwischen Häuserkanten
lässt Schwerkraft innehalten
ein Einatmen tief.

Wie Ostereier wohlgerundet
kullern Entenleiber
gleich neben mir herab:
sich flatternd balancierend,
kurveneinwärts schwenkend,
zwischen Büsche senkend,
ins plätscherpurzelnde Gemurmel,
in den Bach.

Morgen erfordert Amselmut,
um erste Risse in die Nacht zu sprengen
und sich die weite Stille umzumanteln
als Bühnenraum voll Möglichkeiten.

Die Amsel beginnt.
Statt abzuwarten
hat sie beschlossen,
schon einmal zu starten,
auch wenn noch die Nacht
mit dem Morgen ringt:
Sie sammelt das weilende Dunkel
und singt.

Amsel Eins startet.
Hat schon gewonnen,
zumindest für heute.
Das reicht ja auch.

Die erste Abendamsel dieses Jahr
unter dem weiten Himmel, der noch flüsternd schimmert,
gegenüber auf dem Dach:
der erste Faden Amsellied
strömt zuversichtlich wie ein neugeborner Bach
umflutet purzelnd klar die Häuser, schwillt und quillt,
bis er den Hinterhof und alle Lauschenden ringsum erfüllt,
in seinem unermüdlichen bewegten Fließen
vollkommen von sich selbst beglückt und hingerissen.

Amselklangfluten
schwemmt alle Gedanken
aus der Ferne ins Hier.

Amselfluten
schwemmt Nacht hinweg.

Blackbird is experimenting
how to fill the yard with song.
Other blackbirds in the Elsewhere
just experiment along.

A blackbird lit the dawn today,
as I lay listening and longing.

Amselsprudeln quillt
durch die offene Balkontür
dass ich staune
wie noch etwas anderes hineinpasst
in mein Zimmer.

Warum sagen wir
"Die Amsel flötet"
doch niemals
"Die Flöte amselt"?
Hat denn nicht die Amsel
als erste angefangen?

Blackbirds are sighing question marks into the dawn.

Summer evening cloth.
Warp of raindrop threads.
Weft of blackbird song.
Woven by mine ears alone.

Der Buchfink blättert um und liest den Abend vor.
Er explodiert und schmettert
mit jedem Atemzug funkelndes Feuerwerksgekugel in mein Ohr.
Und ich bin die, die auf der Brücke steht und lauscht:
vom Buchfinkschmettern und vom Abend selig und berauscht.

Research

All through the web of the park paths
I deepen my studies in chaffinchology
observe hypothesize and sample
question
listen analyze
as billowing tides of doubt and certainty erode the smooth surface of casual routines
and carve the contours of fresh knowledge:
All chaffinches are actually only one.
An avian mycelium.
A mass of interwoven joy and song.

Wenn der Buntspecht die schaukelnde Säule
voll Futter genügend bezetert hat,
ruckt er die Feuerleiter herunter,
flattert hinüber und futtert sich satt.

Nuthatch impact sends the feeder swinging
with the bird, tail skywards, clinging
to the metal cage.
Tiny black-masked rebel, full of secret rage,
lifts its head in sly reconnaissance
anchors it, despite the feeder's dance
still, intense and terse
deep in the centre of the universe.

Die Muse turnt durchs Hofgeäst
und kitzelt dort die Meisen –
wohl, um den Hörnchen und uns Rest
ihr Können zu beweisen.

Im Hinterhofgebüsch sprudeln Meisenkinder,
frisch flügge aus dem Nest ins Gezweig gepurzelt.

Was draußen durchs Gezweig der Hinterhofbäume abwärts purzelt wie Kügelchen durchs Zufallsbrett im Stochastikunterricht, sind Meisenküken, noch eher ausflatternd als ausfliegend.

Überm Feld tosen die Schwalben
in Wirbeln und Wenden
Spiralen und Kreisen
vom Licht nur getragen
wie um der Schwerkraft ihr Recht zu versagen
und Luft nur, Leichte und Tanz zu sein.

Abend um Abend notieren sie
Gedichte in die Luft, Romane,
Essays und Epen.
Freilich leserlich all das —
ließe man ihre Züge sich
nur tief genug eindrücken
und folgte mit jedem frischen Bogen Seele
erneut den Diktaten des Schwalbenflugs.

Mehlschwalben glitzern wölkchenweise
über den Wiesen. Sausen Kreise.
Lassen zwischen Flügelflitzdunkeln
in den Kurven die Bäuche auffunkeln.

House martins tumbling
stuttering stumbling
as if swallowed by air
and spat out everywhere
in sprinkling curves of flickering flight
so my breath and steps stutter
with joy as my flutter-
ing thoughts join their swerve.

Erwachen schubste mich aus stillem Traum,
als ich Gedanken draußen flattern hörte,
wirr und unbeholfen schwirren durch den Quader meiner Kammer.
Sie irrten sich entlang die Kantenfalten, prallten suchend gegen Fensterglas,
das leise sang unter den Stößen ihrer Leiber.
Ich sandte Lauschen aus und ließ es staunend tasten in den Raum;
ließ sie umsonst befragen
nach einem Grund ihrer Unruhe in der ersten Dämmerung,
bis ich genügend Willen mir gesammelt hatte, um die Lider aufzustemmen
und den kleinen Vogel zu finden,
zu befreien,
der sich zu mir verflogen hatte durch den Morgen.

Als mein Rad mitten hindurchglitt
zwischen Olympiasee und Glockenläuten
schraubten sich droben
Vögel höher ins
geheime Gewinde der Thermik hinauf
um sich einzuklinken in den Himmel
und dann frei zu fließen in der Luft
getragen
gehoben
gehalten im Schweben
an azurnen Seidenfäden
unsichtbar und längst gewoben
tief hinein ins Blau. Ins Oben.

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Weitere Tiere

Hummeln sind Luftgötter, Aioloskinder:
gondeln dahin,
gebieten den Winden,
bergen im Pelz die Orkane der Welt,
schleppen Brisen von Kontinenten.
Wenn im Flug Körner Sturmstaub
sich lösen von ihnen, hörst du es brausen.

Hummel passiert.
Rasch spekuliert!
Könnte das wohl heißen:
durchgequetschter Hummelmatsch,
in die Pfütze eingetunkt,
durch ein Sieb gestrichen, Punkt.
Ziemlich ekliges Gedicht.
Tut es aber diesmal nicht.
Sondern vielmehr das hier: Lausch!
Hummelvorbeigebrummgerausch
durchs gekippte Fenster.
Hummel, die vorüberzieht.
Hummel, die einfach geschieht.
Unter all den Fliegetieren,
zwischen Dorten dort und Hieren
lass ich Hummeln nun einmal
besonders gern passieren.

Mückenglitzerfünkchen.
Waldteichwasserspiegelglanz.
Winzig wirbelnd füllt ihr Blitzen
deine grüne Glätte ganz.

Wie Laufmasche im Wirrwarr wilder Weltgestricke
schwebt baumelnd nur an zarten Fädchen Lichts
im Schatten zwischen Laub und Stämmen eine Schimmermücke.

Am Hirschgartenforum blüht Katzenminze.
Hat kein Geweih, röhrt sich nicht vom Fleck,
doch schnurrt vom Bebrummeln
der Bienen und Hummeln,
um Marienkäfer-Babys zum Schlafen zu summeln

Ameise bewegt sich leise
auf der weiten Sandplatzreise.
Krabbelt grad von dort nach da
im Leuchteschwall der Abendsonne.
Und sie ragt im Kiesgeriesle
mitten hier in diese Wiese
als immenser Schattenriese.

Flutterbuttersputterfly,
nip the muddy puddles dry,
splash your colours, spray them, play
in the bubbling air of May.

Eichhörnchen zickzack eingezweigt:
Schattenloderschwanz flammt auf.
Meisen rufen, Sonne steigt
und der Tag nimmt seinen Lauf.

Squirrel flame
all red ablaze
flaring through the morning haze.

Stumm der Wind.
Die Äste ragen
nackt von Blättern
übers Tor.
Doch lodern dunkel
im eifrigen Klettern
Eichhörnchenflammen
an ihnen empor.

Eichkatzerl flammelt Plusterschwanz
zickzack durchs Gezweige.
Auf der Hauswand Schattentanz.
Keine Meise schweige!

Eichhörnchen, Baumspringer, Zweigebezwinger!
Spür dich Brücken schlagen
Wege finden in die Luft hinein
gleich neben meiner Schulter.
Seh dich Pfade gleiten ins Geäst
und Spiralen um die Stämme
schwerelos schwebend
bis Dämmerung dich vermonstert
und aufbläst zum Schattengetier.

Scampering splodgelet, brown and vital,
joining all branches in the yard,
squirrel is pulsing through the trees
as their furry, beating heart.

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Spinnennetze

Wie Tüchlein aus Luft
im zartesten Innen,
kaum zu ahnen den flüchtigen Blicken und Sinnen,
schweben die Schleier der Baldachinspinnen
im Ästelwerk Nestelgewirke der Hecken,
grad zu erahnen in ihrem Verstecken,
im offenen Unsichtbar, beinah schon nicht:
nur schimmernd im Tau oder tiefen Licht.

Wie Spinnenweben — viel zu zart,
um selbst im grellsten Dichten und Geschichtenlicht
sichtbaren Schatten in die Welt zu werfen, — ist ein Menschenleben.

Frisch funkelnd und neu bläht sich draußen
das erste Spinnwebensegel hoch in der Ecke des Bürofensters
zieht mich und schiebt mir und drängt mich beharrlich
in See zu stechen
und aufzubrechen
hinaus in den Abendozean.

Der frisch gepflügte Acker spuckt das Dunkel,
das ihm wie Nachtgebraus in allen Furchen klebt.
Doch gleich daneben tanzt das Spinnennetzgefunkel,
wenn sich die dumpfe Nebelwatte aus den Wiesen hebt.

Jetzt blähen sich die Sternenkartensegel wieder,
an Wegweisern, Gezweig und Straßenschildern lockend aufgespannt.
Sie weiten breitend sich zu Schwebgeweben,
die in der Brise atmend zwischen Welten kleben,
während der Wind mit sachten Fingerkuppen jeden ihrer Fäden lupft
und auf den Seidensaiten leise Reiselieder zupft.
So weisen sie den Sehnenden, die ihnen folgend in die Fernen ziehen,
Pfade hinaus ins Blühen frischer Galaxien.

Junilicht tropft von einem Blatt zum nächsten bis hinunter auf die Wiese.
Wie Pusteblumen im Entschwebeaugenblick blühn darin Spinnennetze auf,
in denen meine Wünsche sirupklebrig sich verfangen und noch eine Weile wachsen dürfen.

Taubenetzt die Halme!
Einen um den andern
wirbeln unsichtbare Spinnen die Tornadotrichter tief ins Gras hinein,
um das klare Morgenlicht in jedem Tropfen auf den Grund zu saugen,
und die Wiese fest in unsre Welt zu schrauben.

Street lights are gliding through the gaps between expectant houses
like a procession of magicians, carrying mysteries in invisible palms.
Cloudlets of shimmer, loose waves of starry threads unfurl
as each of them now pulls apart their fingers to reveal their game:
as an entire alley tends cat's cradles
wafting with the tiniest of galaxies
born from the gentle seismic jolts
where spider silk and morning haze collide.

Schimmernd platzen Spinnenseidengalaxien aus den Klecksen
Raum, der zwischen Brücke und Geländer schwebt:
strudeln aus dem Nichts hervor wie Zuckerwattefäden voll Millionen Sternen,
deren Zukunftsleuchten die Bestaunenden in einen Himmel nach dem andern hebt.

Im Wind vom Schloss her blähen sich die Spinnenseidensegel
und schimmern Schicht um Schicht
beharrlich sich
dem frischen Tag entgegen.

Mitten im Binnen,
im Zwischenbeginnen
der Blätter, der Zweige, der goldgrünen Gischt
fluten gewirkt aus zerstäubendem Glas
die Seidenströme der Baldachinspinnen
als gleitende Schläuche aus fließendem Licht
von Welt zu Welt nieder ins bebende Gras.

Erst Stunden später werde ich den Sammelatem spüren,
der sich beim Staunen tief in meine Lungen eingestaut und eingegraben hat,
um all die Augenblicksbegegnungen zu mehren
im tastend tiefen Morgenlicht;
erblühen sie zu lassen zart beschenkt mit Wundern
und ihnen Haltezeit zu schenken, statt sie zu zeratmen und zu stören.
So hielt ich Zeit und Atem angesichts der Spinnenschimmerschleier in den Zweigen,
Schicht um Schicht,
und staunte immer weiter mich voran in das Gewirr aus Licht,
das spreizte, strudelte und klaffte sich zu funkelnden Portalen
in Anderswelten und ins Ebenso der Sommermorgengegenwart hinein.

Dies ist die Zeit zum Spinnennetzbedichten,
die Zeit um welke und verknickte Seelen an den Feenfäden aufzurichten,
um sich den Blick vom Augenwinkelfunkeln strudeln und verstörn zu lassen
und schließlich eingebettet in die Stützgerüste überall die Welt ganz frisch zu fassen.

Wage nicht, der Winkelspinne Netz zu stören,
weil es so schön glitzt und schimmert dort im Eck.

Ins Spinnennetz zupft
wie in Harfensaiten
das Morgenlicht
Regenbogenarpeggien.

Backlight guides the first daring spiders
to thread their silk into late air like silver flames
seaming, yarning
dancing, darning
gaping, spilling tears
ripped open
by footprints sharply edged
into freezing puddles
by mud blades now
bereft of snow
and growing dull with spring.

Wie Feengalaxien zwischen Zweige
und ins Gegräs gekleckst:
die Anderswelten, Blickverwirrer, Traumverirrer.
Radspinnenstrudel, Trichterspinnenschleier, Mikrokosmosfunkeln.
Weltenkleber in den Kapillaren, Rissen, Winkeln
tanzender Grenzen zwischen Dort und Hie.

Die Meridiane fest verankert und vertäut an allen Straßenmasten
blähen sich leise schimmernd, wenn der Globus
im Drehen sie vorandrückt und der Fahrtwind sich verfängt in ihren Maschen.

Im Gegenlicht beginnen erste Fäden Spinnenseide
die winterlich zerborstne Welt aufs Neue zu verzurren,
zu lindern all das schroffe Klaffen in des Frostes Spuren,
so dass mit sacht gestopftem Schimmertuch in Frühling sie sich kleide.

Two layers of spider canvas
sail silk
hoisted in the fireladder rigging
bulge in the light
as breeze gleams pulse along their threads
as the house jerks gently
in their irresistible pull
longing to sail with the tide
luring me to cut its hawsers.
This is my nautical situation.

Spiders: I know your work
celestial surveyors
cosmic cartographers.
You practice
constructing star charts of our neighbouring galaxies
in random shadow realms
between the balusters
of park bridges and railings
of basement stairs.

Spiders navigate
not by rudder but by sail
not by compass, but encompassing
clumps of close air
since in them they sense
scents of distant realms
and so set course
by weaving their canvas
in the right direction
and waiting

Spinnenseidenreiseseile
fädeln Wege in die Luft
Pfade in entfernte Weiten
in die mich die Zukunft ruft

— Zurück zum Seitenanfang —

Pusteblumen

Wiese im Gleichgewicht

Gleit auf dem Fahrrad ich hindurch, so meine ich,
sie rollten beiderseits in Tausendscharen mir entgegen,
vom Singen der Insekten auf der weiten Fläche aufgeweht:
die zarten Lichterkugeln all der Pusteblumen, die im Warten
auf gute Winde still über der Wiese schweben.
Sie halten inne, jede harrend auf das Luftglück ihrer eignen Chance:
Silberballons, vollkommen in Balance.

Envoys, emissaries!
I send you out!
I dispatch you in silent play
without a single dancing chord
balancing on the courses of my larynx.
In smooth files I release you as
an unresistant floating caravan.
I summon you to leave
to travel on the hidden currents of the atmosphere
to finally dissolve, all riddles.
Breathful of bubbles,
breezeful of orbed hopes!
But first you draw your mesh of unmapped paths
in tangling tracks
in interweaving streams of rotund joy.
Now shine delight!
Now fly!

Mit jedem Atemstoß entsende ich
Herolde in die Zukunft: Flugbereit
schimmert ihr Filigran sich hinein
ins Unterwegs. Während die Löwenzahnsamen verwehen,
hebt sich hinterm Wald drüben am Klinikum
der Helikopter in den Abendhimmel.
Ich geb ihm Gebete mit auf den Weg.

Silberglas, mundgeblasen tanzend über grünem Schaum:
Die ersten Pusteblumenkugeln klirren auf den Wiesen,
schweben im Lächeln eines Augenblickes auf
und segeln aus in Ozean aus Sehnsucht, Wunsch und Traum.

Zerzaust von Nacht wie Pudel hängen Pusteblumenkugeln in den Wiesen,
wie ich in meinem Leben zwischen den Kalenderblättern;
mustern Verworrenes wieder zurecht aus üppigem Verkleben;
lassen ihr Sehnen aus der Kuhle dieses kühlen Tages klettern;
warten auf Wetter, das zu Abenteuern taugt,
um auszuschweben.

Ich denk nicht dran, mich hindrängen zu lassen zum verkrampften Wünschen,
das mir die schönsten Maimomente wegreißt und zerscherbt.
Kein Zauber sprang jemals aus einer massakrierten Pusteblume,
zerblasen in nur einem unerbittlich harten Atemstoß,
um Wünsche in die Wirklichkeit zu zerren mit Gewalt.
Drum …
… klammere ich meine Wünsche und mein Sehnen nicht an Aberglauben,
sondern schmuggele es tief ins Dunenflaumgefieder jedes Schirmchens, jedes einzelnen, hinein.
So voll der zarten Last entsende ich sie in die Weite,
und löse jeden meiner feinen Boten sacht aus seinem Hafen
mit Hauchen, das das Kugelrund umschmiegt wie Haut die Seifenblase,
so dass meine Gedanken sie begleiten dürfen
und immer noch die Kugeln weiterdenken, die sich weiten, blühen, quellen, leuchten in die Zukunftsfrühlingsluft.

Silberbepelzt
bepusteblumt
ganze Wiese voll Lichtkugeln
voll Segelatem
voll Zukunft.

Das Gegenlicht ist das,
was klebenbleibt in Pusteblumen,
das sich zum Vollmondglimmer rundend in die Wiesen zielt
mit Schimmerflüstern kullernd in den Abendhalmen spielt
und mir entgegenbrandet, tief in jeden meiner Seelenkrumen.

Und nochmals stehe ich am Ufer, wo die Wiese brandet,
um einer Pusteblume ihre Schirmchen abzuschmeicheln,
indem ich jeden Atem sanft zu einer Bitte forme, fasse,
bevor ich ihn als Strom von Hoffen auf den Wiesenozean entlasse,
in dem die Schirmchenschiffe segeln.

Dämmerungsgang vorbei am alten Zaun.
Dahinter Halmendschungel, Wucherwiese,
in der wie Seifenblasen im Gedrängel Pusteblumenkugeln tanzen:
sich lösen, kullern, probeweise eine Strecke schweben, federn, wieder niedersinken
und sich erneut verlieren in dem weiten Ozean aus Flaum.

Die Maisonne flammt im Gegenlicht
den Funkeltau an
und die Lampionkugeln der Pusteblumen,
die einander zu überplustern versuchen.

"Auch das Blühen will gelernt sein!",
merkt der kleinste Löwenzahn
und blickt zauslig und zerstrubbelt
auf Kollegen nebenan.

Taubefunkelt Glitzerwiese,
voller Pusteblumenschaum.

Die Schirmchen noch verklebt von Tau
und aufgeplustert wie ein Spatzenschwarm an frostigen Dezembertagen
hocken die Pusteblumen auf der Wiese.
Sie können sich nicht einfach trockenschütteln wie ein Rudel junger Hunde.
Sie warten, dass das Sonnenlicht auch Wärme auf sie niederflutet,
und hoffen auf Besuch von einer kleinen Brise.

Ganze flusstalweite Wogewiesen voller "Putzebohnen, Putzebohnen!", wie die Nichte rufen würde,
um sich gleich hineinstürzen mitten in den Flaum
und dann sich und mir und uns aus all dem Putzebohnenglück
mit ganz viel Puste (und ein bisschen Schummeln, denn das darf man)
so ein halbes Dutzend Sehnsuchtswünsche zu erpusten.

Feucht zerzaust und durchgestrubbelt
hocken sie am Wegesrand:
Dicht gedrängelt dort im Rudel
wie ein wilder Silberstrudel
neben Ackerfurchenkrumen:
Hunderte begossner Pudel-
plusterpurzelpusteblumen.

Die ersten Schirmchengalaxien
entfalten sich am Straßenrand,
um schwebend weit hinauszufliehen
im Atem wie in einer Hand.

Über die brüllende Löwenzahnwiese
fegte gestern eine Brise.
Zahnlos stehen nun und stumm
die Stengel abgepustet rum.

Eingekugelt in die Halme:
Pusteblumenlampions.
Aufgebauscht von Licht und Brise
schweben sie über der Wiese,
sehnen segelnd sich den Wegen
ihrer Zukünfte entgegen.

Was wenn die ganze Pusteblumenwiese
in einem Atemzug auf
schäumte auf
rauschte bauschte
und schwebte zum Horizont
der Gänseschar gleich
zu Selmas Zeit.

An einer Kante, wo die Stadt ins Grüne schwappt, sitz ich und lausche
auf Abendwindes Knistern in den Pusteblumen
den Silberlampions, die hier das Grasgewoge schimmernd überschäumen:
Jeder noch eine Handvoll letztes, rundes Leuchten während obendrüber
der Mond geduldig ungepustet auf den großen Atem wartet,
der seine Lichterschirmchen zwischen Sternenfunkelschaum verschweben lässt.

Ich muss noch so viele Pusteblumengedanken verschreiben,
bevor die Wiese dann erst einmal wieder leergepustet ist.

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Zeiten

Jahreszeiten

Januar

Januar öffnet: Augen, Himmel,
Sternenknospen, Wunschgewimmel.

Stets recht riskant, so eine Nacht, die umklappt mittendrin
von dem vertraut bewohnten Jahr ins neue, fremde,
so dass wir umziehn müssen mit der ganzen Habe unsers Seins.
Das heißt, dass beim Erwachen vor der Morgendämmerung
wir prüfend erst uns ein-, zweimal durchspüren müssen,
ob wir noch ganz vorhanden sind
oder womöglich nachtinmitten umgetauscht in neue Menschen, Fremde,
noch entsetzlich unbekannte Mitbewohner.

Auf dem Gehweg letzte Spuren Neujahrsflitterglimmer.
Jeder Blick umher gewährt einige Atemzüge Abendgunst.
Ausgesickert aus dem Mond ein ganzer Schwall von Schimmer
in das Leuchten einer Milchlichtpfütze Schleierwolkendunst.

Amselfaden, hinausgesponnen in den Januarmorgen, um das erste Licht an den Himmel zu heften.

Wie Feuerwerksgekugelfotonegative
platzen die Mistelbälle längs der Isar ganz allmählich ins Geäst
und haken die Erinnerung an Flitterlichtgedröhn und Bombenspaßgetöse
noch eine Weile mittendrin im filigranen Tanz der Zweige fest.

In lebendigen Treppenstufen,
unentwegt bewegt gegossen in die weite Schale seines Kieselbetts,
wölbt sich der Fluss
mal weit entschlossen schreitend
mal zerknittert trippelnd
steigt eine Stiege um die andere seinen Zielen
Himmel, Horizont entgegen.

January began with a promise
of joy and time together
of chalk labyrinths and invisibility paths through brushwood
of mud puddles and hugs and running
across sun-gushing fields
spoken by me and returned
as a handwarm pocket pebble
that you discovered for me on the path.

January Water

The brook is pulsing underneath
a membrane floating halfway in between realities;
sturdily fragile, palpable
hide hidden in plain sight.
Skin of ice and light
that in its crackling calm
shelters gurgling song
guides and holds along
dance, like a guarding palm:
shimmering pools and notches
silver fidgeting splotches
dithering, thithering, hithering
unruly bubbles of air
pockets full of treasure pebbles
in a secret-brimming lair.

Frost makes my window
sprout plumage of ice
so I listen for telltale sounds:
for the rustling and tingling
for the singing and jingling
that tell
how it's fluffing its feathers
spreading its wings
starts preening
and finally nestling down
with a song
in its home between day and night.

Schon drängeln erste Sträucher Zweige durch die Zäune.
Smaragden leuchtet Moos zerknautscht auf Ästen und in Ecken.
Die Meisen rasten aus.
Der Buntspecht pocht.
Die Zugspitze schwappt mächtig an den Horizont.
Es gibt so viel zu finden und entdecken.

January blackbird singing
seasonally jetlagged by mild morning air.

Amseln singen.
Gänseblümchen gänseblümeln auf der Wiese.
Weihnachten ist grade mal gut eine Woche her.
Freude über Frühlingswetter Anfang Januar fällt schwer,
weil das hier kein echter Lenz ist, sondern Klimakrise.

Januaramsel

Voll Dunkelluft hat diese Stunde den Rotkreuzplatz eingegossen,
dass seine Scherbenschale aus Zement und Kanten sich mit Abend füllt,
während Düster in den Menschen wuchert, wächst und quillt,
die, den Platz zerquerend, heimwärts eilen
und sich in den zähen Wartemassen an den Ampeln eng verkeilen.
Januar sackt in Gemüter und Gesichter
und stapft Seelen auf den Bürgersteigen fest.
Was die Suchenden in diesem Winterdunkeln dennoch fließen und voll Leben rauschen lässt,
ist ein Amselhahn, im Irgendwo der Dämmerung verborgen,
dem gemeinsam alle auf dem Platz von Glück durchfunkelt lauschen,
weil aus seinem unsichtbaren Schnabel wahr wie ein gerade erst geborener Gebirgsbach Flötenstrom und Klang
nieder auf die Haltestellen fluten.

Glitzerkälte trippelt über deine Wangen,
kraxelt auf die Nasenspitze, hüpft auf deine Lippen.
Endlich wieder Schnee.
Doch leider nicht genug zum Schlittenfahren,
Schneemannbauen oder Hochgebirge-Schippen.

Der Frost bekaut mir gierig schmatzend meine Hände,
rülpst leise auf und speit mir ein Stück Fingerkuppe in den Schoß.

Frost Amber

As the air freezes
it thickens to treacle:
syrup so viscous and rich
that it glues reality into space
that it sticks every moment in its due place
embeds souls in its amber
caulks with its pitch
the hull of our vessel, drenched with night
so that coated in frost molasses we might
set sail in this whispering atmosphere
out into the Now. Out into the Here.

Frost air like sandpaper
to coarsen the starlight
and make Sirius sparkle.

Jetlagged
by the lustrous light I lie
of this stubborn snowful night
as it's oozing through the curtain
as it's seeping through the blinds
dazzling all the darkest chasms of dream
from the well shaft of my mind
dances through its waters
flooding them with notions from which
I find it's impossible to hide.

Frischer Nacht- und Morgenschnee
stiebt mir in die Ohren, bevor ich ihn seh,
weil draußen der Schneepflug schon rumpelt und brummt,
Burgwälle baut, Schneemannklötze besummt,
während sein Warnlicht gähnt, pulst und wächst
und Tanzschattengezweig an die Zimmerwand kleckst.

Mit weiten, sachten Fingerkuppen ließen sich
die Maulwurfshügel, pochend unterm Schnee,
wie Braille zu Zeichenzeilen lesen.

Und die Luft voller Flockenfunkeln und Licht
flutet in Seele dir und Gesicht.

Schluck um Schluck
gluckert Januarstille
wenn die Kehle des Schnees
die Stadtgeräusche verschlingt.

Kufenfurchen in den Hang gepresst
wie Blumenstengelspuren in zwei Bögen Löschpapier
halten Erinnerung an Frostglut auf den Wangen fest
an Schwebegleiten, an Sekundenflug und Freiheitsgier.

Während auf Löschpapier die Fingerkuppen Bögen tanzen
und Pfade sich ertasten zu erloschnen Pflanzen,
bleiben die Schlitten nicht auf ewig stumm
und fern der Furchen eingepfercht in ihr Gehege.

Tief eingeklebt ins Kellerraumherbarium
ruckeln an ihren Haken die Herbarbelege.
Sie sehnen sich und puzzeln mit Erinnerung.

Noch pulst der Fahrtwind ihnen durch die Kufen als Idee.
So beben sie im Puls und harren voller Neugier
auf frischen Winter und auf tiefen Schnee.

Es zog mich noch einmal hinaus
durchs Gespinst der Nebenstraßen
ins Wirrgeknäuel der Gassen,
über mir geduckt das Rinnsal des Himmels;
zu schmal um in ihm Abend zu finden.
Also ließ ich mich treiben von Wünschen und Winden,
dorthin, wo das karge Firmament,
das die Klingen der Dächer zerschnitten haben,
sich von der Enge der Straße trennt,
plötzlich anschwillt, ganz allmählich sich weitet,
wie Knospenschaum über die Dachfirste platzt,
dann Mut fasst, sich immer mächtiger breitet
und wagt, uns Fülle zuzumuten,
strömend hinaus in die Weite zu fluten,
bis es das, was den Innenhof oben hüllt,
ganz mit Himmel, Licht und Abend füllt.

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Februar

Mit dem Atem, den er den Menschen nimmt,
schnitzt der februarklirrende Wind,
die Klingen wirbelnd, schneidend und jäh,
Karstklüfte in den Olympiasee.

Mistelkugeln in den Wipfeln sprudeln
über den Dächern auf ins Abendlicht.
Tief in der Dämmerkluft der Wiese züngeln schon die Krokusflammen.
Der Frühling leuchtet auf.
Der Winter bricht.

February nights chink with crystal frost
that cuts rime rims and facets through space, air and time,
to magnify Sirius's sparkle.
Each ridge sprouts from the blade of cold as a crack of infinite clarity
replenishing this dense mass of darkness
with a free path of pristine chance
with an expanse of journey
tripping up my eyes
as all these crests of capillaries speed towards them
veins of infinity and scintillating scissures
pulsing with icy embers of pure starlight and the brightest futures.

Hushing rain
rushing rain
gushing and flushing rain
shushing whispering silence into the air
as the meadow, prying,
keeps burbling, replying
with earth's crumb gabbling
with grass dribbling and babbling
upward trickles, snowdroplets
everywhere.

Lauschen und wundern
ob heute Morgen
schon wieder eine Amsel mehr dort draußen singt.

Fast-noch-Vollmond,
quasi caspar-david-fridrizianisch
in den Himmel überm Karolinenplatz getupft,
sacht lichtumflort und dann
mit dreierlei Diagonalgewölk durchstreift,
lässt die Trambahn etwas schneller barerstraßenabwärts mir entgegengleiten.
Probenheimweg, inwendig noch ganz matthäuspassioniert.

Grün hat sich in die Büsche eingebröselt,
knospt sprossend Knötchen aus Versprechen ins Gezweig.
Dazwischen hupfen, flitzen, spritzen Klecks um Klecks, noch zögernd bunt, die Meisen.
Ein Eichhorn flammt mit einem lodernd schnellen Satz vorbei
und Rotkehlchen lässt
fast schon zum Begreifen nah vor meinem Fenster
silberglitzernd Singen
einen Faden um den andern
in den Morgen reisen.

Lila schäumt die Wiese auf,
sprudelig von Krokuskelchen.

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März

Die Luft ist noch zu schroff für Spinnenweben,
die kaum verankert Weltenzwischenraum durchwurzeln und beschweben.
Tief im Verborgenen beflammen erste Blütenkelche violett die Wiesenflecken,
zu finden nur für die, die sich verlieren können hingegeben ihrem suchendem Entdecken.
So trotzen wir dem Winter,
lassen unsere Gedanken tunneln durch den Frost,
weil sie schon längst im Frühling angekommen sind,
während die Weidenkätzchen, gleichfalls widerborstig, ihre Pelzchen recken in den kalten Wind.

Wolkenklumpen purzelkullern
horizontrundumadum,
als ob der Himmel Murmeln spielte
und märzwärts immer weiter zielte
hin aufs Äquinoktium
dem Frühlingslicht entgegen.

Des Hanges Stirn noch tief zerrodelt und zerfurcht,
als ringe sie damit, sich diesen Märztag voll zu fassen in Gedanken.
Die Birke rieselt feine Tuschefäden in die Luft.
Ein Grünfink trillert territorial.
Ein Buntspecht ruft.
Ich grabe meine Zehen und mein Sinnen in die Wiese und ihr Schwanken.

Each year, each day,
I realize my blindness
and ascertain how little I have seen,
as buds around me swell and burst with infinite kindness;
as green pours forth between the pickets and reminds us
that spring clings to each shrub and nudges us to glean,
to marvel at the unbeforeish wonders
that grove and meadow, heaven and earth deploy;
a tidal stream of nearby troves and yonders
that has me spiral into dizzy, fizzing joy.

Spring gushes, sputters, bubbles, springs,
and nudges me to see new things.

Narzissen mit ihren Schnorpselgesichtern
schnüffeln und süffeln die Frühlingsluft,
rüsseln beglückt nach spazierenden Dichtern,
damit ihr sonnengoldfunkelnder Duft
dank deren Beverselns nie mehr verpufft,
sondern sie im Rufen und Singen
ewig schweben auf leuchtenden Schwingen.

Ich lausche so gerne den Kirschen beim Blühen
und spür ihre Blüten knistern,
wenn sie in Wogen von Bienengesummel,
umrummelt von holperndem Hummelgebrummel,
die Märzluft voll Frühling flüstern.

Schicht um Schicht auf meinen Leib
zeichnet, wohin ihr mich stellt:
Welt aus weitem Allherum
sei mir auf die Haut gepellt.
Windgefüge
Wegenetze
Hummelpunkte
Kieselschätze
Spatzgeschwätze
Lichtgeschwele
Kräh'nkrakeele
füll die Winkel meiner Seele
Krokusknistern
Schattenflüstern
Glöckchenschnee
Forsythienwispern
Zauselstarenhaufen
Rauhaardackelschnaufen
tollkühn erste Käferflüge
Ameisen im Staubgetriebe

Lasst mich so mit allen Sinnen
tief im Frühlingsmagma schwimmen.

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April

Botenfrühling bringt:
Farben, Gebüsch, das singt,
Halmkitzeln zwischen den Zehen,
turnende Hummeln im Blütenschnee,
Windkinder beim ersten Wehen,
Glitzerwellen auf unserem See.

Krähen purzeln auf kullernden Böen,
fegen quer über die Schlossmauerwiese,
sausen sich aufwärts in Drachenflughöhen,
während die tänzelnde Frühlingsbrise
gedankenverloren im wirbelnden Spaß
kritzelt Gedichte ins knittrige Gras.

Schneit's an Ostern,
musst bei Buchen
du Lebkuchen statt Eier suchen.

Wenn man in Nebenstraßen
das Fahrrad ganz leise rollen lässt,
hört man die Kirschblüten
und weit über ihnen die Sterne knistern.

Tief in den Hang gesteckt,
still von Blütengold klirrend,
schieben Schlüsselblumen ihre Bärte
hinab ins Erdreich,
rasten im Krumenzylinder ein
und schließen sacht und über Nacht
die Pforten des Berges auf.

Oder:
Tief in den Hang gesteckt die Schlüsselblumen
schieben, still von Blütengold klirrend,
die Bärte hinab ins Erdreich,
um einzurasten im Krumenzylinder,
um schließlich sacht und über Nacht
die Pforten des Berges zu öffnen.

(Olympiaberg übrigens. Übersät von Schlüsseln.)

Floating futures are drifting by
in the ripening morning sun.
I am sitting amidst the streaming light
spilling steady sense
sending out patience
in soft stubborn strings
that bind and weave
each twig and leaf
each brushstroke of cloud into one.
I sense and mean
every fluttering beam
each trembling breeze
in its and into its being.
As leave buds are pulsing along the branches:
trickling crumbles of green yet to sing
I fling myself open to avalanches
of world and spring
and everything.

Wer löst die Bienen aus dem Bedeuten,
das ihnen die Flügel befrachtet?
Jemand tut es gewiss: gewissenhaft, sorgfältig, täglich.
Wie sonst noch sollten sie die Blüten frei beschweben,
wenn Symbollast von Jahrtausenden sie doch zerdrücken müsste? Gerade in der Osternacht, wenn ihre Kerzen leuchten.

Noch ist das Laub nicht ganz gestattet,
sondern knospt nur verstohlen die grob gestrichelten Zweige entlang: Pigmentstaub,
abgebröckelt von mürber Kreide
im flüchtigen Schwingen auf rauem Karton.
Alle Blätter nur Andeutungen treibender Zukünfte
gerade noch jenseits der sehnend gespreizten Gedanken.
Ahnend blitzen sie auf und ungedeutet
entlang der zahllosen Horizonte
entlang all der Weltgrenzenlinien im Gezweig
wie Atemstöße von Wetterleuchten von fern,
wo mir die Kanten des Himmels sind.

Meine Gedanken schütteln sich wie Weidenkätzchen,
in deren Pelzchen sich die Regenperlen eingenistet haben.

Kaum ist April,
beginnt das Spiel,
des suchenden Blickens und staunenden Spähens,
des Endlich-einander-Wiedersehens,
wenn kaum zu fassen,
doch so leicht zu greifen
auf all den Wiesenflecken und -streifen,
die sich längs der Wege und Mauern schlängeln,
sich leuchtend die Sonnenaufgänge drängeln.
Golden sprudelt ein Strahlenkranz neben dem andern
und lässt die Gedanken weiter wandern,
ein paar Wochen voraus
(zumindest geträumt),
hin zum zerflusenden Nebelflaum,
der über die Fußballwiesen schäumt.

Tagfisch flitzt
glitzernd blitzt
durch die Maschen auf die Wand
durch das Netz in meine Hand.
Unfassbarer Strahlenschwarm
zappelt leuchtend, frühlingswarm.
Lichtschuppen schilfern in die Schattenwaben:
Welch Glück, solch einen Ostertag erlebt zu haben.

Zwischen den Hügeln überall
schon Rapsgold in geschwungenen Flächen,
wie die erwartungsvollen Felder auf dem Rubbellos.

Wie Firnis nachgedunkelt drückt das Wolkenlicht den Raps,
mildert sein schrilles Grell zum hellen Trotzen
gegen Regengrau und Düsternis.

Vögel, so viele.
Leuchtendes Schwingen,
Buntes Gewühle
von Saiten im Klingen,
die im seidensacht Dunkeln
Leidenschaft funkeln,
sich heddern, verwirren, verzwirnen, verschlingen,
Gewebe des werdenden Morgens.

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Mai

An der Schnur überm Feld:
ein Tanzdrachen
wie ein bunter Teebeutel
in die dampfende Schale des Himmels eingehängt.

Mücken sind Sommersprossen der Luft,
Tänzelsprenkel im Abendduft,
unter denen die Wiese an Wegränder platscht
und Applausmohn rottosend Beifall klatscht.

Eine Sorge, die mir zwischendurch in die Seele schwappt, ist die,
dass sich all die oberbayerischen Seen
aus der Vertäuung lösen,
wenn ich nicht ab und zu selber vorbeischau,
um die Knoten nachzuziehen,
und dann frei durchs hügelige Alpenvorland schweben,
mit allen Fischen drin.

Wenn Sommer wird, geraten Mauern leicht ins Segeln;
sie legen ihre Backsteinschwere ab, um aufzubrechen,
weit aufgespannt und prall vom Böenstrom des Lichts.
In ihnen sprießen Wirklichkeiten auf aus Menschen, die erwachen:
Sie wachsen und verwuchern sich zu Wildnissen voll Ranken und Gestrüpps.
Inmitten dieses schleißenden Gewirrs von Knoten hängen wir gefesselt in uns selber
und zappeln blind verwundert um ein wenig Atemraum zum Spiel,
viel zu zerrissen, um uns aus uns zu befreien.
Und was, wenn ich sie lösen und die Fäden ordnen könnte?
— Will ich das?
Viel zu verzwirnt mit Leben sind sie, um gefügig weben sich zu lassen,
so dass am Ende wohl nur Marionettendrähte blieben, mich zu gängeln.
Die Knoten sind zu wert- und kunstvoll, um sie zu zerstören.
Sie halten sicher mich verzurrt im Sturm der Zeit,
so dass ich ihrem Strom mich anvertrauen darf mit dieser Takelage,
navigieren,
indem ich auf den Fäden meines schimmernden Kokons
mir meine Wege spiele wie auf Harfensaiten.

Wie ein Schwarm Flammen driftet Mohn mir durch ein Feld entgegen:
ein Lidschlag um den andern Planktonglut, hindurchzutreiben
und tief vom Sehnen satt im Gehen schwebend eine Krume Zeit lang zu verweilen,
weil diese Blütenflügel zart zerknittert schon verwehen
und nie sich ganz mit Atem füllen, kurz nur flattern, ohne je sich voll zu blähen:
der Herzschlag eines frisch geschlüpften Schmetterlings.

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Juni

Einfach liegen
Gras im Rücken
aufwärts in den Himmel blicken
Augen ruhen lassen
atmen
Bienen auf den Zehenspitzen
warten, dass die Mauersegler
durch mein Blickblau droben flitzen.

Tanzluft

Die Luft beginnt sich zu entrücken,
weil ihr das Lachen, Jauchzen, Leuchten heute so vollkommen glücken.
Sie lässt empor sich reißen von den Sonnenstrahlen,
um in sich selber aufzuwirbeln voll Entzücken.
So heftet sie sich an den Schwebeflaum der Distelsamen,
die überm Wiesenozean berauscht zum Tanz zusammenkamen.
Gemeinsam tuscheln Luft und Samenflausch geheimnisvolle Zeichenbahnen,
bis sie in wilden Strudelkreisen aufwärts steigend hoch im Blau verschwinden,
wo sie sich wohl den Wolkenwollknäueln nach und nach verbinden.

Die ersten Sonnenblumenstengel fangen an zu sterzen.
Der Regen spült den Wald und platscht.
Der Sommer gluckert schon.
Man hört die Tropfen mit den Blättern kichernd scherzen.
Verstreut entlang der Wege und im Feld klatscht Mohn.

Ich atme Wünsche wie die Seen Sommerwölkchen,
die traumversonnen in den Abendhimmel schweben
und unbelastet voll der leichten Fracht der Wünsche
sich segelnd hin zum Horizont begeben.

Die Mücken in der Junisonnenluft wie ungezählte Scharen Sommersprossen,
die jeden Augenblick sich ihren Ort ganz frisch ertanzen müssen
in den lebendigen, bewegten Zügen eines lachenden Gesichts.

Ich schwebe auf dem Abend
wie eine Daune auf mückenbetanztem Waldteichgrün.

Himmel wie dieser entstehen, wenn Seen,
Teiche, Tümpel und Pfützen, Stück für Stück,
sich unter der Junisonne weit blähen
und dann aufwärts seufzen und rülpsen vor Glück.

Nur sanfte Dünung in den Hügeln heute morgen:
vereinzelt treiben kleine Haine auf den Kuppen.
Ich will mir eine Handvoll Wind und Himmel borgen,
um mich im Schimmern leisen Lichtes zu verpuppen
und driftend zwischen Wolkenschaum und Wellenwiesen
zu spüren, wie der Larve meiner Seele langsam Flügel sprießen.

Ich breite mich mit bloßen Armen in den Regen,
so dass die Alltagsschale von mir abfällt und zertaut.
Ich weite meine Seele ihm ins Überall entgegen
und spüre jeden Zentimeter Tanz und Seligkeit auf meiner Haut.

Aprikosenseidenhimmel,
für den Kehle und Gedanken Anlauf nehmen müssen,
bis der Horizon auf einmal reif genug ist und dann platzt,
dass der Glutsaft auf die Fenster und Fassaden spritzt.

Am Bahndamm flammen überall die Königskerzen:
helfen dem Zug beim freien Navigieren.

Die Veit-Stoß-Straße schattig entlang
säumen blühende Linden.
Erst spürte ich mich überwältigt von der Macht der Süße,
die unerwartet mich umstürzte wie inmitten eines Katarakts die Tosefracht der Fluten:
so drückend schwer, dass unter ihrer Last ich niederknien wollte.
Dann ließ ich ihren Atem in mich sinken
und wusste mich auf einmal sacht umschwebt
von Hülle, die sich schmiegend um mich legt,
mich füllt und in dem Wogen ihres Duftes trägt,
wohin ich soll. Wohin der Abend all mein Sehnen legt.

Heuballen auf den Wiesen sind die grausigen Skulpturen,
als die sich Trolle an den grellen Junitagen tarnen.
Während sie längs des Feldrains lauern, steh ich gelähmt vor ihren Spuren,
versuche stumm entsetzt, die Wanderer, die nahen, noch zu warnen.
Doch meine Stimme krallt sich tief in der verkrampften Kehle fest.
So seh ich nur die Ballen schnuppern nach den Menschenwichten,
um sich, die Beute witternd, hinter ihrem Rücken aufzurichten.

Midsummer night is awash
with invisible light
as the raindrops nudge and nibble
whispering paths
through its loose gauze
and wait for listening weavers
to join their warp threads
with wefts of wonder.

Feld, klatschmohnbekleidet,
rot glühend und weit:
voller Sommerleuchten und Herrlichkeit

Verbittert liegt mir eine Mücke auf der Zunge:
versehentlich zerbissen.
Doch mir fehlt der Mut, sie auszuspucken
Damit die fremden Menschen auf dem Gehweg hier im Park nichts Übles von mir denken,
lass ich im Speichel sie zerfallen
und versuche nicht zu schlucken.

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Juli

Sämig wie eingekochter Sirup haftet
noch zähe Glut des Tages tief im Hinterhof;
beschmiert die Mauern, klebt sich in Leiber und Gedanken,
die taumelnd tiefer sinken in der Masse und sich drinnen lagern,
verbacken zu fossilen Sedimenten eines alten Tags.

In der Honigabendluft,
vor einem Himmel wie ein Teeglas, in das Süße sinkt,
mit Grinsekatzenmond besichelt,
mal eben eingefädelt in das Schrillen unsichtbarer Mauersegler in der hohen Dämmerung,
saust mir kurz vor der Glypthotek
das Schattenhuschen einer Fledermaus quer übern Fahrradpfad.
Wie wunderbar, dass es mich grade da
und dann gefunden hat.

Die Wiese bedoldet
wie wirbelnd von Schnee
vom Flockengestöber der Möhren.

Durstig wie altes Leinentuch Vergossenes
trinkt Nacht den ersten Schimmer,
der heimlich sich auf Horizontes Lippen legt
und aus dem Dunkeln zarte Schatten staunt
wie einzeln mit dem Atem der Geduldigen hervorgesehnte Seifenblasen:
das bebende Stück Segel, das zum Aufbruch zittert.

Wie Bleisand lastet Hitze auf der Stadt,
verklebt die Uhren, hemmt die Zeiger und die Zeit in ihrem Gang.
Nur zögernd tasten Fäden Luft sich durch die Zweige.
Gekippte Fenster hecheln. Unter ihnen senden Heupferdherden ihren Flirrgesang
wie ein gemorstes Testbild in die Wiese.
Irgendwo weint ein Kind.
Vermutlich stirbt auch wer.
Wären wir weiser, hätt es all der drückenden Beweise nicht bedurft.
Glücklich allein die Fledermaus, die jagend durch die Hinterhöfe kurvt.

Die Wiesen duften schon nach Bald und Mahd und Heu.
Wie Blinzeln drehen Spinnwebwirbel sich ins tiefe Gras
Mit jedem Atemzug fügt sich der Tanz der dunklen Wolken mit den Mauerseglern neu.
Dahinter knirscht und birst der Himmel ferne wie zersprungnes Glas.

An Sommermorgen
entheddern Nacht und Tag sich rascher
entschlossener
als in den anderen Zeiten wenn
das Dunkel sich klebriger einhakt
fester verknotet
wilder einrührt
in jede Fadenschlinge, jede Schliere
der drängenden Zeit.

Die Stromleitungen zwischen den Maisfeldern schimmern in der Nachmittagsgrelle lichtweiß auf, als habe jemand für den Sommerhimmel Kondensstreifenfäden auf Vorrat zwischen die einfachen Holzmasten gespannt.

Wenn der Abend sein Pfirsichleuchten verliert und sich ins Nachdenkliche färbt, beginnen überall in den Gebüschen und im Gras die Heupferde zu knistern.

Wolkenpuschel gaukeln im schwimmbadblauen Julihimmel: Bewerbungsschweben. Warten drauf, dass eine passende Bilderbuchdoppelseite vorbeiflattert, sich in sie verliebt und sie vom Fleck weg einstellt.

Der Tag wirft mir Wunder vor die Füße: Mauereidechse flammt quer über den Weg, Wolken rauschen auf, die Kiesel kullern mir erwartungsvoll entgegen.

Tanztropfen steppen auf dem Fenstersims.
Die Bäume flüstern lauter, weil der ganze Himmel knistert.

Schwirrholz-Segler schrillen an den stillen Schnüren.

Sandalen helfen ihn zu sehen:
den Staub auf den Nägeln und zwischen den Zehen,
der an langen Tagen voll tollkühnem Steuern
abschilfert von Wundern und Abenteuern.

Ein Kreuzchen Kleinflugzeug schiebt sich durchs weit gespannte Blau. Mein Blick wirft ihm wirres Staunen nach, weil ich nicht begreife, wer hier gerade wen mit ebenmäßigem Druck auf den brummenden Cursor vorbeiscrollt, Erde den Himmel oder Himmel die Erde voll Gerstenfelder.

Kurz anhalten, um den sausenden Abendbienen in der Nebenstraße Ziele und Anliegen nachzuvermuten.

Lautlos in gewaltigen Lawinen prallt die Süße der blühenden Linden auf den Weg mit ganzer Macht. Zerdrückt, erstickt alle Gedanken, so dass du selbst das Denken vergisst und nur hindurchschwebst, wie durch Jahrtausende ein Bläschen im klaren Honig eines Bernsteintropfens.

Die Stadt sickert in die Schwüle hinaus wie ein Teebeutel, ins schwelende Wasser eingehängt.

Die letzte Nacht,
die noch von einem Ende bis zum andern Juli ist,
so dass der Sommer in ihr noch sich nach Unendlichkeiten misst,
von Heupferdliedern wispert
und von Galaxien voller Sterne knistert.

— Zurück zum Seitenanfang —

August

Ich würde so gerne noch einmal wissen
wie sich das anfühlt und anerlebt:
nichts vorzuhaben
sondern in einen weiten Raum voll Zeit hineinzuleben
der sich spreitend weitet um mich herum und voraus
für alle Abenteuern der Welt
also:
Große Ferien.

Ein schwimmbadblauer Morgen,
erstes Schimmern auf den hohen Wolken.
Ganz sacht das Strömen feiner Zeit,
dem ich mich driftend anvertrauen darf.

Vom Echo feiner Wolkenstreifen pulst der Himmel,
so dass Gedanken auf dem Schaum der Wellenkämme balancieren können,
die Zehen eingegraben in ihr Fluten,
in das die Seele sich hineinzunesteln sucht
mit jedem Flimmersehnen eines schaukelnd scheuen Atemzugs.

The afternoon collapsed into molasses
that glued the sweltering to my skin:
each sticky second coating each inch of now numb, silent contact face
between world outside and within.
There I hung, entangling myself evermore in the air’s burden,
like fidgeting prey in a spider’s web.

Noch ist der Himmel nicht ganz leer,
noch toben Segler auf den Wolkenwellen,
aus deren Schäumen ihre Rufe in die Weite gellen.
 
Das Freibad gluckst mir Glücksgejauchzerblubbern in die Ohren
und sprudelt Jubeln wie ein Sommerpausenhof,
auf dem niemand drauf wartet, dass es endlich schellt …
So weitet im August sich unsre kleine Welt.

Auch jetzt noch brüllt die Hitze durch die Dämmerstraßen,
die sie mit breiten Schultern weit empor bis an die Firste füllt.
Ich hab in einem Innenhof zufällig nieder mich gelassen,
in den aus dicht bebaumtem Grün so etwas wie Erinnerung an Kühle quillt.
Wie Schalter in verstummten Armaturen träumen ringsum Fenster in den Mauern,
lauern auf ein Berühren, das sie weckt und tief hinein in ihre Seelen rollt.
Wenn ich die Finger spielen lasse, wird es nicht mehr lange dauern,
bis einer richtig trifft und der geheimen Mechanismus drin den ersten Atem holt.

Wie ein Kind vom Steg ins Wasser,
mit viel Anlauf, Absprung, Plantsch,
in den See mit seinen Tänzelwellen prallt,
prusteglitzernd voller Tropfenwust,
wirft der Wind sich in die Bäume
voller Blätterschäumen, Böenglück und Pustelust.
Ach, August, August, August.

Schwingen aus Azur birgt dein Kokon,
zu dem die Lichterfäden sich verflechten.
Zeile um Zeile strömen sie
dein Schnuppengarn durchs All,
spinnen Geschichtenfasern
zwischen den Horizonten,
damit der eine oder andre Stern
in deinem Netz sich fangen kann,
o Perseïdenseide.

Längst verwuchert der Pfad:
zerschlungen von Disteln und Garbe,
beidseits bebrandet von Wuchs,
der mir schrittweise Weg
unter den Füßen zerkaut.
So üppig flutet der Sommer,
dass im Gezeitenwust
aller Sinn der Richtung verfilzt.
Weder Herkunft noch Ziel
sind im Dickicht zu sichten;
Faden versagt, auch kein Brotbrocken hilft,
durchquertes Woher zu verstehn,
zu vergehen, bewenden, zu lassen:
Hindurchzufinden zurück und voran.
So hilft nur das seiende Schreiten,
um im Hier das Jetzt zu begleiten.

Auf einmal doch noch einmal gell und jäh
die Rufe, Wünsche, Sehnsuchtswirbel eines Dutzends Mauersegler,
krümelweise Handvoll ein
sich strudelnd in den Himmel über Laim.

Dies ist die Zeit, um in der Abenddämmerung die Isomatten weit ins Gras zu breiten,
damit sie sich uns wie ein Schwarm voll Segel oder bunter Flügel an die Schulterblätter, Fersen, Hüften spreiten.
So segeln wir, die Wiese schulternd, sie uns tragend, hebend,
auf unsern Schwingen in den Ozeanhimmel schwebend,
erst schwerelos hinaus ins Dunkeln
und lassen uns dann weiter in das staubkornwölkchenzarte Kosmosfunkeln
der Sommernacht, glitzernd von Augenblicksäonen, Schnuppen, Perseïden gleiten.

Ich habe ja die Perseïden ganz versäumt —
und hätt mich doch so sehr danach gesehnt zu sehen,
wie die Nacht von Schnuppen schäumt.

Ich schwitze und warte mich nahendem Regen
(der hoffentlich demnächst mal eintrifft) entgegen.

Ich säe aus der längst nicht leeren Bäckertüte Krümel in den See
und darf mir dafür Kiesel pflücken, quarzdurchaderte Gesellen
die ich mir in der Tüte für das spätere Gespräch verstaue,
noch benetzt von Spuren kleiner Uferwellen,
die sie in das zerknitterte Papier begleiten.
Erst später, einsam auf der Bank am Feldrain
entlasse ich sie in die Schale meiner Hände.
Konversation mit Kieseln nimmt sich Zeit
und braucht das Rauschen staunenden Erlauschens in die Stille,
hinab tief in die Kieseljahrmillionen,
wo Raum sich ihren Stimmen öffnet, dass sie singen können
und Morsepulse pochen in die Adern meiner Hand.

Der Himmel atmet Abend. Eine Gänseschar,
knapp groß genug für einen Keil,
schiebt mit dem Wuchten einer Masse eben aufgeschwungner Leiber
sich mir aus dem Olympiapark entgegen;
treibt mit dem schweren Schwingenschwall
ein Wogen vor sich her,
Bugwellen aus Bedeuten, ungebrochen brausend.
Zweifel packt meine Kehle,
drängt mich, ihnen sehnend nachzuspähen,
als es mich greift mit aller Zuversicht des Wegs und Wagens:
Ich bin es, der der Flug gilt,
der der Sinn entgegenquillt:
Ich. Hier und jetzt.

Mais kribbelt kolbenweise auf den Feldern,
und ich hoffe,
dass die Grummelwolken drüber die Contenance wahren
und nicht platzen vor Lachen.

Am Fenster vorbei sterzt der Mais ungelegen.
Besträubt mit seinen Klettverschlussborsten,
schwappt Hügellandschaft den Alpen entgegen,
brandet durch oberbayerische Forsten,
wogt zwischen versteckten Hecken und Wegen,
damit sich an Wellenkämmen im Neigen
Stückchen Himmel verfangen und kleben bleiben.

Noch so ein Abend, der die Gleichgewichte in den Schalen wiegt
auf halber Strecke zwischen Sommertag und Nacht:
an dem das letzte Licht gerad über die Firste brandet, als die Supermärkte schließen
und wir uns wundern dürfen, wo eins endet und beginnt:
der Ziegel und das Dach, die Schwalbe und der Himmel, Not und Glück.

Hungrig giert der Abend nach Licht.
Längst klafft Herbst in den Winkeln,
schlingt Dunkel um jeden einzelnen Sinn
und versickert in den Gedanken.
Nähe mag helfen, die es nicht gibt.
Zu spröde die Zeit und das Hoffen.
Matt nur schimmert so etwas wie Leben
aus der Haut einer Schale atmenden Tees
mir pulsend in wartende Finger.

Noch einmal August

Die Wasserrohre singen in den Wänden.
Der Nachbar duscht.
Der Regen rauscht galant
In Stößen pulst die Angst mir in den Händen.
Und alle Wiesen schimmern matt wie Samt.

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September

Morgenhimmel hängt voller Verheißung.
Noch schweben die Blätter reglos an Zweigen, obwohl die Luft
schon aufrauscht da draußen, wenn ich nur hinlausche.
Vielleicht senden sie als Kundschafter
die besonders geschickten Regentropfen voraus,
die das Laub elegant zu umfliegen verstehen.

Rapsgeflimmer, gelb und grell.
Sonnenmurmel, schwindlig schnell
rollt himmelquerfeldein
tiefer ins Blau hinein.

Neongrellgelb Streifen
zwischen die Äcker gemarkert:
Raps, Raps, Raps!

Hagebutten:
als hätte da wer
lauter rote Glühbirnen
in die Sträucher geschraubt.

Immer noch ist etwas Sommer übrig,
der sich in die Tage stemmt
und im Sonnenfluten störrisch zwischen bloße Zehen klemmt,
um die Dunkelheit zu stunden,
die wir schulden.

Auf meinem Unterarm spür ich die Monatskleckse tanzen —
August, September, Gust, September, Gust —
weil Buchenzweig zwei Meter drüber, zwischen mir und Sonne,
die Jahreszeiten in der Brise raschelnd durcheinanderquirlt.

Noch knistert die Nacht nach Sommer,
wie Geschenkpapier in sich selbst eingewickelt.

When the afternoon air ahead shifted
and danced sprightly
for an eyelid flutter's while
quite unmomentously
across my mind's strings and trails &emdash;
I noticed and failed
to recognize
was it leaf, stray dream, or butterfly
that had parted the breeze
and meant to mend its airy path back
into invisibility again.

Autumn is tingling in the trenches
between the ridges of my fingertips.
Evening fizzes with its itches
that burst out of their seeds
sprout through and force apart cracks of reality
and weave their tendrils
around each trace of summer's glow and gold:
the thundering momentum of
a sunflower stampede
ploughing towards my soul with heavy skulls
wingsful of scratchy crow crumbs
sown in the furrows of the stubble field
and a tiny nook of warped reality
here on my balcony
between the tender intersections
of mallow shadow rigging
and bulging spider webs.

Der Tag beginnt verblasst
als Foto aus lang vergangenen Jahren
als Malerei verschwimmend
wie unter Wellen im Teich
unter Rissen vergilbender Firnis
so dass er sich erst langsam vorzutasten hat
ins Leuchten eines Heute
und entfalten in den Raum der Wirklichkeit
die ich beleben werde.

Das Morgenlicht zum Aufbruch muss jetzt wieder ganz nach innen wandern,
weil Herbst es draußen täglich tiefer niederdrückt unter den Horizont.
So such ich es zu schüren, dass es leuchten kann aus mir zu andern,
damit wir Hoffnung spüren und das Dunkel sich nicht weiter spreitet, das uns innewohnt.

The days are shedding light.
The nights are sprawling
and drenching souls in flakes of aging time.
As puddles grasp for scudding boots,
lost gaps are jostling chasms into the masonry and mauling
whatever confidence is left to bind our minds into a mutually supporting rhyme.

Regenatem zappelt luftberauscht in Bäumen,
die septemberlich noch voller Blattgefieder schäumen.

Wenn das Raschelherbstlaub sich
in allen Farben räuspert,
klirrt sacht der flaschengrüne Fluss
und schenket mir voll ein.

— Zurück zum Seitenanfang —

Oktober

Oktober heißt:
Jetzt kauern sich im Edeka am Eck die Jahreszeiten eng zusammen.
Da in der Theke lauert letztes Grillgut neben Stollen, grellen Kürbislollis und Adventskalendern im Aktionsregal.
Ich fühle mich verpflichtet, nicht nur nebenbei hindurchzuschlendern,
sondern mich endlich zu entscheiden,
mir zu künden, wann ich lebe:
ein für allemal –
und kann dann doch nur raus ins Draußen fliehen, in den dicht gewebten Abend,
wo mir unter meinen Füßen
die Tage brausend horizontwärts fortverfließen.

Flutende Stille umwirbelt die Buchen.
Jedes Blatt wartet und lauscht und träumt,
dass es verborgen im Laub und im Suchen
nicht den Augenblick um zu schweben versäumt.

Die Bäume schütteln sich im Herbst vor Lachen,
so dass das Lachen raschelnd bunt auf alle Wege fällt
und jeder Sorgenklumpen dran zerschellt.
Der Traurigkeit gelingt es nicht dich einzuholen,
wenn Bäume knisternd kichern unter deinen Sohlen.

Wer knipst die Hagebutten an,
Leuchten im Zweiggewirrozean?
Verfunkeln ein Augevoll Ewigkeit,
glühen rückwärts durch die Zeit
und zeigen mir Blickender Suchender an,
dass die Blüte, die ich im Sommer sah,
womöglich doch eine Rose war.

Ein Flaumler ein Baumler
ein Taumler ein Traumler:
ein Ahornblatt.

Blätter wie Sternenzacken
Sonnenflammfragmente
füllen den Weg
so dass ich mir im Gehen durch den Abend
ein Firmament unter die Füße denken kann.

Das Laub ist auf der Flucht und stürzt
sich, Schutz erbittend, Dir in offene Arme
mit jedem Schritt
mit jedem Atemstoß des Windes:
Glüht dort noch einmal auf
und birgt sich
fast im Traum verknisternd.

Luft voll Unterwegs und Reisen:
Zehenspitzenluft.
Laub behupft von Wispertropfen,
Weg betupft vom Blattklecksklopfen,
Morgen voll Entdeckungsduft.

Die Nacht warf Wind und Herbst in die Bäume,
so dass rotes Weinlaub in Sirupschlieren
ihr Laub durchtropft
in den Morgen sickert
und die Gartenmauern berauscht.
Schwerer als Mitternachtshimmel hängt nun die Wiese
voll frischer Galaxien
voll bebender neuer Gestirne
in schimmerndem Zerfallen im Suchen
nach dem verborgenen Baum
dem Geheimnis des Laubes
das sich zwischen den Fingern der Halme erst fügen wird.

Die Linden legen Herzensblätter auf die Brise
und lassen sie mit sachtem Schwung ins Ferne segeln.
Gespannt zu Tuch im Stöberlaub
die Spinnenfäden flüstern Licht.
Der sanfte Sinn
malt sich in weichem Schattenströmen auf die Rinden und die Wege.

Schon im Dämmer blasshell
Klecksblätter auf den Wiesen
von uns auszumalen und mit Farbe zu befüllen.

Oktobermittag

Wachsmalkreidenbunt kritzeln
sich die Wipfel empor.
Gleich dahinter am Horizont
schwappen die Alpen hervor.

Krabbelsonne auf der Haut
Schwebespinnen in der Luft
Knisterblätter auf der Wiese
Himmel voll Oktoberduft

Whirlpool swirlpool
jellykites
dancing in the breeze
air medusae
flaming light
tentacles with infinite ease.

Himmel, so himmelig leuchtend,
strubbelfröhlich zerzaust,
als ob mit dem Riesenradiergummi jemand
ungestüm und vergnügt
mitten hinein ins Blitzeblau
alle Wolken verrubbelt hat.

Gern dächte ich mit dir über die Last der Wolken nach,
die unterm Firmament sich vollbefrachtet wie Gespensterhängematten abwärts biegen;
gern brächte ich dir dazu federleichte Wörter, Schirm und Regenbogenstiefel mit,
um mit dir himmelaufhinaufwärts hoch
durchs Grau ins Sonnenlicht zu fliegen.

Unter den Sohlen sackt der Tag mir weg,
so dass ich meine Schritte kaum noch spüre
und Fuß für Fuß nur ungewiss in seine Reste wie in dunkles Wasser gleiten lassen kann.
In Rosenhecken ringsum Hagebutten wie zerzauste Lichterschnüre,
strotzend wild,
deren Signalglut kaum das Zweiggeknäuel, das sie umwickelt, mit ein wenig Schimmer füllt.
Das Dämmern schwingt wie Köder durch die Vorortstraßen, rüttelt an verborgnen Fernen
und lockt und harrt aufs Aufblühn all der Fensterkerzen und Laternen.

Oktoberabendfahrt

Echter, fester die Nacht und dichter ihr schweres Gewebe,
das mit den Fäden des Herbsts über die Fluren sich legt.
Wie ein Reißverschluss zieht von beiden Seiten der Wald sich
um den schmalen Pfad enger zusammen und drückt
mir den Atem heraus aus den Lungen und drängt mich hinunter
in das klaffende Schwarz, fort vom hoffenden Weg.
Brüllender Abgrund umhüllt mich, umklirrt vom Splittern der Sterne.
Wogen des Horizonts branden von fern an die Stadt.

Wie ein Kind,
das an der Unterseite seiner Zunge saugt,
um ihr den größten Batzen Speichel abzupressen und hinauszuschleudern,
sucht die Luft nach Nebel.

Wirft der Herbst mir mit Macht seine Wogen in den Kalender,
braust er die Blätter hinweg, spült er den Boden davon,
dass die Realität mir unter den Füßen verrutscht;
dass der Monate Spur sich in den Pfützen verliert.
(Ich kann echt nix dafür, das ist allein der Oktober,
der mir so viele Tweets voll mit Distichen stopft.)
Heimlich spekulier ich vielleicht auf metrischen Vorteil:
Wenn ich den ganzen Kram halbwegs geschickt formulier,
taugt er womöglich als Material zum Analysieren,
etwa für die Klausur am Ende des Wintersemesters.

Abend samtet die Gehsteigklingen.
Alle Schärfe zerschmilzt im strömenden Dunkeln.
Zwischen breitem Kreidegekritzel am Himmel
fassen erste Sterne den Mut zu funkeln.

Beinahe gleicht die Stadt sich selbst in den Tagen des Leuchtens:
füllt die Schatten mit Tanz, sättigt die Wege mit Rausch,
wirbelt mit kritzelnder Kreide den Himmel voll Wolkennotizen,
tut so, als daure sie an, während sie sich schon verpuppt.

Ich hoff mir einen Stern herbei.
Er sollte möglichst funkeln,
knistern mit tiefer Zauberei
und bei mir sein im Dunkeln.

Weihnachten weiter weg als je
dieses Jahr
je näher wir ihm gleiten:
Ein Träumchen
ein Schäumchen
ein Traumtannenbäumchen.

Adrift upon the waters of an autumn morning
amidst the surging fog with all its billowing foam
I listen through the storm of silence raging round me
I'm floating through the shadows towards gates unknown.

Müllbeutel pulsen quasi quallenartig auf den Böen.
Die Haltestellenmenschen folgen ihrem Flug gebannt:
Sie sehen, wie die Beutel ostwärts segeln in den Höhen
und dann und wann ein bunter Elefant.

Entlang der Straße schaukeln frisch montierte Türen
in Neubauten, die noch nicht tief genug im Grund verankert sind.
So driften sie noch viel zu hoch
über den Resten ihrer Baugruben im Wind
und flattern wie fast flügge Nestlinge in den Scharnieren.

Jemand hat Buttenbirnchen
in die Sträucher geschraubt.
Jetzt glühen sie rot vor Oktober
und leuchten November die Landebahn aus.

Halbmond, halbe Silbermünze,
in Abend-Einwurfschlitz gepresst,
damit der große Automat
es auch November werden lässt.

Heut hab ich Fastnovember-
Schmetterlinge gesehen
oder fast Novemberschmetterlinge.
Egal wie: erschreckend schön.

Odenstrophen auf Bestellung für Silke Horstkotte (7. Oktober 2021)

Leipzig zwingt Besucher sehr oft zur Umkehr:
Überall eröffnet die Stadt dir neue
Horizonte, und damit provoziert sie
Kopfbahnhofwenden.

Viele Bücher, Menschen und Anekdoten
kannst du dir aus Leipzigs Geschichte greifen;
doch nur einer in dem Gewusel bleibt dir:
Johann Sebastian.

Sacht und still entfaltet der Raum der Kirche
seine Weite, nimmt in sich auf die Mäntel
voller Menschen, die sich in ihm versammeln:
Jauchzet, frohlocket.

(Alternativer Schlussvers, falls man mit dem Chor noch nicht beim Weihnachtsrepertoire angekommen ist: "Te decet hymnus.")

In crouching wrinkles of the dark
the year is aging and crumbling apart.
Its heaps and piles of ashes grow:
remains of lost days. Yet down below
the heartdepths of fire still smolder and glow:
these are the ember months.

There may be May.
Sometime. Some day.
But before light returns
and new life comes,
we dive deeper into the ember months.

Beinah November

Nachts wandert so viel in die Luft:
der Duft nach altem Laub und tief erschöpfter Erde;
das Bernsteintropfen matt erglommner Fenster
und Sternenhimmel, der wie Bachbett voller Sommerkiesel tanzt,
während die Zeit rumort und rumpelt unter unsren Sohlen,
gleich Kopfsteinpflasterbrocken in vergangnen Straßen.
So viele Pfade, narbig von verworrnen Spuren,
die es zu suchen und zu wahren gilt.
So wenig Nähe – so viel Fernen.
Vielleicht versteckt in den Gedanken Ahnung von Laternen.

Auf den Weg getuscht,
rasch verwaschend im Licht
zwischen zwei Laternen
tanzt mein Schattenriss.

Verwesendes Fahrrad
mit letzter Kraft
an die Brückenreling gekettet.

Gluckergold, baumkronenniederwärts
Laubwerk hinab:
noch, vorletztes Mal noch
Oktoberstrom Morgensonne.

Allerheiligenabend

Nie leuchten die Blätter so flammend wie jetzt.
Den Hinterhofweg entlang schieben sich Gluten
wie im Zeitstrom verfangene Magmafluten,
jedes Blatt ein Schlotschacht für stürzende Blicke,
die Kanten noch klingenscharfe Tiefe
umschneidend, die zerrt, als ob sie mich riefe,
während ich all das schwallende, tosende Laub
mit versengten Sohlen durchdrifte
und schwebe im Rot, kaum gewahr meiner Schritte.
Mich trägt die Lust des gewärtigen
Vergegenwärtigens,
weil ich ja weiß,
wie unsere Füße im Ungewissen
all dies flutende Vollkommen abtragen müssen
und schreitend zerschleißen ins Nichts.
Bis schließlich vom knisternden glimmenden Treiben
nur winzige Glutkrumen übrigbleiben,
tief verkeilt im unwegsamen Klaffen
der Karstschluchten unter den Stiefeln.

In der letzten Oktoberviertelstunde
klettert der November in die Zwölfen
auf den Zifferblättern aller Uhren,
um dann mit dem Glockenschlag hinauszustürmen
und die Blätter von den Bäumen und Kalendern abzureißen.

— Zurück zum Seitenanfang —

November

Sonne im Gesicht.
Und Magmasprudeln unter den geschlossenen Lidern.
Letzte Bläter flirren ungeduldig im Geäst.
Reisefertig. Schon im Aufbruch. Schwebend mehr als fest.
Warten. Beben. Überlegen. Hoffen leise.
Und gelegentlich wagt eins sich auf die Brise für die letzte Reise.

Der Mond läuft aus
in Pfützen voll Milch
die sich schichten zu schimmernden Ringen
während ringsum die Sterne verklingen.
Darunter sinken in tausenden Häusern
die Kindern allmählich tiefer ins Träumen
in dem nur noch fern, in schwingenden Echos,
die Kugeln der Martinslaternen schäumen.

Die letzten Blätter flimmern an den Zweigen.
Die Luft frisst sich am Klang der Kirchenglocken satt.
Der Himmel sammelt Mut, um freundlich aufzuschimmern.
Die ersten Menschen stehen an den Fenstern, blicken aus den Zimmern
und freuen sich an Spuren frühen Leuchtens überall in ihrer Stadt.

Erlaub dem Laub, dich zu umgeben,
zu umtanzen, zu umschweben.
Steh still und breite deine Arme
dem Knistern droben weit entgegen.
Buntes Taumeln, Raschelfall:
Blattgewirbel überall.

Ease swirls up the air
as another year
gently dances towards its end;
as the trees fill their leaves
with so much love
that they morph into heavy gold
until their burden forces their trees
to release them
and watch them glide down
suddenly lightened
by the absurd pain of parting.

Was, wenn jedes Blatt
herabtorkelnd
an seinem Stiel ein feines, festes Tau
herauszöge aus dem Baum
das es mit seinem Zweig verbunden hielte
unzertrennbar felsenfest
und den Baum daran in der Umgebung
näher und ferner verankerte?
Die Fülle der Fäden
die da zu durchstolpern wären.

Kleckerherbst, Flüsterherbst, Wisperherbst,
rasch zu durchrascheln, bevor
das Knistern des Kleckslaubs
unter den Füßen zerschleißt.

Fühlst du deine Haare herbsteln
und am Skalpe dir ergrauen,
wird es Zeit dich mal genauer
dort im Spiegel anzuschauen.
Denn kein einziges ergraute!
Es erweist sich: sie erweißen,
um die dunkle Jahreszeit
mit Lichterschnüren zu durchgleißen,
bis der Schnee dann selber kommt.

Denken – gedenken jener die litten:
ihrer Qualen, Tränen, Schmerzen und Bitten.
Hoffen – noch ist es nicht wieder so weit.
Danken. Gedanken für unsere Zeit.

Auf einmal passen wieder so viel Sterne in den Himmel.
Dazwischen hängt die Nacht im tastenden Gezweig
und quillt im dunklen Fluten der Gezeiten,
das frische Galaxien uns durchs Fenster schwemmt.

Die Kälte knistert. Fast schon Frost.
Öffnet den Raum hinauf bis zu den Sternen,
so dass die Stille klafft
die Leere zittert in den weiten Fernen.
Hoch in den Häusern hängen Fenster, schwer von Licht wie Honigwaben, in das Mauerwerk emporgehievt,
aus denen all das Bernsteingold von Wärme, Glück und Nähe in die dunklen Gassen niedertrieft.

Each November night
I acquire
an aquarium filled with ink
feel its pulse
its black waves throbbing
when my palm rests
on the pane
that separates us.

Vielleicht kratzt tief verborgen in den Wolken schon der Schnee am Horizont.
Womöglich übt auch nur der Nachbar zwei Stock tiefer Cello.
Ich spüre, wie sich etwas einzudrängeln sucht und näher kommt.
Deswegen schließe ich das Fenster und versteck mich hinter einer zweiten Schicht Labello.

Wenn du aufhörst, die Uhren zu düngen
kann keine Zeit mehr wachsen.
Sie schwillt an den Halmen der Zeiger
reift das Zifferblatt empor
und zieht dann sekundenschwer
deren Stengel wieder herab
zur Hälfte
zur Gleiche
des Stundenjahrs.

Frost durchspinnt die Luft
mit Reiffäden und Kristall.
Weit draußen im tiefen Morgen
der noch nicht Advent sein darf
träumt, den Schnabel voll Lied, eine Novemberamsel.

Die Meisen rütteln an den Knödeln.
Die Thermometer wackeln zwischen warm und kalt.
Die Sonne ist zu schüchtern um sich durchzudrängeln.
In Supermärkten stapeln sich Lebkuchen neben Engeln.
Durch die Kalenderblätter ziehn sich tiefe Falten. Denn das Jahr wird alt.

Chamäleone sitzen in den Türen.
Die Zeit schiebt ihre Adern durch die Wand.
Im Tunnel malt die U-Bahn Fragen in die Fensterschlieren.
Der Badezimmerspiegel naht dem Wannenrand.

Corona wellt sich.
Das Leben dellt sich.
Die Sonne stürmt.
Man unterhält sich.
Nicht blendend, nur so grade eben,
während die Spinnen weiter weben.

So dunkle Luft,
in der die Blätter leise wimmern
und sich das Schimmern all des Laubs
nur still enthüllt.

Syrup sun, molasses light!
Weave and tangle through the branches
all your viscid strings of bright
all your dancing threads and fibres
plait them through my line of sight,
those sticky hawsers holding me,
streaming, flowing, gluing, glowing –
my anchors in reality.

Der Duft der Konditoreien
tupft Spuren in die Luft,
die wirbeln, schweben,
sich zwischen meine nebelklammen Finger legen
und dort in kleinen Klecksen aus Erinnerung hängenbleiben,
aus Zimt, Kakao und Kardamom.

Wogend im Leuchten der Straßenlaternen
brandet mir zu das Gezeitengezweig.
Auf Asphalt getuscht von den Stadtviertelsternen,
schwappt seine Fluttinte über den Steig,

Beschützt vom Dunkel sing ich leise
das Weihnachtsoratorium
ganz vorsichtig, nur zeilenweise
adventswärts in die Dämmerung.

Noch ist die Kälte nicht verwildert.
Noch knurrt sie nur verspielt und zart
und hält die scharfen Klingen ihrer Krallen,
tief in den Arsenalen ihres Leibs verwahrt.
Noch kose ich die Kälte, lass sie mir
durch meine Finger gleiten wie ein kleines, weich bepelztes Tier.

Warum uferst du so sehr, Nacht?
Schwappst Novembergezeiten herein,
deren sirupzähes Gedunkel
sich mir zwischen die Wimpern schiebt.

Wie Brausepulver knistert Regen im Gebüsch
und morst den Schirmen schüchtern Briefe und Depeschen in die Häute.
Gebirge aus Verlornem schichten beidseits sich am Gehwegrand im Gras.
Du suchst.
Jetzt denke dir den Augenblick ins Weite
und well ihn aus,
bis die Sekunden über ihre Grenzen quellen und zerfließend zueinander finden,
bis Tropfen sich zu Schnüren in die Höhe wirken und dich ihr verbinden.
So schweben wir durch diesen Abend in Kokons aus Wolkenseide,
im Gespinst aus Marionettenfaden,
der uns nicht gängelnd lenkt, doch tröstend fasst und hält,
damit wir Sinn ersinnend wandeln auf Novemberabendpfaden.

Wenige Dinge so quellend von Wunder wie diese:
Laubbunt, verstreut überall in der Weite der Wiese
wie ein Leben, wilde Batzen von Zeit.
All die Augenblicke, vom Zufall verschleudernd verschenkt,
der sie achtlos fleddernd hinein in Menschentage lenkt.
Wie leicht verlieren sich unsre Gedanken
in Strudeln aus Farbe und Form!
Um sie wiederzufinden,
ist es an uns, der Momente Wirrwarr zu binden,
indem wir die Blätter mit Blicken sorgsam durchpflügen
und Ordnung hineinerkennend
zu Mosaiken sie fügen.

Der Nebel legt mir Altlaub vor die Schuhe:
ein Herz voll Kerben und ein Schiffchen im Verwittern,
die nicht mehr ganz zur Gegenwart gehören und vom Luftschwall eines eiligen Passanten im Vorüberhasten leise zittern.
Fast hätte ich sie aufgelesen und in meiner Hand gewiegt.
Schwer fällt es mir zu packen mit Gedanken, dass das, was da vor mir liegt
vor grade einem Jahr noch nicht einmal den Himmel und das Licht gesehen hat
und jetzt schon wieder so vergangen und verlassen sein muss, jedes einzelne verlorne Blatt.

Ich wünsche mir so viel mehr
als nur einen
reinen Kalenderadvent,
der weit weg irgendwo passiert.
Den man höchstens
am Knarren der Türchen erkennt.

Verpuppt in kleine Holzbudenkokons
noch schlummernd
pulst schon Advent
unterm Dom auf dem Markt.

Advent stippt seine ersten Spuren in die Stadt,
als ob er mit den Zehen tastet, um zu prüfen, ob sie sein Gewicht schon tragen könnte:
Versteckt am Stephansplatz ein kleines Karussell mit bunten Pferdchen,
sammelt den Sehnsuchtsduft nach Lebkuchen und Mandeln vor den Bäckereien
und drückt das Nebeldunkel tief hinab wie einen Stempel,
damit es sich uns einprägt in die Seelen.
Dass wir das Licht erkennen können, wenn es kommt.

— Zurück zum Seitenanfang —

Dezember

Ich kann nicht ganz verstehen, wie Advent sein kann.
So unbegreiflich lebe ich in ihn hinein,
vielleicht zu leicht an ihm vorbei.
Ich suche, warte, wäge, zweifle, frage,
taumle erschöpft, kaum schöpfend durch die einzelnen Kalenderblätter seiner Tage
und greife kaum die Augenblicke, um zu hoffen und zu halten,
um Wachsendes im Winzigen ein Stück weit zu gestalten;
um Zeit nicht zu verschenken,
sondern sie als ernste Gabe
mit Freude zu erfüllen und dich dann
aus ganzem Herzen damit zu bedenken.

Make Advent an adventure.
Venture to vent your life.

Ten doors and counting. Advent
is a mathematical exercise regime.
Multiplies markets, treats, temptations:
so manifolds beyond my origami skills.
Subtracts that ordinary anyway
by sprinkling booths brimming with gingerbread, toys, artisanal ornaments, mulled wine,
candles and jewelry and knicknack over town hall squares.
Richly dividing cans and woulds: the adept foam of stagers
and then the silent yearners underneath.
And adding burdens, all that wasting love in darkness.
How can this equal anything.

Grobgeschnitzt:
das herbe Jesuskind
in der zugigen Krippe im Hauptbahnhofzwischengeschoss
spätabends umglitten von Bahnhofstauben
wie von Promenadenmischungen
aus räudigen Engeln
und Schafen.

Nicht alle Sterne glitzern im Advent.
Manche davon kleben nur stumpf und beinah unsichtbar
im Samt des Samstagabends
hinter den Fensterscheiben einzelner verlassner Klassenzimmer:
wie ein Traum
von fernem Funkelhimmel voller Galaxien,
der sich im kalten Glas verfangen hat —
ganz nah mir schon
und doch unfassbar.

Night sludge is sliding from the sky in masses,
thudding on our roofs in heavy lumps.
Its goo cocoons the world: winter molasses
that turn the cities into darkness dumps.
Enshackled in these chains we yearn for love
and grind our yearning gazes on the endless starlessness above.

Noppen und Rillen,
Stollen und Wellen,
Fußspurenschwellen,
eingepresst tief ins Bürgersteigeis
wie Knäuel aus Pfaden mitten im Weiß
und nun nicht mehr von meinem Weg zu trennen,
so dass mir meine Blicke drüber stolpern können.

Die besten Wege führen durch die Hinterhöfe
abseits vom Poltertosen all der großen Straßen:
durch enge Durchschlupfwinkel und versteckte Gassen,
wo in den Ecken Abgründe sich sammeln vom Adventsnachtdunkeln,
damit die Sterne hoch darüber umso klarer funkeln.

Auch zum Advent gehört an manchen Tagen
in dunkelfrühen Morgenaugenblicken
das zögernde Erschauern
das entsetzte Grauen
wenn für den Tag kein Türchen im Adventskalender zu entdecken ist
so dass er ein paar Atemzüge lang herausgefallen scheint aus aller Zeit
und gar nicht existiert, bevor
er überhaupt beginnen kann.

The night snow knows no darkness
only quieter
more silent forms of light.
It offers them in lessons
for me to take to heart and soul
while balancing my bicycle ahead
through shards of frozen mud
as if along a dancing tightrope
as all around the narrow forest path infinites itself.

Der Nachtschnee kennt kein Dunkel,
sondern lehrt mich leuchten:
Der Waldpfad verunendlicht sich um mich.
Und unter jedem meiner Atemzüge
schäumt Zeit auf, knistert, lagert sich zu Archipelen
die ich durchgleite, glücklich, abenteuerlich.

Sight written in white:
the wide pure light and my loving gaze
are glazing the hills
are filling the fields,
rift by rift, tear by tear,
till they spill across the horizon.

Ich fädele leuchtende Atemkugeln
in erste Priele flutenden Lichts
zwischen gefrorene Schatten.

Erzengel stellte ich mir früher
(und manchmal immer noch)
vor mit Posaunenschallestimmen
wie chöreweise bronzene Kirchenglocken
oder millionenweite Kranichscharen,
die einen ganzen Himmel querend füllen.

Midwinter Midstream

Longest night of deepest darkness
gapes abysses round the stars:
swallows into infinite chasms plummeting sleepers full of scars.
Prayers tingle in the headwind
of the rolling carapace
to which we entrust our plunging
towards space's wide embrace,
as we, hopes so far astray,
drift into a new light's day.

Raureif ist ein kleiner Luftmoment,
in die Zeit hineingehängt wie Christbaumkugeln.
Eingerastet schwebend am Gedankenfaden
dreht es sich im Hier und Jetzt.
Und im Drehen
lässt es mich sehen,
wie der Morgen knistert unter meinen Sohlen,
wie die Wiese glitzert unter hellem Glas.

In flammenden Kaskaden
quillt Licht herab aus fernen Fenstern
züngelt und flutet abwärts die Fassaden
und sammelt sich in Pfützen voller Glitz- und Glänztern.

I'm sending out herold thoughts, messenger thoughts
into the thickets of dawn yet to come,
to gather and garner what has been wrought
deep inside the night and its velvety hum.
Glittering wishes and shards of crushed hopes
crackling under the steps of their soles;
marking the path
lining the way
into the dawning Christmas Day.

Manchmal bemerk ich dieser Tage,
wie mein Verstehen von den Menschen abrutscht
und sich im übrig liegenden Gesplitt des Bürgersteigs zerstreut.
Was reißt ihr euch das Licht denn jetzt schon aus den Leben und den Seelen,
wo nach dem dunklen Warten des Advents das Leuchten gerade erst begonnen hat?

Höflich lüpft sich das Hinterhofgebüsch
und schwappt
schwallweise Meisen
Geländern und Fenstersimsen entgegen.
So dass es mir
mitsamt der Nachmittagsbrandung
eine Kohlmeisenkugel auf die Stuhllehne spült
ganz aus Versehen
durch die sehr absichtlich sehr weit offne Balkontür
zwischen Nachmittag und mir.

Rime won't rhyme
with August days:
instead it purls its rugged refrain
into frosted December sunrays,
around each leaf stanza
still defending its green
against biting air.
Leaves with diamond teeth
bite back
frost-frightened
till I tame and rein them
with the warmth of my breath.

Frost ist
wenn der Luft Fingernägel wachsen
Krallen zum Reißen
und Klauen zum Kratzen.

Hoch hinaus ins weite All
im Gezweig des Kirschbaums
trompetet Sirius seine stillen Fanfaren
in sehnende Sehen,
ins Augenblicken aller Menschen,
die ihm zu lauschen wagen
hier unterm hohen Gewölbe
der Kathedrale dieser Winternacht.

Ich wünsch mir Klarheit in die Luft
statt Schmutzgedrecks vom alten Jahr
und ferne Blicke (Zukunft ruft!)
statt Hustenebel, der im Supermarkt noch übrig war.

Menschen warten auf ein Jahr
und haben doch schon eines.
Ist es Gier, stets noch und noch
ein weitres zu verlangen,
wirklich weiter, größer, länger
als das jeweils letzte war?
Lassen Jahre sich so heftig
hierher zu uns herbeierwarten,
dass sie gar nicht anders können als zu kommen?
Oder zappeln sie verzweifelt,
schwömmen lieber weiter frei im Strom der Zeit,
warten selber längst darauf, dass wir
unsre eigne Zeit entdecken und gestalten
die wir längst schon tragen, haben, halten.

Der Fahrtwind dieses alten, viel zu vollen Jahres
füllt mir die Ohren tief bis fast hinein in die Gedanken
und stapft mir aufgeregte Wirbel auf mein Trommelfell.
Ich krempele ihn ab,
um unter seinem strudelnden Getose aus mir fort hinauszulauschen in den neuen Morgen
und seine Möglichkeiten.

This New Year's Eve
is determined
to enjoy herself
without waiting for
her New Year's Adam.

Danke für alles, was gut war und schön,
für Freude, Lachen und Glück.
Danke für Tränen, Kummer und Schmerz,
für alles Voran statt Zurück.
Danke für die, die hörten und sahen,
für Weggefährtengedanken,
für die Menschen im Zimmer gleich nebenan,
fürs Halten in meinem Schwanken.

Im neuen Jahr
mehr neues Ja
als altes Nein.
Und: Glücklichsein.

— Zurück zum Seitenanfang —

Tageszeiten

Tagungen,
Nachtungen,
Morgungen und
Abendungen.

Morgen

Ganz früh am Morgen
lass die Stille klingen,
in der so viele wunderbare Möglichkeiten noch verborgen schwingen.

Distant church bells knocking on a new day
stir the sleepy night that yawns a splash of rains.
Streetcars hum as they collect their morning loads of people pollen,
while the bridge unfolds across a strand of trains.

Der Samt der Dämmerung, noch wartend, füllt den Raum;
ich spüre meine Augen seinen Flor betasten
und durch die Lider lauschen, wie in seinen matten Glanz
der Fadenscheinbrokat noch eines letzten Traums sich wurzelt.

Wenn der Sturm
die Bäume zertobt hat,
wird es Sache des Morgenlichts sein,
sie wieder zu entzausen.

Morgen knistert.
Regen verheißt
voll leuchtender Fenster
den Tag, unbereist,
erst noch zu erkunden
erst noch zu durchsteuern
noch zu füllen mit Funden
zu beabenteuern.

Im ersten Regen, Welten vor dem Morgenschimmern,
ruckelt das Wirklichkeitsgefüge noch verstohlen jäh.
Wo es die Kanten zwischen Abgrunddunkel und den Krumen des Laternenlichts betupft,
geraten sie ins Flimmern,
so dass verungewissert sie erbeben wie die kabbelige See.
Sacht prüft es mit den Fingerkuppen lose Plattengrenzen
und tastet tief hinein in die Tektonik im noch ungebornen Tag,
mit jedem Regentropfen ihn erschütternd, fragend,
wie er sich ineinander und zusammenfinden mag.

Es gibt viel zu entdecken
in Winkeln und Ecken.
Gerade früh morgens.
Gerade dann,
wenn die Welt ringsum noch so müde scheint,
dass sie noch nicht einmal gähnen kann.

Soles have been wriggling
along this path,
swimming traces
into white grainy ground,
trailing their trails among the souls:
snowy cemetery.

Die Nacht so still
dass alle Welt auch schweben könnte
die Stadt mit aller ihrer Masse leicht wie Seifenblase rings um dich.
Lausch weit hinaus.
Spür nach dem feinen Zittern und dem sacht sich regenden Erbeben
der zarten Schwebehüllen, die sich um dich legen.
Sie tragen Dich ummantelnd wie in tiefen Taschen
in das Wohin eines noch kaum geborenen Tags.
Komm: gib dich hin.
Und lass dich überraschen.

Lange bevor du anbrichst, Morgen,
lad ich dich tief in mich ein,
mit vollen Händen, längst vor dem Licht,
um bereit für dein Leuchten zu sein.

These early mornings are bitter and soft
as clusters of dreams cling to my eyelids like grapes
while others still orbit
somewhere inside, like juggled worlds.

Der frühe Morgen schwebt voller Begegnungen und Gedanken.
Lauter Zufallstreffen mitten in der Luft, wenn Sturm und Dinge oder Wesen aufeinanderstoßen
und einander wortlos tönend grüßen,
so dass berauschtes Morgendunkel all diese Begegnungen erfährt und plappernd flüsternd dröhnend weiterträgt
erzählerzählerzählend in die unsichtbare Ferne.

Daylight still hesitates,
then gets in line
behind a swirl of clouds:
it’s first their turn to shine.

Noch schwebt das frühe Licht wie Wasserspiegel weit im Oben
während wir eingewühlt im Nachtschlamm auf sein Niedersickern hoffen.
Die ersten Vögel prüfen schon, ob Luft ihr Rufen trägt.
Mein Fenster steht weit offen
und wartet auf das Strömen dieses neuen Morgens voller frischer Zeit.

Ich mag es
vom dunklen Zimmer aus
dem Morgenhimmel beim Nachdenken zuzusehen
bis er sich schließlich entscheidet zu leuchten
und Mut zu sammeln.

Ein Morgen wie der Spiegel
halbhoch
in einer vergessenen Flasche
stillem Mineralwasser.

Stille blüht in den Morgen.
Die Schneepflüge schlummern,
denn die Wege wurden schon gestern geräumt.
Am Fenster vorbei segeln einzelne Flöckchen —
von den Zweigen oder direkt aus den Wolken?
Als ob der Himmel versunken noch träumt.

Die erste zarte Ahnung Morgendämmerung:
als ob mit wassernassem Pinsel wer
einmal quer durch die Nacht streicht, dass
das Dunkel droben sich verdünnt und fließen kann.

Der Horizont beginnt zu gähnen,
dass man ihm tief bis in den Rachen blicken kann.
An hohen Häusertürmen schimmern schon die Fenster.
Die Straßen sammeln sich.
Ein frischer Tag fängt an.

A morning trickles into being with the gentle stubbornness of melting ice.
Birds’ voices surge into my chamber
melt the walls away
and merge the verge of dawn and dream with new horizons.

Die ersten Vogelstimmen, jede kleiner Schwall von Licht,
hinausgegossen in den Morgen.

Amsel singt
(noch leicht benommen).
Morgen dringt.
Der Tag kann kommen.

Vergnügt grinst sich der Mond
empor in den Morgenhimmel.

Schimmrig rund lag Mondmünze mir in den Fingern:
hab sie gestern Abend in den Himmel eingeworfen.
Klirrt und klackerte hindurch die ganze Nacht.
Hat sich vorwärts durch sein Räderwerk geruckelt,
so dass Himmel mir heut morgen Blau und Sonnenlicht entgegenspuckelt.

Wie eine große Schimmermurmel
rollt Morgenmond mit meinem Zug den frühen Tag entlang,
so hoch verträumt in seiner weiten Bahn,
dass er dabei das Kullern ganz vergisst.

Ganz oben hoch auf einem Wolkenbausch der erste Atem Licht und Tag.

Budding sky
light still shy
rose petal pellicle
heralds angelical
blossoming day
swelling our way.

Early.
So early that
reality has not entirely finished putting, pushing all required props and scenery into place.
The little station grocery store yet to be loaded with baked goods
from the bizarre red coral reefs of plastic trays on trolleys;
the streets with vehicles; the pavements with their cargo of pedestrians and cyclists;
the sky with light, my soul with glow beyond its now.
Furtively trespassing I sneak through interdicted territory,
reconnoiter
the backstage hold of an emerging day.

Die Woche rutscht ins Licht,
berauscht von Regen,
der sich in den Morgen legt
und Frühe, Frische, Kühle, Meisenzwitschern fest verklebt.

Jedes Blatt grüner Tropfen — so rauschen im Schwall
um mich Morgenlichtbäume als Wasserfall.

My bed is my boat.
I set sail
for the day
and entrust myself to the carrying waves
and send myself drifting on whispers of rain
out into an ocean morning
out into the unexplored space of today.

Das Licht entrollt sich übers Firmament,
verfängt sich im Gezweig,
bleibt in Gesichtern leuchtend hängen
und fügt wieder zusammen,
was die Nacht getrennt.

Schau mal: Licht.
Dahinter fest umrissen
die Morgenschatten auf der Wand.
So klar in ihren Grenzen.
Auch meine eigne Hand so klar, dass mir ihr Umriss Sicherheit verspricht.
So deutlich, dass ich meiner Gegenwart gewärtig sein
und mit ihr leben kann auf Sicht.

Square by square the morning sun
sticks its post-it notes on my wall;
each a task to play
an errand to run
an adventure to plunge in,
splash about and have fun
a story emerging
a thread to be spun:
all the joy of a waiting day.
My call.

Listen, listless listeners and listers:
list towards the luring luster of this morning.
Now get out and play!

Morgensonnenpausenknopf
in den Horizont gedrückt
lässt Kamindampf stillehalten,
lässt den Montag sich entfalten,
und ich blicke, ruhig beglückt.

Swimming with Whales

Parting the glistening glass expanse of morning,
weaving their weft paths through its warping current streaks
the bulky house whales glide in pods of brick and mortar:
hovering through sun-lit ocean under mounting azure peaks
their roofs aloft
their windows drinking
in eager gulps the krill of light,
swallowing, swilling the bright swell
swigs of infinity streaming
through blind baleens
all-seeing, open wide.

Und die Morgensonne,
aufs Dichten erpicht,
kritzelt hindurch durch die Malvenblätter
ein Morgensonnenlichtgedicht:
die Wäscheleine entlang
auf die Wand,
auf meine Brust
und in meine Hand.

Man rutscht so hinein in den Morgen,
man lässt sich so gleiten ins Licht,
man lässt sich die Sonne so flutschen
vom Weltall hinein ins Gesicht.

Es klopft. Und draußen steht der Morgen,
um von mir etwas Zeit zu borgen.
Ich tret ihm Schritt für Schritt entgegen,
spür ihn sich regen und bewegen, entfalte mich, so dass er dann
mit Licht mich überspülen kann.

Ich taumle in den Morgen wie auf einer Luftmatratze zwischen Strudeln,
ungesteuert
und noch verklebt in zähen Fäden Finsternis und dumpfer Unaussprechlichkeit der Nacht.

Der Morgentau klebt in den Wegen,
zurrt jedes Staubkorn an den Kieselsteinen fest,
beperlt die Halme wie geheimnisvoller Regen,
der all das Licht sacht bis vor unsre Füße gleiten lässt.

— Zurück zum Seitenanfang —

Abend

Schwer von eben erblühten Gedanken und durchsummelt von Hummeln hängt
der Abend hinab in den Bach,
rollt sich im Schluckauf der Gurgelwellen,
scheint im Leuchten noch einmal zu schwellen,
und plustert den sausenden Schwalben
Büsche voll Fliederwolken nach.

Abendsonnenglut ist Magma,
einmal durch die Stadt gespuckt,
bis der glutumtoste Himmel
es dann schließlich runterschluckt.

Abend: Gold vom Horizont,
mir durch die Lider gegossen.

Ein Tupfen grauer Tinte, der das Mauerwerk bekleckert,
der in die helle Fläche wuchert und sich wieder löst,
dann plötzlich einen Meter schräg darunter weiter wächst und döst:
so kleckst, mit weit mehr Kunstgenuss als Sachverstand
die Fliege ihren Schatten abendlichtvergnügt an eine rau verputzte Wand.

Wenn Abendsonne Honiglicht
nieder auf die Dächer seimt,
lausch, wie sie den Tag im Gleiten
mit der frühen Nacht verleimt.

Wie ein Schwarm Himbeersaft
in den sich Tausende von Rosentropfen schwindend lösen
schwebt eine Schimmerwolke tief im Abendhimmel, der die Stadt beschmiegt.
Ich tauch mit vollen Augen in ihn ein und spüre
dass er mit ungezählten Flügeln unruhig flatternd
sich in uns schwemmt und bis ins Innerste der Seelen biegt.

Der Schatten eines Busches platzt und spritzt
ein schwarzes Feuerwerk über die rau verputzte Wand.
Noch faucht das Tagesschimmern ihm entgegen, das in allen Ritzen sitzt,
das Beerendunkel aufsprengt und durchblitzt,
um schließlich doch erschöpft hinabzusickern in den Sand.

Ein Tag, wie auf die Stadt gekleckst,
ganz ohne Naht und Falten,
sackt ein ins Mauerwerk und wächst,
während du Blicke in ihn steckst,
um hindurch durch sein Erkalten
frische Pfade zu erhalten.

Im Abendgegenlicht flammt Saum aus Feuer
um jedes Buchenblatt herum,
als müsse jedes sich seine Gestalt
noch einmal fest einprägen,
um am nächsten Morgen wieder zurück
und hinein in sie zu finden.

Die Zeit der tiefen Sonne ist die Zeit zum Finden:
die Zeit, um Seidenschnurgespinste aus der Heimlichkeit herauszulocken und ans Hier zu binden.

Im Abendlicht quellen die Schatten
und sickert all die Nacht hervor
die sich eingenistet hatte unter den Kieseln
so dass sie stolz zu schwellen scheinen
und ihre Felshaut fast zerbirst.

Der Himmel faltet sich nieder zur Erde,
dass Kühle quelle. Dass Abend werde.

Nur ein Streifchen Himmelslicht schimmert
zwischen Obenwolken und Horizont:
fein wie Seidenpapier, auf Spalten eines dunklen Bogens Tonkarton geklebt,
um den Laternenschein mit Farbe zu füllen
und auszusenden in die Nacht.

Sun, screwed into the horizon
like a giant orange light bulb.

I remember the song of vibrating metal
as I watched the fine blade of the moon
slicing across the dusk
a few nights ago
until sky fell apart
and the stars kept and kept spilling
out from the slash
in infinite avalanches.

Scharf schabt die Sichelklinge des Mondes sie in Spänen herab,
und die Abendkühle versickert in meiner Haut wie Tropfen in durstender Erde.

Der Abend schwingt als angezupfte Saite,
die Resonanzen in ihr Beben mit sich reißt;
erschüttert sich ins Grillenzirpen und in der Mauersegler Sehnsuchtsschreie in die Weite,
ins Flackern eines Glühwurms und ins Bauschen der Gardinen,
bäumt sich ins Wipfelrauschen auf und schwillt zu Wogenkämmen still erbrüllender Lawinen,
die machtvoll sich bis in die Träume stürzen,
deren zerzauste Schattenschar geduldig
mäandernd in den Warteschlangen um Millionen Menschen schwebt.

Moon snail
pouring shell trail
shimmering path through stars and dark
as you roll, enormous marble
through the night sky's cloudy veil
your mysterious scribbled arc.

Basking moon is swimming westwards,
feeding on the evening light:
gliding open-mouthed and leading
our eyes towards the bright.

Millimeterweise futternd
schiebt sich Mondmaul abendwärts:
gleitet, ruckelt, schwimmt und zuckt;
schlingt und schlürft und saugt und schluckt.
Hetzt sich nicht, braucht nicht zu laufen,
sondern kann gemütlich saufen.

Cursormond rutscht über Himmel.
Sucht Icon.
Doppelklick:
Nacht.

Mond, mal mehr, mal weniger,
kullert sich durch Milchlichtpfützen
zwischen Knäuelwolkenritzen,
rubbelt in der Wolkerei
Sterne fleckchenweise frei,
senkt sich in den Himmel hier
wie ein Bleistift, den ich wende,
mit dem Ratzefummelende
auf ein Riesenblatt Papier.

Grinsekatzenmond
wie missratenes Bürokonfetti
mit stumpfem Locher aus dem Firmament geknipst.

Der Mond hängt sichlig dort im Abendhimmel
als heller Bogen eines Fingernagels
der weist ach-wer-weiß-wohin

Der Mond sitzt tief im Wisperlaub der Pappeln,
so dass die Blätter um ihn, mondgekitzelt, kichernd zappeln.

I watch the shadows sprawling as they grow
so heavy, that the trees can’t hold them any longer.
I see them gliding off the leaves,
spilling in silent rivers
from rifts in rolling barks,
gathering in the wide bowl of the meadow
until they're brimming over,
spotting my fingers with their ink.

Pluck your strings
my shadow puppet
dance across the cloth of gleaming street
ere evening's billow flushes you
down the horizon
from whence you will ride
back on morning's waves:
salt grains are pirouetting through our nostrils
to herald the huge roaring tidal bore's approach.

Jetzt, da ein weitrer Himmel voller Farben in die Erdenschatten eingeschmolzen ist,
warte ich, dass die Sterne aus dem Dunkel oben in die Finsternis um mich herunterrieseln,
sich in die Ritzen zweifelnder Gedanken klemmen und am Grund des Bachbetts sammeln zwischen Kieseln.

Es ist unmöglich dem Tag
ins stille Verstummen nachzulauschen
weil der Abend voller Musik schwebt
weil die Nacht
mit all ihren Stimmen zu singen beginnt.

Bettgehzeit ist jene Stunde,
wenn die Betten zu wandern beginnen
und ihre Menschen ins Freie tragen
ohne dass die sich im Traume besinnen.
So gehen die Betten, drehn ihre Runden,
um sich entdeckend zu erneuern
und mit sachtem Matratzenknarzen
aufzubrechen zu großen Abenteuern.

Morgen wird der Tag länger sein.
Morgen passt ganz bestimmt mehr hinein,
denk ich mir abends. Und hoff in die Kissen,
dass dem Zifferblatt Extrastunden sprießen.

Noch einen Fensterblick lang Leuchten auf die Dächer ausgegossen,
wie aus vollen Händen überquellend die Wärme einer Schale Tee.

Himmelstinte ausgekippt
zu Pfützen hoch im Blau:
wachsen übers Firmament
während Abendamseln zetern
und hierdadort überall
blubbern Sternenbläschen hindurch.

Ich wickle mich in einen Wasserfall.
Ich lasse seine ganze Macht mich mit sich reißen und mein Krümchen Leib umhegen.
Ich fülle all mein Lauschen mir mit seines Rauschens Überfluss und Flutgewalt:
So gebe ich mich hin und treib hinweg.
So liebe ich das Einschlafen bei Regen.

— Zurück zum Seitenanfang —

Nacht

Funkelsterne
Dunkelferne
Nacht unendlich weit.

Nachts verschwinden die Häuser
schmelzen ins Dunkel hinein
und müssen sich, damit Tag werden kann,
aus dem Sog des Dunkels
erst wieder befrein.

Überall schwebt Schrift in den Straßenleuchten: Striche und Punkte, ins Dunkel gemorst.

Grell wie eine Fluchtlichtstrahler kippt der Mond
sein Licht mir durch die Jalousielamellen, ganz gezielt.
Ich stell mir vor, wie draußen in dem Schein wer Fußball spielt,
während rundum Oktoberhexen aus der Wiese quellen.

Die Nacht duftet wie von noch nicht ganz entschlossnem Regen,
der im Nahen zögert, sich der Stadt so einfach in den Schoß zu legen.

Die Nacht hat zu sich selbst zurückgefunden:
dunkel, kühl und ruhig.
Nur sacht durchknistert von Milliarden Sternen.

Night
full to the brim
and foaming with stars.

Die Straße schweigt hinter der Glashaut meiner Scheibe. Dunkle Ruhe.
Ich klappe die Balkontür auf wie Schatzsucher den Deckel einer Truhe
und stell mich auf die Zauberstelle –
auf die Schwelle,
um dort den Wirbelstrom der Nachtgezeiten klar zu fühlen:
spür durch empor gereckte Finger warme Luft voll Bücherduft hinaus ins Freie gleiten
und rund um meine bloßen Füße Frostflut in die Stube spülen.

As the hours soften and melt
into pools of darkness and waiting
I lie and listen to the surf of moments swashing through my soul
in pulsing beats of rippling motions
disturbing, shifting granulets of notions
like saltwater that flushes streaks of beach
as they balance and hover between sea and land:
embedding our toes and soles
like sprawling roots in grains of sand.
So I sink deeper in the sediments of myself, into the ground;
hoping for someone sounding
as I'm waiting to be found.

Durch die Nacht gespannt
die Notenlinien wie Wäscheleinen
damit all die Klänge und Geräusche einen Streifen Raum
zum Klebenbleiben und Zusammenfinden haben.

Nachtodem. Gleitest durch meine Kehle hinab,
wo ich dich nicht mehr fühl. Flutest
aus mir ins Freie, in deinen Wogen
Traumheringsschwärme.

Dunkeldecke, Dunkeldecke
aus Nachtwolle gefilzt,
umsäumt von Atemwolken,
verschlingst und verschwindest du
die Sternenlichtfäden
in deinem dichten Dunkelmund:
umwickle mich, umwickle mich.

Infinite ink of night
splashing through my mind
flushing dark foam over
fermenting dreams.

Full of song sounds the night
full of airs the air:
plucking chords
playing arpeggios on the rain harp
that it keeps stringing
thousands and millions of times
every moment
imperfection
in perfect tune.

Unmöglich zu schlafen und unbewegt
beleckt von der Bettdeckenzunge zu liegen,
wenn Gedanken wie Mücken noch unentwegt
mich durchsummen und Slalom durchs Zimmer fliegen.
So wache ich sinnend mit allen Sinnen,
kaue die Nachtluft in würzigen Happen
und spür in den Fernen weit um mich herum
die Milchstraße sachte gluckern und schwappen.

A lump of orange glow is hovering in mid-night
like a hot air balloon, suspended in a pocket deep between the hours,
a drop of fire floating in a husk of saffron hue.
As one by one the fingers of my senses furl around it
I know and do not want to know
and therefore wrap that knowing in abundant layers of imagination
to turn this lonely lamp up in a room beyond the surging abyss of the street
into a beacon, travelling
towards all sleepers navigating oceans of despair
tonight
towards the morning.

Die Nacht spielt.
Die Nacht lebt.
Spült ihr Knistern,
Geschichten verheißendes Flüstern,
spinnt tanzende Tropfenseide geheim
durchs offene Fenster zu mir herein,
damit meine Träume wispern.

Kleines Aufglucksen
draußen im Baum,
wenn die Eichhörnchenkinder träumen.

Krähenlebendige Tintenkleckse
sammeln sich nachts in den Becken der Nester
tunken sich tief in die Schwärze hinein
füllen die Federkiele mit Dunkel
um aufs Himmelspapier eines nahenden Morgens
das Staunen frischer Geschichten zu schrein.

— Zurück zum Seitenanfang —

Orte

Unterwegs

An elsewhere is always a spell’s where,
a well’s where:
abounding in paths and other ways round.
A shell’s where, just hatching,
a parallelswhere:
waiting to be discovered and found.

Begibst du dich an andere Orte,
treten die Regeln der Gabe in Kraft:
Du schenkst Sinne und Seele dem Anderswo
und erhältst für diese Begabe
neue Welt zum Geschenk.

Lauschst du dem Schlag seiner Schwingen,
führt kein Pfad dich ins Elend zurück.
Lass dir das Gelangen gelingen:
an Orte, zu Menschen, ins Glück.

Erinnerte Orte pumpen wie Herzen:
blähen sich weit
schrumpeln sich klein.
Doch pulsend im Pochen von Freuden und Schmerzen
pass ich in alle noch immer hinein.

Zur Münchner Demonstration gegen Rechts am 21. Januar 2024

Das Hier und Jetzt sind groß genug für uns.
Und wir sind alle: auch die anderen.
Zukunft zum Leben kann nur dann und dort entstehen,
wenn wir das Wir bedenken und für alle handeln.

Die Stadt hängt so voller Gespräche:
voll Austausch und Lauschen
voll Lernen und Licht.
In der Trambahn gedrängt,
Plakate verstaut noch zwischen den Knien,
die Kinder im Arm,
reisen Menschen und lauschen einander,
die willens waren, gemeinsam zu gehen,
die wissen, dass sie füreinander stehen,
die aussprechen und zeigen,
in der wackelnden Bahn,
was Menschsein und -bleiben umfassen kann:
Unbekannte, einander vertraut
im Entdecken, Erkennen und Lernen.

Unterwegs bin ich ohnehin immer
und wäre es eigentlich jetzt
mit den Tausenden, die widerstreben;
schritte inmitten des Stroms
mit ihnen die Straße entlang
für Demokratie statt Faschismus.
So aber soll es heute nicht sein,
denn wir sind zu unfaßbar viele,
um nur einen Weg zu gehen,
so dass unser Zug endet, bevor er beginnt.
Doch ich denke, womöglich
demonstrieren wir so noch wunderbarer:
unterwegs überallhin, statt nur im Pulk,
so dass die Pulse der Vielfalt pochen
wie Regenprasseln im Frühling.

Zur Lichtermeer-Demonstration für Demokratie
auf der Münchner Theresienwiese
am 11. Februar 2024

Ich bin ein Kind von Wandernden und vormals Fremden,
hinausgeschleudert aus den Welten,
wo sie einst hineingeboren;
die ausgespien ins Unvertraute Abschied nehmen mussten,
Trennung dulden,
sich sehnen, suchen, Schmerzen tragen,
um endlich ganzwoanders Wurzeln einzuschlagen,
durchpulst von Findeglück und Leben,
von Freudenfülle, überquellend, ein Zuhause zu erschaffen und zu geben.
Gemeinsam wandeln wir als Menschen hier auf Erden:
gemeinsam nur können wir füreinander Raum zum Wandeln werden.

In Kopfbahnhöfen stülpt die Welt sich ständig in ein winzig innehaltendes Entsetzen,
weil Züge, die hinaus ins Weite fahren sollen,
erst hinein
und ost- statt west- oder auch nord- statt südwärts gleiten.

Hauptbahnhof spuckt Züge aus.
Hauptbahnhof schlürft Züge ein.
Züngelt Züge, faucht und knattert.
(Ach, ich blieb so gern daheim …)

Den Horizon entlang
Alleebaumperlenketten, dunkel schimmernd,
wie Luftblasengirlanden ausgeblubbert aus
der Hügellandschaft wie von einem Wal.

Beim Reisen frühmorgens ist langsam zu spüren,
wie die Masse der Nacht träg zu schwappen beginnt.
Doch wenn meine Blicke die Tinte durchtappen,
wackeln sie noch wie ein ganz kleines Kind.

Morgenlichtfahrt
drumherum schwillt der Himmel auf
schwimmbadblau
zum eintauchen
schweben
gedankenbahnen ziehen

Wo ich wohl grad
am Hin- und am Hineingeraten bin?
Ich spür den Boden unter meinen Sohlen Wellen schlagen,
weil unter Oberbayerns Hügeln ebenso wie überall Geheimnisströme fluten und mich tragen
als kleinen Treibgutbrocken unter vielen.
Ich fühl um meine Zehen Strudel ungestellter Fragen spielen
und hör mich ratend waten in der weiten Flut.
Ich rate mich voran, hinauf, hinab, tiefer ins Hin hinein,
während ich hoffe, mich nicht zu verraten,
sondern dass mir's geraten mag, auf gutem Weg zu sein.

Hügel können mal passieren,
wenn die Landschaft im Vorübergleiten draußen einen Schluckauf hat.

Alpenhinzu, ammerseewärts
beginnt das Land zu blubbern
wirft Blasen auf
unterm mantelnden Laub
tief unter der blätterbeschuppten Haut
weiten sich Hügel
quillt Neues empor
um im Frühjahr sich frisch
in die Mulde des Himmels zu schmiegen.

Die Sonntagabendunterwegsität ins Anderswo,
bringt die Gedanken mir ins Singen,
doch macht mich nicht froh.

Raps auf die Hügel gekleckst.
Dahinter frisst Wolkengegrummel
das Licht weg und knipst
das Rapsblendgrell an.

Nie ist die Gerste so schön wie jetzt,
wenn die Grannen wie Schaum auf den Halmen schimmern
über gründunkler Tiefe
und jede Brise
mit den Fingerspitzen Spuren in sie malt.

Wie Fähnchennadeln auf die Pinnwand hingespuckt die Segel auf den See,
die doch statt fester Wörter auf Papier nur Schalen voller Mensch in einem Klumpen Hier und Jetzt verankern können,
während die Wellenflammen sie umflackern,
Zeit vertost
und nur der Wulstenschutt der Gletscher all dies grade eben so umhegt,
dass es sich hier am Seebahnhof in Starnberg rasch bestaunen lässt,
damit wir nach dem Wandern nicht ganz ohne Seesehn auf die S-Bahn warten müssen,
Neffe drei und ich.

Ich kralle mich mit allen Augenblicken fest
an einem Stummelstreifchen Regenbogen,
wie von der Hoffnung achtlos aus Versehen eingemarkert in den Abendhimmel
am Ingolstädter Hauptbahnhof,
und lausche Zügen nach, die mich nach Hause tragen könnten,
und warte auf den, der mich weiter fernwärts schleppt,
damit ich morgen pünktlich stehn und dienen kann
und da im Fernen bin und wieder ganz allein
und alles Blickekrallen hilft mir nicht,
das Nass zurückzuzwingen in die Augen.
Und nur die Mauersegler schneiden Schrei und Flügelklingen
durch Abendwolkenhaufen, wie daheim,
damit ich mich betrügen
und ein Zuhause unter das zerschnittene Gefetz von Firmament mir denken könnte,
als sei ich in ihm tief geborgen und behütet in erfülltem Sehnen.

Rapslichtkleckse zwischen Wolkenschaumgebrodel.
Ab und an dazwischen Kirchturmspitzen, um den Himmel über Oberbayern festzupinnen.

Im grauen Himmel überm Gaisberg gaukeln Gleitschirmflieger:
kaubonbonbunt, wie modefreudiges
Mini-Vampirgewusel.

Schlange mit Haut aus Glas
in deren Bauch
zukünftige Gelege voller Welteneier zappeln:
so gleitet
der ferne Zug voller verschlungener, noch ungeborner Menschenschlänglein
an mir vorbei ins Morgensickern.

Ausgebreitet wie im Weiten
Schwingen eines Albatrosses gleiten
ruht sich klarer Märzenhimmel
Frühling leuchtend überallwärts weiter und voran
wiegend weitend fassend spreitend
Welten überwölbend gleich dem Ozean.
In sein himmelhoch berauschtes Meer und Mehren
send ich von hier unten aus der kleinen Schachtelwelt der Eisenbahn
all mein Sehn und Sehnen, lasse meine Blicke wie die Kiesel auf den Wellen hüpfen
an den Sausebäumen -hügeln -türmen sich vorüberschlüpfen
und dann schließlich hängenbleiben obenhoch,
wo der Mond sich silberruhig mit Licht befuttert, wächst und schwillt und immer noch
sich beharrlich weigert aus dem Fensterrahmen mit dem Fahrtwind fortzuwehen
mit der ganzen Landschaft, die sich draußen weiterschiebt, behäbig schwer.
Statt mit ihr dort hinter meiner Schulter zu vergehen,
schwebt er als Begleiterqualle
unbeirrt und fröhlich einfach immer weiter nebenher.

Die Hügel schwappen an die Gleise beiderseits,
und mitten durch das baumbeschäumte Grün der Wellen
pflügt der Regionalexpress.

Ich kann gar nicht so oft die Luft anhalten, wie die Schwalben im Flitzen Kehrtwenden sausen, Wildkurven blitzen, als griffe der Himmel sie mitten im Flug mit blanker Faust, um sie einfach so aus der Bahn zu reißen und dann ganz woandershin weiter zu schmeißen.

Zugfensterhimmelskino:
Regenschleier dunkel in den Hügeln,
dann Einschlagprasseln an den Fenstern, Spritzgeklecks aus Tupfen, Fäden, Spuren, Streifen. Kaum sichtbar filigraner Zufall, durchsichtig und doch in der Fülle seines Kleinen kraftvoll genug, Licht zu verbiegen und die Landschaft draußen wegzuschleudern von den Scheiben und von meinem Blicken.

Immer wieder leben für den Nachtzug
ohne Fahrplan
bei dem du nur hoffst
dass er irgendwann im Morgen ankommt.

Vier Uhr siebzehn ab Lautensackstraße

Die Trambahn Linie 19 ist ein Nachthotel für Menschenkinder,
die tags all das, was greifbar ist von ihrem Leben, nur in Tüten bei sich tragen.
In ihrer flüchtigen Pension lehnen sie eingesunken auf der kleinen Lebensfracht an Henkeln,
die Kissen ist und auch des Schutzes eigner Körperlast bedarf.
Unruhig bleibt ihr karger Schlaf;
die andern frühen Menschen, die den Tag
heraus aus Betten und aus Wohnungen begonnen haben, blicken scheu vorbei
und bleiben dadurch fern dem weiten Raum der Träume,
die ich den Schlafenden erbete für ihr Unterwegs.

Mit traumverklebten Augen steh ich an der Trambahnhaltestelle
und suche Halt und warte drauf, dass was drin haften bleibt.
Der Tag und sein Geschehen lungern auf der Schwelle,
suchen sich Menschen aus zum Spiel, wie Gummibälle,
die prallen, wirbeln und verstieben,
während Welt sich in sie reibt.

Tief hinter all die blanken Augen und Gesichter,
im Waggon verstreut,
denk dir die S-Bahn voller Heldinnen und Helden,
die dem Gewühl der Nacht
für uns erneut den frischen Morgen abgerungen haben.

Nenn ich es Pendeln, fühl ich mich nur
wie hängend gefangen in einer Uhr,
gefesselt an Leib und Händen,
ständig am Drehen und Wenden
und trotz der Bewegung, hin und her, nie sehr weit,
nur wie eingeleimt in ein Klümpchen Zeit,
trüb geädert wie die Alleskleber-Bernsteinkugeln,
zu denen wir den zähen Schulstaub mit den Fingerkuppen rollten.
Also denk ich es mir als Reisen und heuer
allmorgendlich an für Abenteuer,
für ferne Weiten, fürs freie Entdecken,
statt mich im Klebstoffstaub zu verstecken.

Ich laufe einem Haus entgegen.
All seine Fenster hängen dunkel, ohne Licht –
ich kann nicht sagen, ob nicht mehr oder noch nicht
sich Menschen hinter ihren Glasmembranen regen.
Ich kann nur leise bitten um ein Bernsteinklümpchen Leuchten auf dem Weg
und für die andern, die im Dunkel wandeln, um den vollen Strom von Segen.

Im Winter schweben wir in frühen Zügen
aus einer Dunkelheit nur weiter in die nächste,
vielleicht nicht mal andere.
Wir hängen in ihr, hilflos hoffend durch den Raum, uns sehnend nach Vergnügen
für Seele, Sinne, Haut und Augen.
Wie im tiefen Schaum ein Kügelchen von Luft,
verborgen wartend auf die Chance,
sich voll mit Tag zu saugen.

Dreimal quillt Leuchten aus der Höhe in den frühen Morgen:
drei Räume, weit verteilt in einer Fläche dunkler Stille.
Drei Fenster dort im Hochhaus gleich beim Bahnhof
sind schon gefüllt mit Licht wie Honigwaben.
Nichts regt sich hinter ihren Scheiben.
Nur das Licht ist einfach da.
Ob die drei Menschen drinnen ahnen mögen oder Hoffnung haben,
dass sie in dieser Winterfinsternis nicht ganz alleine sind,
sondern gemeinsam Schimmern auf den feuchten Bahnsteig gießen?
Ich wünsch es ihnen.
Und ich wünsche mir,
sie möchten jetzt an ihre Fenster treten,
in diese kleine, tiefe Ferne blicken, die die Nacht erlaubt, und dann
sich gegenseitig Blicke voll Ermutigung und warmem Zuspruch schicken.
Vielleicht sogar in ihrem Augenblinken
noch einen Blick für mich erübrigen und freundlich winken.

Baumkronenadern, Asttentakel in den hellen Horizont getuscht.
Die Türme und die Hügelkämme wie aus schwarzem Tonpapier geschnitten –
so kommt die Abendlandschaft hier am Zug vorbeigeglitten.
In einem Weiher, auf dem dunkle Ententupfen schweben,
hängt noch ein Kleckschen honiggoldner Himmel.
Hoch drüber wirbelt, wie als Rußstaub weit ins letzte Licht geschleudert, eine Faustvoll Krähenschwarmgewimmel.

Südlich von Ingolstadt leuchtet der Himmel
und schwimmen die Bäume im fließenden Nebel tief über den Wiesen,
gleiten in Herden wie wandernde Ozeanriesen dahin.

Regenbogenspritzer
auf dem Telefon.
Kaltes Buntgeglitzer
ohne Klingelton.
Nur gelegentlich ein Knistern
für Geräusch noch nicht genug:
Ich steh in Eitensheim im Nieseln
und warte auf den nächsten Zug.
Nur ein klarer Grundgedanke
hängt im Kopf mir fest und firm:
Lieber hätt ich einen Regen-
statt 'nen Telefonbildschirm.

So herumzufahr'n in Zügen
ist vielleicht nicht allerwei
ganz geradezu Vergnügen,
sondern eben krummvorbei.

Die Uhren noch nicht ganz im Gleichgewicht, noch taumelnd.
Noch voll von Schlaf und tief verschlossen die Gesichter.
Vereinzelt nur die Fenster in den Häuserhöhen schon erleuchtet, fast wie Bernsteinklumpen.
Doch drunter auf der Schnur der Gleise schweben schon die Lichter
der Züge, all der Glühwurmleiber, schwärmen aus und tragen
die Menschen drinnen auf so vielen Wegen
dem ersten Schimmern eines frischen Tags und neuen Hoffnungen entgegen.

Hindurch durchs Zugfensterichspiegelbild
versuche ich draußen das Dunkel zu finden
mit allem, was es fasst und umhüllt.
Doch es sträubt sich, den Grenzwall zu überwinden,
den der Kasten gleichgültigen Lichtes ihm setzt.
So bleibt mir nur, mich ihm zuzuwenden,
ihm Achtung, Blicke und Lauschen zu spenden
und auf den feinen Faden zu hoffen,
der uns verbindet, verknüpft und vernetzt.

4 AM.
Another row of hours
barely enough to fill a shelf:
Just little more than six
since I made it home
through my door
through ice and snow
after a swirling snow globe of a day in the distance.
Now again about to leave.
What might sleep feel like
unbroken depths
like the black ice on the path yesterday?

Verwischtes Licht hängt in den Hügelwellen,
die aus dem hellen Horizont hervor vorbei am Fenster quellen.
In sachter Dünung wogt das Land,
vom Weiß wie feinem Tuch verhüllt,
das Blicke auf sich reißt und tanzen lässt,
so tief vom Glück des Staunens ist es ganz erfüllt.
So gleich und so verschieden all dies Weiß, so weit dies lichte Schweifen,
dass Alltagsaugen nicht genügen, um es zu begreifen.
Der Flüsterschnee verwandelt mir die Augen um zu Fingerkuppen,
die sich behutsam tastend nur zu schieben wagen und zu spüren,
nie direkt zu gucken.

Windradblätter dutzendweise
wirbeln überm weiten Land
Rotormotorahornkreisel
kurz vor Spandau aufgespannt.
Weil kein Wind die andern Blätter
ringsum fleddert oder regt
denk ich mir: dies sind Propeller
die uns quer durchs Weltall treiben
dass der Erdball sich bewegt.

Gewidmet der Schulgemeinschaft der Samuel-Heinicke-Realschule
Danke für die vergangenen Monate, für unser gemeinsames Denken, Arbeiten, Entdecken und Lernen.

Unterwegs in der SHR
Gedanken zum Dank
am Morgen des 29. Juli 2022

Mehr als Haus ist diese Schule:
ein Zuhaus zum Tun und Handeln,
Heimat, um uns immer wieder
neu und staunend zu verwandeln.

Grün umschmiegt von Bäumen, Räumen,
die Entdeckerei umsäumen,
können wir uns tief verwurzeln,
während die Gedanken purzeln.

So mit Wurzeln sicher ankernd,
stechen wir in See zum Finden,
brechen immer wieder auf,
setzen Kurs in allen Winden.

Fliegen aus auf Abenteuer,
zum Erleben, Suchen, Glauben,
denn hier drinnen gibt es Fernen,
die uns das Finden frisch erlauben.

Hier ist Raum zum Lauschen, Hören:
Raum um alten Trott zu stören,
Raum um niemals aufzuhören,
sondern auf- und anzufangen
und ins Leben zu gelangen.

Hier ist Raum zum Sein und Werden,
Raum für leuchtende Gebärden,
Raum zum fröhlichen Beginnen,
zum Erleben mit den Sinnen,

Raum für Jetzt und Raum für Hier:
Raum viel weiter noch als wir.
Raum für Groß und Raum für Klein:
Raum, um ganzer Mensch zu sein.

Ottobeuren, Elias, 21. Juli 2024

Kasten aus schierer Zeit, nicht Stein noch Mauerwerk,
umschwebt uns, dass wir singen dürfen,
bauen aus Spiel und Klang die Berge, den Propheten und die Engel,
das Feuer, das vom Himmel fällt
und all das wogende Gebraus des Glücks,
die Wasserwogen, die sich heben, und das Säuseln, siehe,
der Hüter Israels, er schläft noch schlummert nicht,
fürchte dich nicht, ich bin mit dir,
während die Mauersegler draußen uns umschrillen,
durch hohe Fenster zwischen Freskowölkchen und dem wahren Himmel schnellen,
unsichtbar, doch in ihrem Gellen uns ganz nah, auch sie Erzähler,
die Schrei für Schrei voll Freude mit dem Oben uns vertäuen,
bis schließlich auch der Regen miteinander prasseln und der Donner pauken wollte:
etwas zu spät fürs Regenwunder, doch gerade recht im zweiten Teil,
als Kleinepiphanien zwischendurch.

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Hinterhof

Wenn Hinterhofschneemänner einsam sind,
zeugen sie sich rasch ein Schneemannkind.
Das geht ganz einfach:
frei von Skandalen,
prim- und sekundären Geschlechtsmerkmalen.

The backyard shifts and sorts itself
into sediment layers of reality
as I guide my roving gaze through mazes
of darkening barken line paths
amid odd outbreaks of
volcanic wilderness:
Splotches of lichen burst towards me
infinitely gentle.
as trunks all murmur in the background
raw treasure chests brimming with bristling secrets.
Nudged by the raindrops
leaves whisper songs with voices
like the fluttering creases
of blossoming origami cranes
silently determined.
Scene morphs
black branch strokes melt and vanish
into backgrounds
until only the golden blots of song leaves
remain
suspended in mid-air
occasionally interrupted
by random finches
rolling themselves
into balls of colour, down
towards my window
accelerating.

Droplets of sun
dribble down the tree
step by step
leaf by leaf
first sporadically straying
then gushing together
until they flood the backyard
and drown each pebble
in billows of light.

Ich hör das Gewitter schon schnüffeln und schnauben.
Zwischen den Hinterhofbäumen im Rauschen
sitz ich, um noch ein bisschen zu lauschen.
Amseln singen noch.
Wenigstens schweigen die Tauben.

Zu Hause heißt,
wenn die Stadt und Momente sich um dich schmiegen
mit jedem Gedanken und jedem Schritt.

Den Leib aus dem Haus lösen
und in die Kühle des Morgens gleiten lassen
wie vom Beckenrand ins Schwimmbad hinein.
Mit Bugwellen vor den Fingern.

Gezweig – Gestern – Gekiesel

Orions Gürtel hängt wie eine Leine
in das Gezweig der Traubenkirsche eingespannt.
Drumherum glitzert weiteres Gestern wie Glimmersteine
in einem lichtdurchblitzten Bach voll Wirbelwasser und voll Funkelsand.

— Zurück zum Seitenanfang —

Vertraute Pfade

Im Gegenlicht die Glyphen auf der Straße:
Fraßspuren tief in den Asphalt genagt.
Betretene Notizen unsichtbarer Schreiber,
vor deren Worten jeder lesende Versuch versagt.

Ziel gut mit der Gedankenstecknadel
und hefte dir
ein Glitzerdings ums andere
die Funkelaugenblicke in die Stadt.

An der Donnersbergerbrücke,
heute Nachmittag (27. August 2023)

Beampelte Fußgängerüberwege
verwandeln sich manchmal in heilige Orte,
an graunassen Spätaugustnachmittagen,
wo Menschen vor ihnen zu warten haben,
und gelöst aus dem Flechtwerk der üblichen Worte
in Ehrfurcht vor ihrem Leuchten sich neigen
und umfangen von Trübe und Regenschleiern
in der Stille der Gehsteigkante verharren
in völliger Ruhe und unbewegt
überwältigt vom Augenblick des Erwartens
im lautlos verweilenden Kreuzungsgebet.

Entlang der Nebenstraßen schwappt der Duft nach Nudelwasser üppig aus den Fenstern.
Beinah al dente.
Stimmen klappern zwischen Tellern und Besteck.
Ich schieb behutsam mich vorbei.
Obwohl mich niemand hört oder bemerken dürfte, find ich kein Versteck,
um mich, falls ich es brauchen sollte, rasch hineinzukauern,
weil niemand hier mich braucht, grad wie an andern Orten.
Hinter den Ecken sammeln sich die Schatten in verworrenen Kohorten.
Dazwischen Sonnenglut wie Klebestreifen auf den Mauern.

Die Nebenstraßen klaffen mir entgegen,
ihre Mäuler offen:
abgründig tief und dunkel,
doch zugleich vertraut.
Wenn ich mich gleich verschlucken lass,
kann ich nur hoffen,
dass diese hier mich sicher hin zu meinem Ziel verdaut.

Efeu hält die Häuser fest,
dass sie nicht verdriften
und schon mit dem ersten Wind
verschweben in den Lüften.

Laim hatte alle seine Level durchgespielt
in dem Moment,
als das Eroticland
die einstigen Räume des Anglerparadieses nebenan bezog.

Fußgängergedrängel
einfahrtsweise
während der Regen den Sprengel bekleckert.

Als hätte wer all das Gewirbel aufgequirlt zu Schaum,
so plumpst die Wolkenlast herab auf Pasing dort am Himmelsaum,
und ich steh mitten auf der Friedenheimer Brücke,
bin hier Ausguck, Steuerfrau und Kapitän;
steuere ohne Ruder, nur mit Blicken,
die beglückt den Horizont bespähn.

Auf der Friedenheimer Brücke
ist ein Schneepflug unterwegs.
Findet dort noch nichts zu futtern.
Wünscht sich sicher einen Keks.

Wie Lagerfeuer flackert Friedenheimer Brücke,
wenn hinter ihren nebelmatten Scheiben dunkelmorgens
noch nur das Drehlicht eines Straßenkehrgefährtes wie ein Leuchtturm suchend, sendend pulst.

Als Lichterkunstwerk funktioniert er grade gut:
der Fuß- und Radweg auf der Friedenheimer Brücke.
Nur fürs Verkehren auf- und abwärts mag er sich nicht fügen —
stattdessen sträubt er sich und buckelt still beharrlich
verborgen unterm Panzerglanz aus blankem Eis,
der einen nach dem andern die Passanten abwirft.

Wie ein Unterwasserzirkuswagen,
Doppelstockaquarium auf Rädern,
schwemmt sich eine Regionalbahn ostwärts unter der Friedenheimer Brücke hindurch.
Durch die Fenster leuchten blaue Sitzbezüge wie tropische Korallen;
ab und an paddelt hinter dem einen oder andern auch ein Gesicht vorbei.

Die Friedenheimer Brücke hoch zur S-Bahn-Haltestelle
versuche ich zu balancieren auf der Klinge zwischen Morgenlicht und Nacht,
so dass sich mir der Brückenbogen in die Sohlen kerbt.
Ich ahne, dass ich stürzen muss gen Tag,
weil dieser Erdenball unwiderstehlich rollend die Entscheidung mir entreißt –
und dennoch bliebe ich so gern noch ein paar Atemzüge länger hier im Schweben.

Friedenheimer Brücke
26. Januar 2021

s-bahn-gleise
matte natternleiber adern sich
durchs weiß wer weiß wohin
zwei und zwei stets unterwegs
als ob zu noahs ferner arche jenseits der fluten hinterm horizont jedoch
stets eins zu wenig
um ein lied zu halten im gespinst der parallelen und
den schwingestrang entlang
ins fern zu entsenden

Über den Rippen der Posthallenbögen
wirbeln die Krähen ihr Abendballett;
aufwärts sich buckelnd zum dunkelnden Himmel
serviert mich die Brücke wie ein Tablett.

Es gibt München
weil sich mittendrin
die Himmelsrichtungen verbeißen:
Nord und Süd bekauen einander
entlang des Hauptgleisstranges
der beide verzahnt als sei er
ein Schwarm rastloser Reißverschlüsse.
Minütlich spuckt der Hauptbahnhof Züge
hinaus, um die Reißverschlüsse nachzuzurren
um den Schwarm ans Kauen zu erinnern.
Unvorstellbar
wenn sich einmal ein Zug
falsch einfädelte
die Gleiszähnchen öffnete
und die ganze Stadt
auseinanderklaffen ließe.

Verdächtig friedlich laufen Wirbelsäulenstränge
vom Hauptbahnhof zum Horizont und weiter:
auf jedem davon Knochen in die Ferne aufgefädelt
wie Sprossen auf die nächste Gartenleiter.
Doch zuckt es schon tief drinnen in den Streben,
es bebt und pulst wie dunkler Flammen Brennen.
Sie werden eines Tages ferne Saurierhäupter
den Horizont hinauf und weiter
hoch aufwärts in den Himmel heben,
dass selbst Giraffen nur noch staunen können.

Ich gehe durch ein Streifchen Park,
ins Viertel eingenestelt,
und sehe, wie ein Ahornbaum
den Himmel sanft beästelt.

Turnende Gedanken am 10. März 2024*

*
Auf den allerletzten Drücker am Sonntagabend noch im allerletzten Besucher-Slot die Turner-Ausstellung im Kunstbau des Lenbachhauses besucht ...

Unten,
vergraben in der Erde,
schwebend über dem versperrten Bahnsteig,
Rolltreppen drumherum verstummt:
gemaltes Licht und flüssige Gedanken;
all das, was man geblendet von des Himmels und des Horizontes Fülle
nicht sehen kann,
mit Bleistiftstrichen, Wasser, Pinsel aufs Papier geregt,
mitsamt der Echoschlieren der Erinnerung, des Vielfachblickens,
Gedankens und Gedenkens.

Stadt schlotzt wie eine Stiefelsohle
die tief in saftigen Boden stapft;
so dass sich der Boden in quutschenden Klumpen voll Kieseln und Kram in die Sohle matscht.
So kleben auch durchgeregnete Menschen
und zerweichtes Herbstlaub, Blatt um Blatt,
nebst strubbligen Krähen und schmutzigen Pfützen
tief in den Sohlen der schmatzenden Stadt.

Trambahnblau rollt die Straße entlang
wie Brandungswellenpaket.

Wie Atemkugeln faucht die Allee
einzelne Bäume hervor.
Darüber quellen Wolken wie Schnee,
nebenan tanzt ein Drachen gleich einer Idee
und die Krähen sausen im Chor.

Wie Kopfsprungtauchen tief hinein
in flaschengrüne Limonadenkühle gleiten,
die mich umschmiegt, umsprudelnd fasst und alles Sonstdrumrum
weit von mir als Erinnerung ins Ferne schiebt: so ist
das Radeln
auf dem Geheimniskilometer Gräfelfinger Straße mitten durch den Wald
im Abenddämmern.

Menschen wie Mensch-ärgere-dich-nicht-Figuren
ziehn den Feldweg bunt beanorakt entlang.
Irgendwo erklappern Würfel, zählen ihnen Schritte zu und legen Spuren,
denen keiner folgen muss — doch kann.

Radfahrt, abends

Tief schiebt sich Spätnovemberluft in meine Jacke,
als ob sie mir die Ärmel in die Höhe krempeln will.
Die Zweiggespinste beiderseits der Straße spür ich leise tanzen,
doch wenn ich näher hinblick, stehen ihre Tintenfäden still.
Die Horizonte brodeln um mich in der Ferne.
In Millionen Menschenseelen wallt Vulkangewühl.
Was Häusern hilft, noch eine Nacht wie diese heil zu überdauern,
sind nur die vielen Lichterflicken in den Mauern.

Chunks of amber
honey cubes
flash into the sea of night:
awaking windows
one by one
lighthouse signals to ignite.

Stroll for Two

The invitation was way too kind to decline it,
so we had to allow
each Christmas mud puddle
in the middle of the path
to bog us down
all the way up to our ankles
as fresh raindrops jumped
into our open faces
to bless them with blisses
of drippy kisses.
Bark, never dark, but gleaming
with lingering lightfields of lichen
danced continents into our fingertips:
ridges rich of and canyons coated with mossy softness;
tiny sprawling explosions of green,
gentle and slow enough
to fill each glen, crevasse and valley in our skins
with gentle moss and meaning.
So we walked on, just listening to the beats of our steps,
as the stream along our path kept weaving
like a basket maker teasing, plying osier stakes
into one wicker layer of gurgling song
around the pulses of our soles
and another of cavorting waves
to line its own bed.
So plied into its fabric, suppliant us
pushed open
the heavy panels of the guardian doors
into the silent dark inside the river church.
There were no candles left for us to light:
just stumps of tired wax still crouching
deep in the craters of a bowl of sand,
asleep already.
Only a single candle on the altar stood still singing,
pouring its voice into the dusky calm:
a quiet bell, triumphant in its ringing,
a flood of heartening and soothing balm
as we sat resting
on the curving rough stone
of the parapet
wrapped in each other,
the niece and I.

Ich bin grad dabei, eine Maus zu bedauern,
sitz hier also und dauere still,
während die knopfäugig guckende Maus
am Hirschgartenforum durch Pflanztröge saust
und wohl etwas Essbares aufstöbern will.
Hätte sie eher mich knopfaugbeguckt,
hätt ich gern ein paar Kekskrümel rausgeruckt.

Sacht errötet der Fernsehturm in der Ferne.
Nicht im Hexameter zwar;
aber als Vers immerhin.

Unterm Olympiaturm wartet
ein kleines Karussell.
Es steht ganz allein
und träumt vor sich hin
und dreht sich im Traum ganz schnell.

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Eichstätt

Wolkengewölle, himmelquerzeltein gespien,
um Greifen, Rochen, Einhörner und Dodos draus herauszuspähen.
Drunter huscht Wind durchs Tal, liniert das Altmühlwasser eng wie Erstklassheft
mit Köderleinenzeilen, die zwischen den Ufern schwappen,
damit ein Birkenflimmern oder Schwan drin klebenbleiben können.

Im trägen Altmühlwasser puzzelt sich verschlepptes Graugewölk
mit Fetzchen Schimmerhimmel zwischendrin zusammen.
Auf diesem Durcheinander blühen hell im Dunkel, dunk im Hell Geheimnisringe auf,
von Tropfenfingerspitzen unsichtbar hineingestippt.
Wie Lippenpaare treten sie hervor
und öffnen sich: durch eine dünne Weltmembran in meine Wirklichkeit hineingereckt.
So sprießen sie hervor. Und singen still und heimlich wie ein Fluss- und Wellennymphenchor.

Nach Dachau kommt das Moos,
mit Schemennebel voller Licht gesogen,
der dieses erste Sonnenfluten trinkt und festhält wie ein Schwamm.
Wo Horizont verborgen liegt im Leuchten, ist kaum auszuloten.
Der Himmel schwappt über den einen oder andern Hügelkamm,
streift sich vergessene Gekritzelwolken ab wie eine Tafel längst verschmierte Kreidespur am Schwamm
und mustert sich verwundert in dem Tanz aus Grannen, Halmen und Gedankenbooten,
die ich im Blicken tief versinkend in ihn gleiten lassen kann.

Alle Schlangen kriechen mir entgegen,
schieben ihre Schimmerleiber übers Glas,
fließen wild, wie die Gedanken in mir gestern, als ich las.
Ich alleine widerstehe ihrem Strömen,
stemme mich mit störrischem Dagegenlehnen
mit dem Sog der Regionalbahn unbeirrt voran.
Doch in meinem Abgrund spreizen sich vor Sehnen Risse in die Dämme,
weil das Drinnen drängt hervorzubrechen und
gern anders schwömme,
um mich durch den Dämmerregen
in dem webenden Zerfluten all der Tropfen rasch nach Hause zu bewegen.

Der Hallertauer Hopfen wuchert Buchgestabtes in die Landschaft:
je nachdem, wo man anfängt,
Enns, Emms und Wehs und Ihs.
Wiwimminni, wiwimminni, los lies!
Mit ganzen Hügeln voller Hopfentextnachrichten
bin ich im Zug nach Ingolstadt
beschäftigt mit Entziffern und Bedichten.

Der Nebel neben Etting, nebenan
über der Donauingolstadt,
bläht sich zu Leuchtgeknäuel im ersten Morgenlicht,
umspinnt die dunklen Häuserklumpen mit den Zuckerwattebäuschen knisternder Gedanken.

Südlich von Ingolstadt
beginnt das Meer
behaupten meine Augen
weil hinter Hügeläckerwiesendorfkirchtürmen
langer Streifen Blau
dem Horizont entschwappt.

"Sea," prompts my soul,
as the horizon opens
to spill a streamer's length of dark-blue silk into the sky
towards which a red chain of eager train is carrying me
tiny human
pressed against a window pane.
I am all eye, am peering, reconnoitring,
spy
cerulean puffs of billows, bulging far beyond
the gently dancing surge of hills
that I see ever rippling round the mass of Ingolstadt,
a city plunged into a surf of land.
I sense the tremors of reality.
I know there is no sea —
I see there is an ocean
bracing sky,
embracing me.

Das Licht ist schon so weit am Himmel aufgestiegen,
doch noch nicht ganz herabgefallen hier ins Tal.

Aus deinen vollen Sonnenarmen
Leuchten weit ins Tal gegossen
schwappt und platscht
strömt und klatscht
wogenwiegend Überschwang
voller Schwung am Hang entlang.

Ich hake mir eine Hängematte ins Morgenlicht,
hoch in den ersten Junihimmel über die Dächer,
von wo sich die Sonne wie Sirup über die Hügel schiebt,
wo die Mauersegler die Luft aufblühen lassen.

Gewittergucken durchs Dachkammerfenster!
Scheibabwärts ergeifern sich Tropfengespenster
und schlagen die Krallen ins sträubende Glas.
Wie Raubvogelschwärme auf frisches Aas
stürzen sich Blitz nieder ins Tal;
fast fürcht ich, sie brächten das Städtchen zu Fall.
Das ganze Himmelsgewölbe wackelt
und prügelt blindlings auf uns drauflos:
Wie winzig wir sind.
Das Wetter wie groß.
Und dennoch erspäh ich gegenüber im Wehen
den Nachbarn am offenen Fenster stehen,
der die klare Frische, die alles durchnässt,
sich jetzt in die Stube fluten lässt.

In einer Bö
schmiegt sich das Flatterband des Zigarettenrauches wie ein Schal um deinen Hals,
und während es sich einen Lidschlag später längst gelöst hat und zerflossen ist,
weht es mir übers Grau des Bahnsteigs diese Worte zu
getragen vom Gedanken,
wie seltsam nah ich mich von Ferne einem Menschen fühlen kann,
nur weil ich in Gedanken ihn als "Du" anspreche.

Im Hofgarten schäumt ein Kirschbaum in die Nacht.
Wer lauscht, hört seine Blütenbläschen platzen und verschweben.
In stillen Wellen flutet Kies auf seinen Pfaden durch das Labyrinth der Hecken.

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Würzburg

Ich setze mich jetzt mal
in eine Straßenbahn,
fahre ungeplant und munter
einfach mal vom Stadtplan runter
bis zur Endstation, und dann
schau ich, was passiert.

Erst freust du dich leise über das Gold,
das abends noch so lange im Hang festklebt.
Dann erkennst du,
dass du nur das Laub beim Vergilben beobachtest.
Und die Weinberge füllen sich mit Krusten von Klebstoffresten,
überall dort,
wo der Herbst das Sommerlicht nun weggerissen hat.

Das Angelusläuten schwebt
als Wolke aus ewigem Glockenklang
dauerhaft auf festen Orten,
durch die sich die Stadt
dreimal am Tag
vom rotierenden Erdball hindurchtragen lässt.

So'n Origamiabend, an dem
sich der Himmel immer weiter und weiter auffaltet,
obwohl man meint,
dass er gerade doch eigentlich schon
an seinen äußersten Kanten angekommen sein müsste.

Wie all die Müsliriegel im Süßkramautomaten
so brav Schlange stehen
auf dem Weg zu Exekution.

Hubschrauber im Vorbeigefliege
klingt wie Bohrer,
den jemand an den Himmel ansetzt und hineindrückt.

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Tübingen

Someone has stapled together the sky and the entire eastern horizon by means of the Swabian Jura.

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Nymphenburg

Ihr merkt: Ich bin in Nymphenburg,
bei den Dryaden und Najaden,
und stolpre über Stauneaugenblicke, Heimliches und Wunder
überall auf meinen Pfaden.

Wie soll man denn vorankommen,
wenn man ständig
zum Staunen stehenbleiben muss?

Dort, wo sich die Bäume beiderseits beiseite schieben,
um den Raum zu weiten für die große Wiese,
tanzt mir mit entschlossen festem Strich und klar getuschtem Richtungsweiserköpfchen
ein Libellenpfeil voraus.
Aber unentschlossen flackern
durch sein scharfumrissnes Hier
die zwei Zweifelslinien eines X,
wie mit zarten Schultern zuckend,
um mir Fragezeichen zuzubröseln,
weil ich angesichts der flüglig durchgestrichenen Libelle nicht mehr sagen kann,
ob sie wirklich so gemeint war.

Zwischen der Ostmauer der Badenburg und dem Wäldchen
kurvt mir ein Grauganspaar entgegen
und streift mich mit dem Atem seiner Schwingen,
so dass ein Augenblick aus dem Strom der Zeit herauskullert
und mir in der Seele hängen bleibt.

Jemand nahm einen Tosestift zur Hand
und ließ ihn tanzen, weit und frei;
so strebt und schwebt und wuselt, wildlings in die Luft gekritzelt,
Geäst Gezweig Gewirrwarr durch den Nymphenburger Himmel,
dass Füße zucken beim Hindurchspazieren unter dem Gewimmel
und fast empor sich reißen lassen in die lichte Gaukelei.

Die Mittelbrücke über den Kanal
war immer schon ein Ort des Wunders, überquellend,
zaubert Findeblicke in die Augen,
die hingerissen kleben, greifen und doch kaum zum Fassen taugen.
So blick ich nur und lass es in mich strömen, Nymphenburg und all den Rest,
und halt das Leuchteschloss, das Himmelblau samt Schnee und Reiher mit den Augen fest.

Im Augenblick des Aufpralls erst
werde ich ihrer gewahr,
wenn sie Gumpen in meine Seele schlägt
und Raum füllt, wo vorher nur Pfadfetzen war.
Von oben herab aus dem Flimmerlaub
quillt sie hervor in stillem Tosen
immenser als Ozeane von Rosen
stürzt sie aus winzigen Blüten hervor
in Katarakten voll reißender Süße:
alle Nektarfülle der Sehnsuchtswucht
zum Erhoffen. Zum Träumen. Zum Trinken und Finden
sprudelt in mächtigem Fluten hervor
aus dem rauschenden Strom der blühenden Linden.

Gegen das Licht strömt schon die Flut der Abendschatten an:
doch tanzen in den Borkenritzen und den Spalten im Dazwischen
noch Galaxien aus Spinnenweben, koboldleuchtend,
dämmen das Dunkel ein und lassen seidenfadenzart
Risse aus Hoffen klaffen,
das sich nicht schließen will und nicht vernarbt.

Was mehr als sehr lohnt, sind Momente, die nicht auf Postkarten passen:
Kühle vom Nachmittagsregen wie Tücher zwischen die Zweige gelegt;
Knirschkiesel, jauchzend unter jedem Schritt, die mir zwischen die Zehen springen vor Glück;
Glitzerflügel im Tanz und Schimmerpfützen aus Licht in den Abendschatten, die schon einbranden ins tiefe Gras;
verstohlenes Pochen vom Specht wie ein plötzliches Herz im Baum über mir, und Rotkehlchenlied wie mir mitten hinein in die Seele katapultiert.

Schulweghelfen für Krötenkinder auf Nymphenburger Nebenpfaden,
deren Kanten entlang wie versteckte Pakete die letzten Pusteblumkugeln kullern.
Und Wellenflammen im Bach, in die Strömung gespiehn aus jedem Stein und Halm, der als Vulkanschlot den Wasserspiegel zerschrammt.

Kleb deinen Blick an eine Hummel und versuch sie mit den Augen festzuhalten bis hinein ins tiefe Ozeangebraus der Wiese.
Es wird dir nicht gelingen, weil die Hummel wie die Zeit und Zukunft fliegt
und Ecken, Kurven, Sprünge, Kapriolen in die Lüfte biegt.
Ein Brummelpunkt voll Unvorhersehbarlichkeit,
dem Gucken schon entsaust,
wenn ich nur kurz mal niese.

Wie Limonadenflaschenscherben grün der große See.
Am Ufer Gischt von Schafgarben und Margeriten.
Daneben Halme, auf die Wiese wogend hingeflüstert
wie Ozeane bauschend voller Licht.
Und überall im Gras und im Gezweig das Tauwerkschimmern feiner Spinnennetze,
das all die Wege und die Wunder sacht verzurrt und ankert,
damit sie nicht von dannen driften und im leichten Sommerwind verschweben.

Erster Abend quillt mir aus leeren Händen
weil nichts von der Fülle sich halten lässt
Himmel voll Blau
Gras voll Gegenlicht
Spinnwebsegel schwer von Staub und Mückengestirnen
gebeult von Glockenschlägen und Brise
den Nymphenburger Kanal entlang die Kräuselwellen
die Gerner Straße abwärts Strom aus Pflastersteinen und Zeit
Irgendwo ist ein Märchen am Happyenden
wie Glück zu gefrorenen Würfeln gepresst.

Am Geländer der Brücke,
mitten übern Kanal,
blähen sich Spinnennetze,
Dutzende Spinnaker im Wind,
und ziehen die Brücke
allmählich dem Schloss entgegen.

Fischchen schweben
als Schattenflammen
im leuchtenden Atem des Bachs.

Ich schmiege mich in diesen Augenblick,
so dass ich in die Schalen seiner Lider sinke,
während die Grillen schimmernd singen in der weiten Runde des Rondells von Nymphenburg.

Schlossrondell, mittig

Ich möchte stehen bleiben, ankern und dann einfach gucken,
wie sich die Wolken schäumend in den Himmel spucken
und sich in Klecksen über mir verfangen,
wo Schwalben Schwänze spreizend Mücken überm Wasser jagen,
und in geheimen Mustern, Zeichen weit gediehen,
hoch über Nymphenburg die Mauersegler kritzelnd Rätselspuren ziehen.

Beim Finden der wartenden Bretterstapel im Schlosspark

In Nymphenburg liegen
die Götterverpackungen
längst schon bereit.
Das Laub kommt ins Trudeln.
Die Windstöße sudeln:
S'ist Zeit. S'ist Zeit.

Wie feines Waldglas, unruhig wabernd,
grün, schaumleicht licht und klar,
schwebt Eishaut über den Kanal,
von allen Wassern unterspült,
so dass man in ihrer Membran
des Winters Herzschlag pochen fühlt.

Im frostig weißen Rausch, der München überwölkt, beginnt es zu rumoren:
In Hügelklumpen schieben Monster sich empor und recken ihre Schuppenglieder.
Dort ragen, harmlos scheinend wie Gezweig, schon Krallen oder Hörnerwerk hervor;
hier bröselt glitzernd Flockenstaub vom lauernden Gewulst eines verborgnen Leibs hernieder.
Aus dichten Büschen tasten Klauen in den Nymphenburger See.
In allen Heckenrosensträuchern hocken Drachen
und speien Hagebuttenflammen in den Schnee.

Nah der Vogelfutterstelle
schlägt die Wiese Welle um Welle
brandet über den Pfad und schäumt
mir Schneeflockengischt vor die Schritte
und das Gebüsch
gleich nebenan
brodelt vor Finken und Meisen.

Das Wunderbare am verschneiten Schlosspark unter dicht verwölktem Himmel ist,
dass alle Flächen leuchten, doch nicht blenden und die winterkargen Wiesen sich
in Wogeozeane voller heller Zuversicht verwandelt haben,
so dass wir nicht nur blickend staunen können,
sondern auch etwas zum Greifen, zum Durchstapfen und zu fassen haben.
Tief in die Wiesen eingewoben: all das Licht.
Und an den Rändern Flockenschleier, schimmervoll davon,
wie Tüll von hohen Zweigen schwebend.

Hidden in plain sight:
Häuser
im flachen Blick verborgen
den das Wasser abprellt
der über sie hinüberschnellt
wie schwebende Quarzkiesel
im Wurf über die Wellen
des Nymphenburger Kanals.

Ich sehne mich nach Nymphenburg und seinen Pfaden
nach Wegen voller Schimmer, Glitz und Licht
nach Farbenfäden, pulsend von Gedicht
in denen sich Septembernachmittag verhakt und knisterstill zerbricht
zu Funkelscherben, aufzuklauben mit beglückten Händen, Leuchten im Gesicht.

Jeder Windstoß füllt die Luft mit Schwebeblättern,
deren Taumelpfade sich in meinen Blicken kreuzen und verheddern.
Ab und zu quert auch ein Klecks aus Farben meinen Weg im Wind,
deren Schwirrewirbel dann auf einem Ast zu einer Meise oder einem Fink gerinnt.

Im hohen Gras hinter der Badenburg schimmerten Spinneneikokons
wie Bonsai-Fabergé-Eier, fingerkuppengroß,
umstrahlt von Seidenfäden.
Vielleicht finde ich sie morgen früh noch einmal …
Grasperlen, an Seidenschnüren aufgefädelt schwebend in den Halmen.
Schimmernde Spinnenbrut im grünen Ozean.

Dragonflies are dashing across Nymphenburg’s canal
with oddly unpredictable zigzaggitude: each a cursor,
controlled by an invisibly distant user in another universe,
overing around above a confusing image,
undecided where to click to solve the CAPTCHA.

Ein hitzetaumeliges Nymphenburger Fluginsekt versucht gerade,
mit einem Zweig der Mindmap auf meinem Notizblock zu flirten.

Abendpark mit Augenwinkelrehen auf den Wiesen.

Ohne Spinnen und ihr Weben,
ohne all die Klebestreben
gäb's die Schlossparkbrücke nicht —
weil die Fäden ihre Balken
luftig beieinander halten,
dass sie nicht zusammenbricht.

Ein Schwarm von Nymphenburger Parkbachmücken detoniert mir in die Quere
und stanzt mir Aufprallkrater dutzendweise in den Unterarm.

Der Wind drückt seine Fingerkuppen tief hinein
ins Waldglas des Pagodenburger Sees.
Nur eines Blässhuhns Nestburg mitten auf dem Weiher widersteht
und hebt sich aus den Rillen dieses Abdrucks.

Die ganze Schlossparkmaueraußenwand entlang erbrummt der Bärlauch,
während der Mond sich milchig in den Himmel schiebt.

Wie einzeln in den Abendhimmel eingedreht: die Tanzinsektenschräubchen;
wirbelnd über der Wiese, dass
das letzte Licht nicht ganz herunterfällt.

Nymphenburg, Dryadendatscha, Najadenbungalow.

Auffahrtsallee, nördlich

Der Abend drückt uns entgegen:
strahl die Finger ins Erdreich, so weit es geht,
und in deiner Hände pochenden Schalen
tanzt der Planet.

Und mitten zwischen Himmel und Kanal:
das Schloss
wie eingehängt dort schwebend zwischen Welten.
(Und eines Tages hoff ich, es zu öffnen.)

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Miniaturen, Aphorismen, Gedankenzeugs

Du musst dich aussetzen, um zu entdecken. Egal wo (es müssen keine nächtlich nebeligen Klosterpforten, Schwellen oder Wildnisse sein), aber wichtig was: dem Neuen, Frischen, Ungewohnten, in das du dich womöglich einwohnen könntest.

Wir haben uns eingenistet in unseren Gewohnheiten wie in großen Häuserblocks. Eine Wohnheit sauber neben der anderen, kleine topfbeblümte Balkone, drinnen länger schon nicht aufgeräumt, aber noch irgendwie gewohnbar.

Traumgeräusche entstehen aus all den untertags nur nebenbei zum Scherz gelochten Zettelchen und Blättern, die sich in der Dämmerung zusammentun und eins ums andere einfüttern als Lochstreifen in die Drehorgel der Nacht.

Mitten im Himmelblau schimmert ein seidenfeiner Riss, ein Fädchen, wie zufällig vergessen beim Vernähen des Universums und dieses Junisamstags. Erst beim genaueren Hindenken begreife ich, dass eine tollkühne Balkonspinne ihr Netz zwischen Tragrohr des Obendrüberbalkons und Feuerleiter eingehängt hat.

Wenn man ein Ohr ans Zugfenster legt,
hört man die oberbayerischen Äcker draußen im Vorübersausen murmeln:
"Rapsrapsrapsrapsrapsrapsraps …"

Marktflöhe für den Flohmarkt.

Im Münchner Hauptbahnhof prallen zwei Menschenströme aufeinander: Der eine heraus aus den Regionalbahnen, verschwitzt lachend, berucksackt, oft bergbeschuht oder Fahrräder schiebend, denen noch Abenteuerstaub von Tagestouren in den Reifen klebt; der andere aus den Treppenschachtschlünden des Untergeschosses, ebenfalls beladen, doch ohne weites, freies Lachen in den Gesichtern: jene, die nach kurzem Wochenende daheim wieder in die Ferne aufbrechen müssen, wo sie sich zum Arbeiten verdingt haben.

Der Regen ist so heimlich, dass er nicht zu sehen und im Bahnhofswartehäuschen noch nicht einmal zu spüren ist. Aber ringsumher knistert die ganze Landschaft, aus jedem Blatt und Grashalm sprudelt leises Lachen auf.

Wangen und Finger entlang fädeln sich die Kerben erster Bisse: Der Nachtluft wachsen wieder Zähne. Noch raspelfein, noch nicht vom Frost zu Klingen geschliffen — doch scharf genug, um Spuren einzudrücken, die ich spüre.

Pressekonferenzgewitter letzte Nacht, der ganze Himmel voll. So viele Blitze, dass der Nacht kaum Zeit blieb, sich aufs Dunkel zu besinnen.

Früher dachte ich mal, der Kleiber hieße Kleber, und zwar, weil er sozusagen Uhufüße habe, wofür er mir dann freilich erstaunlich klein erschien.

Die Pfützen trinken Himmel nieder auf den Pfad. In weiten Schollen saugen sie ihn auf und halten ihn zwischen den Kieseln staunend fest. So lauf ich mitten zwischen Himmel, Wolken, Wellenrillen, die eine Brise sorgsam in den Spiegel eingekräuselt hat.

Die kleinen Kleckse Blattbunt in den Laternenlichtkugeln der Bahnhöfe.

Nebelknäuel knubbeln sich zu hellen Knödeln um die Lampenkugeln.

Ich kam ungelegen und tat so, als ob ich nur etwas abzugeben hätte und ohnehin gleich wieder hatte gehen wollen. Lief die Bahnhofsstraße hinunter, an Menschen mit gemeinsamen Plänen und Lachen in den Stimmen vorbei. Gut dass im wachsenden Abenddunkel manche Dinge im Gesicht verborgen bleiben dürfen.

Der erste Schimmer der Morgensonne quillt zwischen den Nachbarhäusern hindurch, noch halb verfangen im Geäst der Hinterhofbäume. Licht wie ein zartes Streicheln auf geschlossenen Lidern. Es reicht noch nicht ganz aus, meine Hand zu füllen, in deren Furchen und Gruben sich viel Schatten und Nacht gesammelt haben. Doch ich lasse es einfach hineinfluten und schaue zu, wie es in eine Rinne nach der andern einströmt.

Der Tag knospt sich wie Blütensonne voller Löwenzahnengold zusammen, puschelt den Abend auf und sendet seine Gaukelsamen in die Nacht.

Gerade auf der Brücke noch die letzten Schlieren Abendbunt am Himmel; darunter dunkel klumpig erste Häusertrolle im Erwachen blinzelnd, klumpig und verknautscht.

Spontanes Nymphenburgen. dank entfallenen Abendtermins, verlangt Spontaninvestition von 1,48 € beim Rewe Laim für eine Packung Bleistifte und ein kariertes Schulheft A4 mit angedeutetem Rand (sie hatten kein A5 mehr), weil ich kein Notizbuch dabei hab und all die Gedanken und Wörter und Verse, die gleich zu schwappen und kullern und klecksen beginnen, sonst auswendig mit mir umherschleppen müsste.

In Pasing, an der Kante der Stadt, haben sich am Feldrain bei der Streuobstwiese die Kürbisse verabredet und zu bunten Haufen zusammengemurmelt. Wer kann ahnen, was da noch alles ins Kullern und Rollen kommen mag.

Der Abendhimmel dunkelndrosa und schimmerorange mit schwirrenden Wolken beflockt — ich komm mir vor wie in einer Schneekugel voll Farben und Leuchten, die du um mich herum schüttelst und inwendig tanzen lässt.

Die Gespensterechos der Bahnhofsdurchsagen, die mehrere Bahnsteige parallel beschallen, aber doch nicht ganz gleichzeitig meine Ohren erreichen: Jede quillt auf in ein breiteres Stück Zeit hinein und schiebt oder zieht in Sirupschlieren ihre eigene Zukunft oder Vergangenheit vor oder hinter sich her.

Es ist mir nicht geglückt noch einmal in den Park zu gehn heut Nachmittag, weil ich viel zu viel Zeit darauf verwendetschwendet hab zu überlegen, wen ich bitten könnte, mitzukommen. Dann also so: Ich gehe morgen früh im ersten Licht alleine, wenn der Park gerade aufwacht und alles wieder neu und noch nicht wegentdeckt ist. Dann darf ich selber finden.

Nachts, wenn die Verkehrsampeln von Rotgelbgrün auf Mondsilber umschalten, das über die Kreuzung hinaus den ganzen Heimweg leuchten lässt.

Nur so wachswach in Nacht gewickelt wie ein zerfließendes Butterbrot ins Papier, wart ich auf Sachen. Weil draußen grad die erste Amsel zu passieren beginnt, hat sich das schon gelohnt.

Lichtbeeren pflücken aus den Gartenhecken, in denen sie über Nacht gewachsen sind: die Fäustlinge abstreifen, hineingreifen in die glitzernden Eiskrusten, zu denen sich der Morgenschnee zusammengedrängt hat, und aus dem Gefunkel die einzelnen Beerentropfen lösen, um sie im Becken der Hand zerschmelzen zu spüren.

Vielleicht suche ich deshalb noch nach dem Mut zum Erzählen, weil ich das ganz erfüllte, sichere Behaupten erst wieder lernen muss, das ich dazu brauche, nachdem die Schule es aus mir herausgeschüchtert hatte, und das Studium erst recht. Stattdessen lernte ich das Emporwuchern von Fragezeichen, deren Wurzeln mir im Wachsen Risse sprengten in mein ganzes Ich.

Spätnachmittags stand ohne anzuklopfen auf einmal der Augenblick zum Aufbrechen im Zimmer. Ganz ohne Ziel über das Maul des Briefkastens hinaus lief ich drauflos und kam mir vor wie ein Köder an der Leine, mit dem jemand nach einem Schicksal angelt. Mit jedem Schritt klirrte mir von den Fersen eins der Fragezeichen auf den Boden, die ich in mir hatte wuchern lassen. Ein ums andere klirrten sie hernieder und verhakten sich zu einer Ankerkette, an der entlang ich meinen Weg zurück nach Hause fand.

Wollte "Wanderkarten" googeln.
Verirrte mich beim Tippen und googelte "Wandkatzen".
Jetzt fasziniert von der Ökologie digital-erratischer Fauna.

You call it sprinkles.
I call it rainbow dandruff.

Jeder Regentropfen ein zartes Fingerchen, mit dem der Regen der Stadt und dem Land drumherum eine resolute Nachtmassage spendiert.

Strangerous times.

Danke, aber ich brauch keine Funktionshose. Ich komm mit all meinen funktionslosen Hosen gut zurecht.

Wenn die Dezembernächte für die Augen zu dunkel werden, lieg ich mit hellen Ohren und lausche das Licht aus der Finsternis.

In nights like this, I leave the blinds open: I want to see. The snow gently fills the night outside with a soft gleam, since the white cover carries any trace of light everywhere, even into the abyss of darkness. It seeps into the shadows, floating and delicate like an infinite stream of shimmering bubbles. My window has vanished — a painting is unfurling its petals in its stead, a masterpiece brimming with magical magnetism, irresistibly coaxing the dreams I need deep into my room and my soul.

Nostalgie ist oft auch nur Gewohnheitskruste.

Vom Zug aus hängt das Flugzeug dort im klaren Morgenhimmel wie hineingeklebt.

Idee: mal konsequent jedes Wanken mit Wackeln ersetzen und dominosteinig gucken, was passiert. Etwa: "Wahre Freundschaft soll nicht wackeln, wenn sie gleich entfernet ist; lebet fort noch im Gedackeln …"

Licht, so klar wie durch ein feines Sieb gestrichen, gießt sich in den Raum — wie eine Einladung, sich abzustoßen in die freie Luft und sie mit Blicken, Lauschen, Körpern zu befüllen. So klingenscharf ist diese Klarheit, dass sie feste Schattenrisse nicht nur auf Mauern, Wege und in offene Hände, sondern bis hinunter unter die geschlossenen Augenlider schneidet.

Am allerletzten Oktoberabend für lange Zeit schwappt das reife Sonnenlicht auf die Theresienwiese, brandet gegen die paläontologische Sammlung der Bierzeltsaurierskelette an, die allmählich den Kampf gegen die Erosion verlieren, und spritzt mir noch einmal Funkengischt in die Augen.

Die Knicke in den Sofakissen all der Zahnarztpraxen,
die ohne Innenarchitektin ungeknickt ihr Dasein fristen müssten.

Die Vier-Uhr-Dreißiger-S-Bahn kommt jetzt schon seit zehn Minuten gleich in vier Minuten, ruft die Anzeigetafel, bereits heiser. Ich hoffe nur, dass sie vor lauter Kommerei das Fahren nicht vergisst.

There are archipelagos hiding in my sock drawer. Probably Narnian or more. I’m not entirely certain.

Es hilft ja schon, immer gekonnt ein bisschen zu schräg auf die Buchrücken im offenen Bücherschrank zu blicken, weil man dann solche wunderbaren Titel entdeckt wie "Mein neues Hobby: Klammeraffen", was natürlich viel schöner ist, als die "Kleinmineralien", die tatsächlich da stehen.

In Ingolstadt noch ganz viel frischer Bahnsteigschnee, noch glitzrig undurchtrampelt: zum Stapfen, Lauschen und Durchpflügen, leicht, knisterig und rieselig, beinah wie Schaum, jedoch mit Dickkopf und Persönlichkeit. Und selbst der Zug trägt noch Schlafschnee auf den Lidern.

Die Nacht bricht jetzt nicht mehr sacht an, sondern plötzlich herein, als ließe jemand eine schwere Decke auf mich herabfallen. Ich wünsche mich an Stellen, wo ich weiter blicken könnte als hier im engen Lichtermantel der Stadt: auf eine hohe Wiese in den Bergen, nach Norrland in den Schnee, der den Sternen von unten antwortet, oder wenigstens in eine frostklare Januarnacht voll unfassbar tiefem Himmel zum Hineinstaunen. Aber ich will mich nicht am Warten und an Weihnachten vorbeiwünschen.

Nach der Tunnelröhre entfaltet sich ringsum das Tal, wie Kelchblätter, noch etwas zerknautscht, die aus der Knospe ins Freie drängeln.

Ein gutes Raumparfüm ist Mikrowellenpopcorn, weil so auf einmal meine ganze Wohnung nach Kino und Erwartung duftet.

Fastadvent ist das Spähen mit suchenden Fingern beim Heraustreten aus Zuggrelle ins einsame Bahnsteigdunkel; und das Wundern, ob das Glitzern in der Luft noch Regen ist oder doch schon.

Im Regen und Wolkendämmern noch einmal hinausgelaufen, um etwas zu finden, rohen Sinn, den ich zu Bedeutung zurechtkneten könnte. Ich lief über die Wohnblockfassaden, die sich in den Regenlack der Gehwegplatten eingespiegelt hatten, während sich meine Brillengläser allmählich eintrübten und Schuhe und Hosenbeine verdunkelten von Wasserbegegnungen.

Es sind ja vor allem die vielen Halte, mit denen die kleinen Regionalbahnen sich in der Landschaft verteilen: wie freundliche Grundschullehrerinnen nach dem Ausgeben der Arbeitsblätter. Ruhig durchstreifen sie die Klasse, von Tisch zu Tisch, so dass sie jedem Kind einen Augenblick lang ihre Aufmerksamkeit ganz schenken können. So auch die Züge, die sich täglich vergewissern, dass alles noch vorhanden ist. Und als Gegengabe schenkt ihnen die Perlenschnur der kleinen Orte ihre Allmählichkeit.

Hügel können mal passieren,
wenn die Landschaft im Vorübergleiten draußen einen Schluckauf hat.

Stille quillt aus Mauern und Wegen.
Nur in der Ferne des Gezweigs lassen sich mit geduldigem Lauschen Geräusche wie von sich öffnenden Türen einsammeln:
Meisenquietschen, Krähenknarren.
Und drunten schäumt die Wiese,
wo Triebe die frostverkrustete Erde durchbrochen haben wie Handballspieler die Abwehrkette
und jetzt Blütenkelche in die Höhe werfen, deren Flugbahn man verfolgen könnte,
wenn Blick und Zeit nur ausreichen würden.

Ich hatte auf so viel Tag heut gehofft: auf Minuten, die nur träge klackern und sich mit Ideen befüllen lassen statt davonzukullern wie ein Schwall ausgekippter Glasmurmeln. Jetzt kann ich ihnen nur hinterhergucken und versuchen zu wissen, dass ich doch was geschafft habe. Ich streng mich an, es zu versuchen. Aber viel, viel lieber hätte ich einfach zeitvergessen mit ihnen gespielt.

Als ich vor die Türe trat, um zur Brücke hochzuhuschen, erwartete ich wieder dumpfe Nebelwatte, die den Kränen und Hochhaustürmen die Spitzen abkaut, und klamme Sickerkälte in Fingern und Wangen. Stattdessen weltallweiter Sternenfernenblick rundum. Und unter den Sohlen ein feines Gleiten, als ob gerade die Welt in Bewegung gerät und mich lädt, meine Füße besonders sorgsam zu setzen, um mit ihr Schritt und Tanz zu halten.

Ich weiß, weiß, weiß: Sicherheitsgründe. Das Licht im Zug muss leuchten. Trotzdem wünsche ich mir immer, wenn ich in der Dunkelheit wieder nur mein eigenes Spiegelbild in der Scheibe anblicken kann, meine Augen weiter hinausgleiten zu lassen in die Nachtwelt ringsum, nach Horizont und Himmelsspuren zu suchen im Draußen.

Das Regeneis hat überall Fäden und Flecken Welt aus der Wirklichkeit herausgeschubst. Im einbrechenden Dunkel, im Sickerlicht der Straßenlaternen leuchten die Lücken unwirklich auf, lassen Portale ins Anderswo klaffen. Als hätte jemand Fenster zu Feenwelten zerschmolzen, versponnen und sie überall verteilt, so liegen die feinen Eispanzer über den Zweigen, hängen die Glasgespinste und Frosttränen in Sträuchern und Gebüsch. Tore und Pforten überall, Risse in die Anderswelt.

Die Stadt hat gerade erst ihr Winterkleid angelegt, da suchen die Einwohner schon nach dem Reißverschluss.

Der Dual von Einfluss ist Zweifluss.
Das Präteritum von Einfluss ist Einstfluss.

Ich soll euch ausrichten, dass ihr euch freut, wenn eine Buche euch ihre Früchte vor die Füße legt; lest eine der Hülsen auf; lasst ihr Monstermaul klaffen; und staunt mit der Kuppe des kleinen Fingers ganz behutsam, wie weich das Pelzchen ist, in das die Buchecker gebettet war.

Stecknadelköpfe sind Riesen gegen das Kleckschen Spinne, das zwischen meinen Balkon-Wäscheleinen sein Netz webt. Vor dem hohen Abendblau verschwinden die Seidenfäden, so dass das Spinnenpünktchen frei im Himmel schwebt, während das Universum rings um es herum vor Glück erzittert.

Heute früh hatte sich mir schon ein Stück Herbst zwischen die Fahrradspeichen geklemmt.
An der scharfen Schattenkante des Waldes vorbei flutet Lichtglut die Wiese, dass ich meine, ihre Brandung pulsen zu spüren, und steckt im tiefen Horizontleuchten eine schimmernde Kleelaterne nach der anderen zwischen den Halmen an.

Urknalltupfen überall: So säen die Baumhaseln Galaxien auf die Bürgersteige.

Auf Deutsch ist Scarlet Pimpernel ja eigentlich der Ackergauchheil. Jetzt stellt euch mal vor, wenn die deutsche Übersetzerin von Emmuska Orczy nicht cool geblieben wäre.

The woodland pours its ragged-edged shadow into the field — like broad inky brushstrokes, still hesitating.

Noch sind sie viel zu gut verpackt und fest verschnürt, um laut zu klackern, drum plumpsen sie nur dumpf vor meine Füße. Doch flackern damit überall auf Weg und Wiese der Haselnusspakete Flammen lodernd auf.

Schleierwölkchen. Und irgendwo drüber zieht als grausige Bildstörung, wie der bleiche Leib eines Albino-Insekts, ein Jet vorbei.

Schräg sind die Notenlinien der Stromleitungen über Feldrain und Pfad gespannt zwischen verwitternden Masten. Jetzt füllen sie sich mit frischen Melodien und schwirren von Zickzackkoloraturen, weil die Schwalben sich versammeln.

Dem Handy beim Radeln in aller Hast an einer Straßenecke Gedanken eindiktiert, damit sie nicht davonglitschen. Der Spracherkennung dabei nicht näher zugeguckt. Gerade Textertrag geerntet: "Explorer Tiefe" statt explorativer Schreibideen entdeckt. Spontan poetisch beglückt.

Blaugrün wie ein Waldteich gluckert mir das Morgenlicht heut früh ins Zimmer, das ich sacht schaukeln fühle rund um mich. Verschmitzt wie Schaumbläschen in einer Kinderbadewanne knistert der Regen draußen im Laub.

Ich wünschte, ich könnte sie kurz mal wegklappen, die Erde, weil sie so laut und so im Weg ist, denn dann könnte ich einen schwebenden Augenblick lang lauschen, wie die Regentropfen frei in der Luft gemeinsam tanzen.

Mittsommer. Das stille Innehalten, dann das Kippen der Achterbahn, die in der Höhe angelangt ist und des Sommers Weite überblickt. Das leise Vorwärtsschwappen in den Zellen ihrer Passagiere, wenn sie sich neigt und zu beschleunigen beginnt.

Meine Wäscheleinenspinne links schwebt schwerelos und frei im Abendhimmel, wie ein vergesslicher Astronaut, der beim Weltraumspaziergang ins Träumen geraten ist, oder ein Gaukelblatt im ruhigen Herbstbach.

I'm generally suspicious of general condemnations.

I'm wondering whether my thoughts might be migrating at night.
Just like birds.
Only inside my mind.

I appreciate people practicing music. I would prefer them using a real piano, however, instead of the doorbell panel of my apartment block.

I really, really have no talent for buying light bulbs.

Erste Vogelstimmen. Jede ein Klettverschluss-Häkchen, an dem ein Stück Tag hängenbleiben kann.

Apologies: With a virgin layer of snow on the path, I simply must ride sinuous glyphs & turn around sometimes to decipher my bikewriting.

"Keep it, in case something's wrong", says the teller and hands me my receipt. I know about many things that are wrong. How would a receipt help?

Im Morgenlicht beginnen Menschen in allen Farben zu schimmern, wie Regenbögen im Tropfenpelz des Himmels bei nassem Wetter.

Gut, dass sich nicht ermessen lässt, wie kostbar ein Sommerabend ist: die sprießende Kühle der Schattenschleier, die hinter den Häuser zu wuchern beginnen; das Scharren von Straßenkreide und Tapsen hüpfender Füße; das Platschen des Wasserstrahls einer Gießkanne.

Das Baumjauchzen in all den kleinen Sommerbrisenböen.

I'm not very good at being myself today.

Things that confused me when I first came to the US: So when I don't need more food, then "I'm good", but when I do, then I'm evil?!

What do you mean, "absent-minded"? My mind is as present as can be. Just not in the place where you might expect it to show up.

Either that guy on the 4th floor across the street is a secret agent sending morse signals or he has serious problems with his light bulbs.

A ponytail is the only hairstyle option providing female singers in full choral camouflage with at least some storage capacity for pencils.

A pile of books just avalanched onto my keyboard. The resulting string of letters made more sense than anything else I've typed today.

10 seconds of little finger keyboard disorientation were enough to have me age 1000 years, 1 month and 1 day.

Not all my thoughts make it into my fingers. And many of them remain inside my tingling fingertips without ever reaching a piece of paper.

You can tell that I'm in a hurry when the person right before me in the library's "return" queue carries the contents of an entire bookcase.

Could I get a pedicure for my footnotes, please?

If you have tons of time and moles of space, you ought to recalibrate your SI units.

Making me carry a score while singing Bach's Matthäuspassion is like forcing me to read a pulmonary instruction manual while breathing.

My thoughts are soap bubbles. Iridescent, shimmering, volatile. When my pen hits them they burst, leaving nothing but splashes on my cheeks.

I was sorely tempted to congratulate my feet on their ever inventive cleverness of coming up with new ideas for blister production sites.

Ahnung ist im Zweifelsfall immer das, wovon man keine hat.

My laptop is humming mantras while it is slowly meditating updates onto its hard drive.

Das Konzept "Zimmerlautstärke" ändert sich beträchtlich, wenn man, wie der Ganz-Untendrunter-Nachbar, den kompletten Hinterhof der eigenen Wohnfläche zurechnet.

Ich stelle mir vor, dass jemand die Wolken an den Himmel pustet und knetet wie so ein Ballonknotekünstler aufgeblasene Gummitiere auf Straßenfesten, und heute Abend hat mal wieder jemand mit besonders wilder Phantasie Dienst

Marienkäfer düst mir in die Schreibtischlampe, die mit kleinem Staubbröselwölkchen aufpustet, flupst wieder heraus wie abgeprallt von einem Trampolin und plumpst mir mit angestaubten Punkten auf den Schulaufgabenstapel. Ich sollte wohl mal Staub wischen.

Halte niemals einem Wissenschaftler zu forsches Auftreten vor.

You cannot force reality to rearrange itself around you. You can only pretend. Which already means rearranging yourself around reality.

Regen, plötzlich: weil wer das stille Hintergrundrauschen des Universums wellenweise kurz aufdreht und den Stadtlärm aus der Luft wäscht. Danach ist darin viel mehr Raum fürs Singen. Buchfink, Mönchsgrasmücke, Zilpzalp.

Das Wetter lockt, ein Stück Schnur aus dem Fenster zu hängen und so zu tun, als betreibe man luftige Fischerei.

Nachricht an die urlaubende Schwester: "Alles in Ordnung bei euch daheim. Euer Garten ist nur schneckentechnisch grad das reinste Nudistencamp."

Das Rumpeln, mit dem die Wolken ihre Bäuche über die Wipfel am Rande der Wiese wuchteten, kam dann doch nur von einem Flugzeug.

Beim Verirren hat mein Fahrrad in einem versteckten Zwickel zwischen den Gleisen inmitten Hängen voller Hornklee und Knopfblumentupfen einen Hügel mit Bank und ganz viel Obendrüber- und Drumrum-Himmel entdeckt. Ich lass mich mal eine Weile einwickeln vom Himmel hier.

In den Hinterhof stürzt in dicken Brocken der Himmel vor sich hin, wäscht die Mauersegler aus der Luft und die Spinnen aus der Feuerleiter, schleudert die ganze Stadt in rasende Stromschnellen, dass sie taumelnd nach Luft schnappt.

Zehn-Sekunden-Schauer überm Viertel, als ob der Himmel bloß mal kurz aufkichert und sich dann doch anders entscheidet.

Und plötzlich stürzt der Regen gewaltig wie ein Wasserfall und lässt die Luft vorm Fenster verschwimmen, weil selbst der kleinste Tropfen mir gerade einen andren Brösel Welt zuspiegelt als den, der sonst für mich an eben dieser Stelle in der Hinterhofluft hängt.

Ein paar Wolkenknödel kullern am Horizont entlang, weil wohl wer versucht, in der Ferne einen Kirchturm umzukegeln.

Zu Halloween trage ich mein übliches Nervenkostüm.

Ich will nicht von Trauer mit anderen geeint werden müssen.

Competence mostly serves to compensate for other people’s lack thereof.

All those things that we don't have proper words for, like our three middle toes.

If I had hands as wide as this sky, I'd pick just one small star, wrap my fingers around it & feel its sparkling breath while I fell asleep.

Depending on my frame of reference I've either taken the elevator upstairs or made this house slide 20m down around me by pressing a button.

Dear Raindrops: this has turned into more than a mere bonding attempt. What you've just done borders on meteorological harassment.

Billows of night air are surging into the room. On their crests a turmoil of raindrops rushes in as well and gently starts caressing my face.

My eyes are beginning to fold themselves up — like a silicone accordion colander or a bird nuzzling its beak into its own down feathers.

The rising September full moon was so surreally huge and honey-colored that I caught myself looking for the thread it was suspended from.

Random rehearsal thought: If I could make the walls of St. Peter invisible, there would be an organ hovering right next to Marienplatz.

It's the kind of fatigue that scrambles around on me like a little monkey, pulls down my eyelids one second, but tickles my nose the next.

"I know I put my Angels into my Messiah yesterday. Now I've forgotten where I've put my Messiah." Thoughts of a disoriented chorister.

Rain: I've just poured a Saint Bernard out of my shoes and wrung two dozen kittens out of my shirt and pants

If I didn't know better, I'd say what inspired Homer to compose his Odyssey was a traumatic experience with a phone company hotline.

After crossing a barren bibliographical wasteland I have now reached the impenetrable jungle regions of Footnoteistan. Please send machetes.

Menschen, die auf dem Laimer Anger
Bluetooth-tutend ihre Musik ausbreiten
wie akustische Handtücher.

There's only one possible explanation: A paper vulcano with a gigantic magma chamber discharges its contents right into our filing shelves.

How much cutlery does our cafeteria lose due to absentminded scholars who let all the leftovers on their plates glide into the trash cans?

Both my pedial pageturning skills & my method of determining the ideal moment for applying hand lotion while reading still need refinement.

I'm sitting at the bottom of a gigantic hourglass filled with water. Every raindrop passing my window washes away another wasted moment.

Definitely no hail to thee, hail.

Smashing a text to pieces feels liberating at first. Until your thoughts touch its sharp shards and hurt and start bleeding.

My mind is full of jigsaw pieces. I hear them clatter when I move my head. But they all belong to different puzzles. Just bits & fragments.

Der Morgen steht geduldig und ruhig, wie wartend auf einen reisenden Freund, der jeden Moment aus dem Zug hervorquellen könnte, und blickt zum Himmel, von wo Regen als freundlicher Gast sich einstellen mag.

Als die Nacht mich nicht schlafen ließ, lauschte ich ihr durch die offene Tür beim Aufrauschen. Erst den kurzen Böenstürmen hastiger Pulsschläge aus den Lautsprechern nachtschwärmender Autos im Vorüberpochen. Dann, plötzlich die ganze Masse starrer Luft überrollend, das Gewitter.

Have you ever stood in an open door, unnoticed, just smiling & watching someone? That's how gently this rain has tiptoed into my evening.

I've knotted a net of trampolin thoughts all across my city, so I can catapult myself through the clouds wherever I want to.

Aus den tanzenden Klecksen von Kühle auf meiner Haut versuche ich zu ermessen, welche Gestalten die Nacht um mich herum gerade annimmt.

They fancy themselves the epitome of masculinity, but chopper riders actually look as if they were sitting in gynecological exam chairs.

Should a quirky deity teleport me to the Sahara right now, the amount of water stored in my clothes will suffice to reach the next oasis.

Purchasing a diary for the approaching next year means sailing a violent jibe around the Cape of Summer. Uncharted waters ahead.

There probably aren't many people in this world who can claim to have bruised a toe by running against a volume of early modern broadsheets.

Mom and Dad have endowed me with a name that can be anagrammed into "semilunar resin ocean", "musical eraser in neon" and "no unrealism increase".

In den Hinterhof stürzt in dicken Brocken der Himmel vor sich hin, wäscht die Mauersegler aus der Luft und die Spinnen aus der Feuerleiter, schleudert die ganze Stadt in rasende Stromschnellen, dass sie taumelnd nach Luft schnappt.

So friedlich ist es, dass gleich zwei Spinnen begonnen haben, zwischen den Speichen meines Fahrrads ihre Netze anzulegen. Ich fürchte, ich muss sie gleich desillusionieren.

The streaming mass of light erupting from the horizon has lightened. With the weight of this heavy evening magma off its shoulders, the air expands and blossoms. The final bronze remains of this day condense and merge into millions of keys that unlock the magic of the meadow.

Gleichheitszeichen sind wie Heftklammern, mit denen man zwei Stückchen Welt zusammentackern kann. Nur manchmal wellt sich das Zeichen, so dass die Gleichheit zwischen den beiden Teilen hin und her schwappt.

The sky is so absurdly azure and postcard-smooth that none of the occasional doodling aeroplanes manages to make its chalk lines stick up there. They all glide off the blue expanse and melt into their surrounding ocean, crests of scribbled sea foam atop adventurous wavelets.

Nebenbei arbeitete er als Bildstörung im Regionalfernsehen.

Plötzlich sättigt Rumoren wie von riesigen, langsam knatternden Fahnentüchern die Luft. Dinge auf Balkonen geraten ins Wandern und wackeln unruhig, während sie drauf warten, dass der Sturm sie abholt.

Am vollsten voller Wunder sind jene Gedichte, die jeder sofort begreift, doch niemand recht zu erklären vermag, außer mit jenen Worten, aus denen sie bereits bestehen.

Radeln heißt es, wenn man sich durch die Stadt durchscrollt, nur halt mit Füßen statt Fingerkuppen und so, dass ich manchmal vergesse, wer gerade wen scrollt, ich die Stadt oder umgekehrt.

Hab statt "bzw." grad "bwz." getippt.
Also statt beziehungsweise Beweihungsziese.

Irgendwo in Bayern rotiert grad ein Keramikschweinchen mit Rückenschlitz am Grillspieß, weil jemand sein Spanferkel schlampig bestellt hat.

Eintopf kann ich jetzt.
Ab morgen lerne ich Zweitopf.

Mit dem plastikverschweißten Prospektpaket sandte man mir Kuh-Pongs. Sobald ich Kuh-Pings finde, starte ich eine Liga und nehme Q-Tips an.

"What are you doing?"
I'm drawing.
"Oh, a portrait?"
No, just conclusions.

Don't turn into a deadline marionette,
all entangled in their snarls and pulls.
Rather twine your lifeline.
Reign your reins.

Jeder Stern eine Spinndrüse, aus der Lichtseide ins All strömt. Und die Seidenfäden dann so lange verzwirnen, bis man genügend Licht für einen neuen Tag beisammen hat.

Sunrays are gently gliding past my window through the afternoon light ocean that is our backyard.

Post boxes are covered in the foam of countless alternate reality bubbles. A new one pops up every time the edge of an envelope glides across your fingertips and out of reach down the throat of the post box — and your letter turns into one of Schrödinger's kittens

Between any a- and bemusement, there will always be asharp- and beflatmusement.

"Kung" ist das schwedische Wort für "König". Das ist lustig, wenn man mit schwedisch gepoltem Kopf deutsche Texte liest, weil die dann vor suffixgeadelten Majestäten wimmeln: Wirkung, Senkung, Anmerkung, Bewölkung, Kränkung, Betankung, Packung, Erkrankung. Und Servolenkung.

Majestätsbeleidigung gegenüber der Deutungshoheit.

Jeder See ist ein wenig verbogen.
Denn sonst würde er ja
wie ein Dielenbrett
auf der krummen Erdkugel wippen.

Sitze im Erwartezimmer.
Hoffe.

Alle Morgen staune ich über den Erkenntnisprozess, wenn es der Stadt allmählich zu dämmern beginnt.

Lieblingsparadoxonszeit:
Ganz früh am Heiligabendmorgen.
So früh, dass man noch drauf wartet,
dass es der Bayerische Rundfunk
in den Radionachrichten sagt,
um sich wirklich dran glauben zu trauen.

Rhababer, das Einwand-Gemüse.

Eine Schar Gänse kreuzelt sich quer übers Himmelsgezelt wie über einen noch unentschlossenen Fragebogen.

Let's imagine a confrontation
between a wizard and an apiarist:
both with profound misconceptions
of the term "spelling bee".

Warum nur so viele Menschen ihr so weniges Verstehen so aufwendig betreiben.

Cry, sis:
It's a crisis.

Erst längst daheim entdeckte ich das Loch in der Tasche des neuen Mantels. So nahm er mir die Mühe ab, ihn zu vervollkommnen; keinen Widerstand, keine Sackgasse bot er meinen Fingern. Lasse ich Dinge in die Tasche rutschen, so gleiten sie hinab in die Tiefe, ins Geheimnis hinein.

Jeder Tag
zitiert alle vorigen.
Und die Fußnoten wuchern.

Hold a pebble like a moment.

Ich hätte jetzt gern eine Wiese im Rücken, mit Halmen an meine Schultern geschnallt, die mich wie ein weiter grüner Drachengleiter schweben ließe überm Abendhimmelsozean.

Ich pass nicht in eure Erwartungsschachteln.
Stülpt doch, so viel ihr wollt.
Ich werd nicht verschwinden drin.
Vielleicht glückt euch
ein Aufatmen eurerseits lang
die Illusion mich gefasst zu haben.
Doch presst ihr den Deckel zu
sprengen meine Stacheln die Wellpappwände.

Irgendwer hat einen Beutel Spaghetti auf dem Fußgängerstreifen der Brücke verstreut. Unter den Schritten der Dämmerungsmenschen zersplittern die Nudelstangen in Hunderte Stäbchen – ein Pasta-I-Ging –, so dass die Passanten sich unter den Sohlen Orakelsprüche nach Hause tragen.

Ein Stück Zukunft kullerte mir vor die Füße, dass ich fast darüber stolperte. Ich stupste es mit der Schuhspitze ein Stück weit vor mir her, bis es wieder zwischen die Blätter rollte und verschwand.

Das neue Knobeln:
Schere, Schleim, Tapir.

Ich kleb mich gern als Personalpronomen im Dativ an Verben dran (auch wenn die das gar nicht wollen), weil sich das anfühlt, als ob die Welt mir dann entgegenwuselt wie ein verspieltes Tier. Andere erzielen ähnliche Effekte, indem sie Wackelaugen auf Gegenstände aufbeppen.

Tropennacht.
Voller Metaphern und Metonymien.

Jetzt, Ende August, wenn fast alle aufgebrochen sind in ihre Fernen, sammelt sich im offenen Bücherschrank auf dem Laimer Anger ihr abgeworfener Ballast: Zeitreiseführer in verschiedene vergangene Welten, mal London 2012, mal Griechenland 1994, mal Bretagne 1997, mal Berlin 1985, mal Adria circa 1978.

Zugfensterhimmelskino:
Regenschleier dunkel in den Hügeln,
dann auf einmal Einschlagprasseln an den Fenstern,
Spritzgeklecks aus Tupfen, Fäden, Spuren, Streifen.
Kaum sichtbar filigraner Zufall, durchsichtig und doch in der Fülle seines Kleinen kraftvoll genug, Licht zu verbiegen und die Landschaft draußen wegzuschleudern von den Scheiben und von meinem Blicken.

Mir ist ganz weihnachtsliederlich zumute.

Gegenüber hat sich ein kleines rotes Eichhörnchen unter seinem Puschelschwanz im Gezweig verknubbelt, wie ein verträumter Irokesenschnitt, der noch einen passenden Kopf sucht.

Man muss Hagebutten so begegnen,
als ob man sie eben erst ausgepackt und die Gebrauchsanleitung ungelesen weggeworfen hat.

My tweets: bottled carrier pigeons. I hurl them out into the ether & hope they'll wash ashore somewhere & bring back a reply. #catachresis

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Nichten & Neffen

Sie zieht mich die Treppe hoch ins Obergeschoss, in Richtung ihres Zimmers. "Ich kann aber nur noch fünf Minuten bleiben, dann muss ich aufbrechen. Und du sollst ja nachher auch zum Kindergeburtstag." — Sie, mit maximaler Entschlossenheit: "Dann lassen wir jetzt eine Minute lang Drachen steigen und spielen dann noch vier Minuten Kaufmannsladen."

"Schau, die Raupen hier im Becher können wir beobachten und zusehen, wie sie sich verpuppen und wie dann Schmetterlinge schlüpfen."
Die Nichte, mit strahlendem Gesicht aufblickend: "Dann haben wir ja Haustiere!"

Im Johannisbeerenstrauch entdeckten wir neun Schnecken, darunter eine ganz besonderes feine: die Häuschenwülste wie gestapelte Keramikschüsseln auf dem Töpfermarkt, mal sahnebonbonhell, mal schokoladenbraun, getrennt von bitterkaffeedunklen Pinselstrichen. Die Nichte plante schon, sie und die andern alle einzusammeln und ein Schneckencafe für die Neune zu eröffnen, etwa auf dem roten Gartenstuhl. Ich konnte sie noch überzeugen, die Eröffnung zu verschieben, auf andere Gelegenheit.

Die Nichte griff entschlossen nach meiner Hand, zog mich in ihr Zimmer und drückte mir ein Körbchen in die Hand. "Du musst jetzt Ostereier finden!" Sie hatte jedes einzelne ihrer knapp zwei Dutzend morgens im Garten gesammelten Schokoladeneier für mich im Zimmer versteckt. ("Cornelia, such doch mal da im Bücherregal, aber etwas mehr links.") Nachdem ich alle entdeckt hatte, durfte ich sie noch einmal verstecken, damit die Nichte selbst sich ebenfalls noch einmal am Suchen und Finden freuen konnte.

"Komm, wir verstecken sie wieder und spielen Ostern", sprach die Nichte, nachdem sie all ihre Eier eingesammelt hatte. Mittlerweile hat sie allerdings unter einem alten Blumentopf eine Handvoll Kellerasseln entdeckt und möchte ihnen Asyl in ihrem Osternest gewähren.

"Schau mal", sprach die Nichte
nach drei Minuten Schnippeln mit der Bastelschere
(ich zitiere wörtlich),
"ich schenk dir ein Babynashorn:
Das ist das Hörnchen.
Das sind die Vorderhüfchen.
Und den Rest
darfst du dir selber fertigbauen."

Die Nichte verkündet, sie werde nun Weihnachten mit mir spielen. Sie habe drei Geschenke für mich vorbereitet. Für das erste, kommandiert sie, müsse ich die Augen schließen. Ich höre, wie sie hinter mir den Kippschalter betätigt und das Licht löscht. Dann dreht sie mich dem Fenster zu. "Jetzt darfst du die Augen aufmachen. Tadaaa!" Und sie deutet aus dem dunklen Zimmer durch das Fenster hinaus in den Abend, wo es schneit und schneit und schneit.

Die Nichte hat diese Woche das P gelernt. Sie hat für mich außerdem ein Krippenspiel aufgeführt: Ihr Schokonikolaus aus dem Nikolausstiefel war Joseph, ihr Stoff-Krteček Maria und ein gelbes Schlenkerkaninchen das Jesuskind. Drei Blechtassen aus der Puppenküche dienten als die Weisen aus dem Morgenland, die Eulen-Handpuppe als Verkündigungsengel und (Achtung: Cross-Casting) die Schaf-Handpuppe als alle Hirten auf einmal. Ich fühlte mich gut unterhalten.

Ich hab zum Glück den Schlittenhügelaugenblick gefilmt gestern Nachmittag, als die Nichte mit verrutschter Mütze und drunter hervorstrubbelnden Haaren, die gelbe Rutschwanne lässig über der Schulter, den Hang emporspaziert, lauthals "Uuulala, uh, uuulala" singend, sich dann vor mir in Pose wirft und mich durch die ganze Breite ihrer Doppelzahnlücke angrinst: "War das nicht 'ne sensozielle Fahrt?"

Die Nichte schreibt mir Briefe voller ungeschriebener Worte, wuselnd vom Meinen aus ganzem Herzen hinter den tanzenden Linien der Buchstaben.

Die Nichte entdeckte eine Ameisenstraße auf dem Gehweg vorm Haus. Wir haben dann mit Kreide einen Straßenrand drumherum gezeichnet und ein Warnschild daneben.

"Ich mach mich jetzt magnetisch und halt mich an dir fest. Weil, ich vermiss dich schon, wenn du noch gar nicht zur Tür rausgegangen bist. Und können wir vorher bitte noch eine Runde Versteckeln spielen?"
Nichte kurz nach Heimkehr vom Laternegehen und kurz vor meinem Aufbruch.

Die Nicht, die fast kleinste,
sagt "langsam" immer noch
"lammsam"
was viel schöner
und lammsammer zwischen den Lippen liegt.

Schau mal, das Gebüsch!
Da hab ich am Wochenende
einen Regenwurm hineingerettet,
sagt die Nichte.

So ein Tag:
wie vor die Zehen gepurzelt
der begann
weil der Traum so lustig war
dass die Nichte
um halb sechs lachend aufwachte.

Bevor wir uns Schloss Nymphenburg nähern, erkläre ich der 6-jährigen Nichte beim Eisessen am Kanal den Unterschied zwischen dem akkurat geordneten französischen Barockgarten gleich beim Hauptgebäude und der kunstvollen Wildnis des englischen Landschaftsparks drumherum. Nachdem wir den Schlosspark betreten haben, bestaunt sie einen Moment lang überwältigt die Anlage. Dann mustert sie mit Kennerblick die Maulwurfshügel in den Rasenflächen des Gartenparterres: "Du, Cornelia, das waren bestimmt englische Maulwürfe."

"Duhuuu, Cornelia, hinter dir steht eine große Schale Schuhsalat mit … öhm … Ketchup und 'ner Riesenspinne und …"
(Nach einer Minute Nichtenmonolog, während der sich mein Repertoire im Erstaunt-um-mich-Gucken sehr rasch erschöpft:)
"Ha-ha, ich hab dich in den April verschickt!"

Die Nichte hat grad eine Sprache erfunden: Korkisch. Wo wird die Sprache gesprochen? "Nirgends." Und wofür ist sie gut? "Falls ich mal schlechte Laune habe."

Die Nichte streckt Grillgut vor meiner Nase in den Abendhimmel und flüstert mir ins Ohr: "Guck mal, da iss schon der Mond. Genau über meinem Würschtl."

"Wann fährst du denn in Urlaub?", fragt die Nichte, als ich vor ihrem Aufbruch in selbigen nochmal vorbeischaue.
Ich fahr nicht in Urlaub.
"Warum nich?"
Weil ich arbeiten und Arbeit finden muss.
"Du kannst doch eine Pusteblume finden und was wünschen. Ich such eine für dich."

Was machst du da im Sandkasten?
"Ich baue einen Vulkanausbruch. Das da ist der Vulkan, das da sind die Lavawellen und das da" – sie zeigt auf ein winziges Sandhäufchen am Kastenrand – "ist das Menschendorf."
Aber die Menschen sind hoffentlich rechtzeitig geflohen?
"Nö."

"Ich bin von der Rutsche runtergefallen. Dann bin ich durch den Wald geweint." — Und wer hat dich dann getröstet, Nichte Nummer zwo?
"Niemand. Ich hab mich selber wieder beruhigt."

Niece number two insists on a video chat during her early morning cuddling hour and draws a colourful submarine for me on her mother's phone screen, "with an umbrella on top, so it doesn't get wet".

Dank der Wegbeschreibung der Nichte kenne ich nun den Weg zum Urwald und Kaulquappenteich: "Erst über die Straße, dann weit weg, dann abbiegen."

Die fünfjährige Nichte kroch wohl heute früh in der Morgendämmerung neben meiner Schwester ins Bett und zählte flüsternd von 99 auf 1 runter. "Aber ein bisschen hab ich bei der Zehnzig falsch gemacht."

Die Nichte teilt mir mit, sie habe mir einen Brief geschrieben und in ihren Briefkasten zu Hause geworfen. Ich solle doch bitte baldmöglichst bei ihr vorbeikommen, den Brief aus dem Kasten holen und lesen.

Die sechsjährige US-Nichte besitzt einen Löwen, zwischen dessen Plastikpo und -vorderteil man mehrere Magnetzylinder stecken kann. Den derart verlängerten Großkater nennt sie "Luxuslöwen". Wie sie darauf kommt? Sie verweist aufs Englische: "Stretch lion. Like in stretch limo."

Wie die Nichte, fast vier und mit frischem Kurzhaarschnitt seit heute mittag, mal kurz ins Elternschlafzimmer vor den großen Spiegel sausen muss, um zu prüfen, ob ihre Haare schon wieder gewachsen sind.

In den Weihnachtsferien wollte die Nichte mal arbeitsteilig mit mir puzzeln, indem sie fünf Puzzlekästen auf dem Fußboden auskippte, nach drei Minuten die Lust verlor und mir gnädig das komplette Zurücksortieren überließ. So ungefähr fühlte sich heute auch an, nur ohne Nichte.

Nichte Nummer zwo plant indessen, zu ihrem Geburtstag im Sommer Würzburgen und Plüschpferde zu verschenken.

Videonachricht der Schwester: Neffen und Nichte sitzen um den Esstisch herum, pinseln Ostereier an und werfen sich gegenseitig an den Kopf: "Du weißt ja nicht, was wahre Kunst ist!"

"Ich versteckel mich jetzt hinter der Tür, dann zählst du bis fünf und musst mich suchen." Ich hab dich lieb, Nichte Nummer zwo.

Manchmal denke ich, das Wuselhaar meiner Neffen ist wie Wirklichkeit: wuchert in alle Richtungen, wechselt die Farbe jetzt im Sommer scheinbar nach Belieben, verstrudelt Rot und Gold, und wenn ‘ne Schere gerade erst eine Form darin entdeckt hat, verschwindet die gleich wieder.

Irgendwo auf dem Feldweg im Dazwischen, unterwegs vom einen kleinen Ort zum anderen, blickte die Nichte ernst aufs Tintengequirl der Wolken über uns, nahm dann meine Hand und sprach: "Aber du musst doch keine Angst haben." Das muss ich mir jetzt nur noch merken.

"Du mich suchen?" Ich schließe die Augen und zähle bis zehn. Als ich sie wieder öffne, sitzt Nichte#2 noch immer direkt vor mir. "Da bist du ja." "NEIN. Du musst sagen, oh, wo iss denn die X. Dann du mich suchen." Okay. Ich beginne zu suchen.

Nichte Nummer zwo hat immer einige Lieblingswörter, die sie besonders großzügig in Unterhaltungen einstreut. Gestern waren das "aber", "doch" und "du": "Aber wir verkleiden uns doch Drachen, du." Beinahe hätte sie gesagt "Ich verdrache mich", was freilich noch cooler gewesen wäre.

Verklebtes, müdes Nichtengesicht in meiner Halskuhle, Nichtengewicht in meinen Armen, Nichtenarme um meinen Hals, Nichtenbeine um meine Mitte, Nichtenflüstern in meinem Ohr: "Ich hab dich so so gern."

"So, pass mal auf, wir steigen jetzt in die blaue U-Bahn, das ist die U6, und fahren zu Oma und Opa." Nichte Nummer zwo, beleidigt: "Ich bin aber drei Jahre alt."

Mitunter bietet Nichte Nummer zwo mir an, mich zu "frasieren". Das beinhaltet (wie bereits bei ihren Brüdern) Schläge mit ihrer Kinderbürste auf meinen Hinterkopf, das Herausfummeln meines als "Nau" titulierten Haargummis und die wiederholte empathische Nachfrage "kein Aua?"

Nichte Nummer zwo steht im hellen Frühlingssonnenschein barfuß zwischen blühenden Sträuchern im Garten, schubst resolut den großen Bruder in der Hängematte an und singt dazu mit der ganzen Entschlossenheit ihrer zwei Jahre Brahms' Wiegenlied.

"Komm, lieber Mai, und maaa (Luft holen) che die Bäume wieda grün, und lass mir an dem Baaa (nochmal Luft holen) che die kleißen Fäustchen blühn …" Nichte Nummer zwo singt inbrünstig Mozart.

Nichte Nummer zwo hat ihre Kuschelpuppe mit den langen schwarzen Wuschelhaaren "Gasbiba" getauft. Bei genauerem Hinhören stellte sich heraus, dass ihre Inspiration dafür ein Lied auf einer alten "Spielen-und-Lernen"-Kassette war: "Mein Teddy heißt Klaus-Dieter …".

Nichte Nummer zwo singt derzeit gern "Grün, grün, grün sind alle meine Kleider". Das wird knifflig, wenn sie, wie heute nachmittag, spontan zu einer Lila-Strophe ansetzt.

Nichte Nummer zwo purzelte wohl am Sonntagnachmittag freudestrahlend ins Wohnzimmer, den quasi kompletten Inhalt einer grünen Filzstiftmine über Hände, Gesicht und Zunge (!) verteilt: "Mama! Fross gemalt!"

"Im Snee saß, ihim Sneeee saß, ihim Snee da saß einer armer Mann, hat Tleider nicht, hat Plumpen an." (Nichte Nummer zwo)

Neffe Nummer 1 hat auf dem Schulweg Haselnüsse für seine kleine Schwester gesammelt. Nichte Nummer zwo nimmt das Mitbringsel entgegen und ruft: "Mama, Haselnuss auspacken!"

Wundere ich mich über den Muskelkater in den Oberschenkeln — bis mir wieder einfällt, dass ich gestern mit Neffen und kleiner Nichte die "Laurentia" gesungen habe und wir mehrmals neu ansetzen mussten, weil die Nichte stets spätestens am Donnerstag vor Lachen kollabierte.

Nachdem wir zum fünften Mal suchend um den Block gelaufen waren, hat Nichte Nummer zwo schließlich akzeptiert, dass Pusteblumen nicht so schnell nachwachsen, wie sie sie verpusten möchte.

I cannot help suspecting that Niece number two is cheating when we are playing hide-and-seek. I must always count to ten — she only just to three, and with her eyes open.

I didn't quite manage to leave on time, but I managed to negotiate the niece from her original demand of eight rounds of hide-and-seek down to a mere two and a half ("For the final one, you only need to count to one, and I'll be standing right behind you.”).

During our videochat, Niece number two propped up the phone on the dining-room table, then dove underneath it, calling out to me to come and find her. We're that good at hide-and-seek.

I had a videochat with Niece number two today. She grabbed the phone at her end, carried it into her cardboard play castle, placed it on the ground, and ordered me (whispering) to stay lying there, since she had to go and fetch and show me something.

I wish politicians would treat our world with the same gravity that my three-year-old niece applies to her wooden toy milk carton: she's keeping it in the fridge. The actual fridge in her parents' kitchen.

The niece offered me a free portrait session today. "Those drops underneath your nose are your nostrils. And I'll draw a kiss on your cheek just in the second one, so you know I love you. It's okay that I don't draw ALL your hair, isn't it?"

Niece number two asked me to read her some fairy tales. During "Rapunzel" she started correcting me: No, her parents were a king and a queen. No, there was no salad, but a flower turned into tea. At this point I felt I had to warn her: there wouldn't be a chameleon in my version either.

According to sisterly reports, Niece number two has befriended two tadpoles from a nearby pond and baptized them Kevin and Muffin.

According to sisterly reports my niece woke up yesterday, cried a little and complained that I had not been there to pick her up from kindergarten in her dream.

The niece gently plucks a tiny leaf off a boxwood hedge. Asked for her reason, she explains that she wants to have a blanket ready, in case we encounter a freezing ladybird.

When you open it in a sun-washed corner of the garden, the tiny black beetle landing on & resolutely marching across the page turns out to be the unexpected protagonist of my niece's picturebook.

The niece has recruited the ladybird on her new t-shirt as a musical instrument: each ladybird dot is a key with its very own pitch ("Beep!"). Tickling her produces an entire symphony.

"There is one snow. And there is one snow." — the niece was very convinced that her family owned twice as much snow as anyone else, because it was both in the garden behind the house AND in front of it.

My niece is convinced that twisting the pegs of a ukulele will turn its volume up and down. This explains a great deal.

A typical dialogue between Sister and Niece number two: "Daughter, how old are you?" "Six!" "No, you are two." "No, six!" I must remember to store sufficient amounts of popcorn for when she hits puberty.

Latest development, as reported by my sister: Niece number two has stopped taking midday naps, because she is too busy singing lantern songs.

Niece number two's two-year-old person was so deeply impressed by her carousel rides at the parish fair two weeks ago that she has now started her own personal carousel, which basically means that she keeps running around the dinner table every night until she literally falls asleep.

My fingers are dancing through my coat pocket, wondering whether Niece number two might have hidden a LEGO brick or another graspable manifestation of a kiss inside it.

She puts her hands on my shoulders & lets her face float so unspeakably close to mine that both almost merge. She pours her gaze into mine, two beacons reaching out into the ocean inside — until she nods & hugs me. As long as Niece number two still finds me in there, how can I be scared?

Dear sexists, I'd like to shove the scene of my two-year-old niece placing a heap of her favourite toy racing cars in her doll buggy straight into your mental Blu-ray player.

She saw me step across the threshold and kneel down, darted towards me, threw her play blanket over our heads and started whispering a waterfall of almost-two-year-old-niece words into my ear.

Niece number two tried to feed me a cookie through her mother's phone today. I opened my mouths as far as I could and imagined as many crumbs and chocolate drops as possible into it.

Ich musste heute eine Viertelstunde lang die knapp zweijährige Nichte in die Höhe halten, damit sie sich mit einer an der Zimmerdecke sitzenden Spinne unterhalten konnte.

Bei jedem Motorengeräusch von oben blickte Nichte#2 hoffnungsvoll empor, um einen "Bauer" zu erspähen, aber es waren dann doch immer nur "U-zeue" …

Wie viel DNA steckt in Babyrotzepopeln? Potentiell sollte mein Pulli genug Genmaterial für eine Nichtenklonarmee enthalten.

Mag nicht schlafen. Dann muss ich die Faust öffnen, die das Küsschen festhält, das meine einjährige Nichte mir über Skype zugeworfen hat.

I just received my very first phone call from my 9-month-old niece, who managed to dial my number by chewing around on my sister's phone.

Meine Nichte (8 Monate) hat mich anscheinend wortwörtlich zum Fressen gern, schafft es aber mit ihrem einen Zahn noch nicht.

Thoroughly nephewized.

"Du, Cornelia, ich pretende jetzt mal, dass ich bin ein Airplane und fliege nach Antarctica. Du musst morgen remembern, dass wir sind dann noch Pinguine." Der zweisprachige Neffe bastelt ganz reizende Patchworksätze.

Remind me to downgrade my metaphors. "I don't want yeast bread!" – "Why not, Nephew#1?" – "You said it was dough with fungus farts."

Nephew#2 bites #1 while I'm in the bathroom getting #3 ready for bed: "Why weren't you there to stop me from biting him when I needed you?"

I might be a happier person if I didn't visit my nephews. I wouldn't miss them so much afterwards.

Interested in Bavarian lake pebbles as dietary supplement? Consult Nephew#2. He has has sampled most of Lake Starnberg's west shore today.

It took me 3 pacifier re-plugs to identify the creaking floorboard in my nephews' bedroom & another 2 to work my way around it in the dark.

Sister: "On Sunday I'll visit Mom & Dad with the boys." Nephew#1 starts sobbing: "When you visit Mom & Dad with the boys I want to go, too!"

Sister told Nephew#1 he'd have to sleep "another 2 times" until his friend's party. She had not expected his clever nap & snooze sophistry.

"A red present. And a green present. And a present that I can pedal." Nephew#1, asked for his birthday wishes.

Nephew#1 is a cuddly, book-and-play-craving barnacle whenever I meet him in person, but harbors a fundamental telephonic animosity against me.

Nephew#1's plea that I should read "The Gruffalo" to him failed for the simple reason that the book was at his end of the phone line.

Nephew #1, beaming & joyful, after plowing around on a muddy meadow for 10 minutes: "And it's all dog poo, isn't it?"

"Cornelia, read this to me." — "But Nephew #1, there is nothing to read." — "Read it anyway." And so I did.

It all began with Nephew#1's wish to draw him a mouse. One arkload of fauna and four pieces of chalk later I luckily ran out of terrace to draw on.

Ich rufe den einen Neffen an, der mir seinen Lebkuchenwunsch für dieses Jahr noch nicht mitgeteilt hat.
Was für einen Lebkuchen soll ich dir machen?
"Hmmm … also, ich hätte gern einen Wichtel beim Detlef-Ding."
Wie bitte?
"Beim Detlef-Ding. Also so mit Hantel."
Ich musste es nachschlagen: Deadlifting.

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Prosazeugs

Türmer München, 27. Dezember 2020 (Sonnenaufgang, 8:04 Uhr)

Die Choreographin Joanne Leighton hat mit "Les Veilleurs – The Vigil" eine Performance entwickelt, die in jeder ihrer Etappen jeweils ein ganzes Jahr lang läuft und seit 2011 schon in zahlreichen europäischen Städten stattgefunden hat. Grundgedanke dabei ist, dass zweimal am Tag, jeweils eine Stunde nach Sonnenauf- und eine Stunde vor Sonnenuntergang, ein Mensch an einem Aussichtspunkt still Wache über eine Stadt hält. Dabei fällt diese Aufgabe in jeder Stadt nicht nur einem einzelnen Wachenden zu; vielmehr geht es darum, dass jeder die Wache nur einmal übernimmt und sich so sich immer wieder neue Beteiligte in einer langen Staffel ablösen. Im einstündigen ruhigen Stehen und Blicken sammeln sie je ganz eigene Eindrücke ihrer Stadt und dokumentieren diese anschließend auch in einer spontanen Niederschrift im Türmerbuch. Anmelden dafür konnte man sich eine Weile vorher.

Türmer München fand vom 12 Dezember 2020 (abends) bis zum 12. Dezember 2021 (morgens) statt, organisiert vom Kulturzentrum Gasteig, das da gerade in seine große Renovierungsphase startete. Wie an den anderen Orten der Performance wurde auch auf dem Dach des Gasteig ein Türmerstube installiert: ein hölzerner Schutzraum mit großem Fenster, in dem sich ungestört stehen und blicken ließ: mit herrlicher Aussicht über die Stadt. Aufgrund der COVID19-Pandemie war es den Türmern bis Anfang März nicht möglich, an diesem besonderen Ort zu wachen – der Gasteig war für die Öffentlichkeit gesperrt, so dass sich die Türmerinnen eigene Orte für ihre Stunden suchen durften und mussten. Wir alle hatten aber im Sommer dann doch noch Gelegenheit, bei besonderen Zusatzschichten tagsüber noch einmal vom Gasteig-Dach aus Wache zu halten.


Die Bäume, die Glocken, die Vögel, das Licht. Viele Fäden laufen durch meine Stunde an diesem frostklaren Sonntagmorgen, umspinnen mich und hüpfen zwischen meinen Gedanken hin und her, als könnten sich ihre Weberschiffchen nicht für einen klaren Kurs entscheiden sondern müssten ihr Muster im wirbelnden Navigieren erst entdecken. Der Morgen umspült mich, so dass ich mich ihm mit allen Sinnen hingeben kann. Minus sechs Grad zeigt das Thermometer, als ich auf den Balkon meiner Eltern am Nordrand von Schwabing trete.

Die Stadt vor mir und um mich herum entfaltet sich wie eine Origamiblüte, aber nicht nur in ihren Farben, Formen und Texturen – den plüschigen Puscheln der Baumkronen, den behäbig dunkeln Massen der Häuserblöcke – sondern auch im Raunen und Rauschen der ersten Autos auf dem Mittleren Ring, im Knistern der Kälte auf meinen Wangen, in den Rufen der Krähen, die von ihren Schlafbäumen im Englischen Garten aufsteigen wie dunkler Schaum, einige Minuten vor dem hellen Himmel tanzen und sich dann auf einzelnen Baumwipfeln niederlassen und ganz still dort verharren, wie Galionsfiguren, in deren Gefieder die Nacht noch hängen geblieben ist, währen hinter ihnen die großen Schiffe dem Blau entgegengleiten.

Überhaupt, so viel Blau um mich, als ich in den ersten Minuten noch darauf warte, dass sich die Sonne endlich über das Gewirr der Zweige im Englischen Garten emporschiebt: die weite Fläche des Himmels über mir, nur einige zarte Pinselstriche aufleuchtender Wolken hineingestrichen, ganz in der Ferne am Südhorizont, aufwallend wie eine Flutwelle in den Zwickeln zwischen den Häusern, das dunkelblaue Band der Berge, die die Kante des Himmels entlangwogen.

Eins ums andere greifen die Glasfenster der hohen Bürotürme im Westen das Feuer der Sonne auf, spucken mir schon Vulkanglut entgegen, während im Osten die Sonnenkugel selbst noch in den Bäumen festhängt. Im diffusen Gegenlicht verdunkeln sich die Platanen noch einige Minuten lang, bevor das Licht sie durchflutet und mit sich reißt. Wie Tintenadern wachsen sie aus dem Himmel heraus, schlucken das letzte Nachtdunkel in ihre durstigen Zweige hinein und pumpen es dann den breiten Strom ihres Stammes hinab ins Erdreich, bis die Nacht ganz verschwunden ist und das Morgenlicht flockenweise in den Bäumen hängt: im Flaum der restlichen Lärchennadeln, die sich noch festklammern am Holz, in den Samenpropellern, die noch auf ideale Startbedingungen warten. Zu meiner Rechten funkelt und blitzt das Drehrestaurant am fernen Olympiaturm auf und verwandelt den Turm in eine riesige Diamantnadel, die Oben und Unten zusammensteckt.

Zwischendurch vergessen ich minutenlang fast meinen Leib, mit dem ich hier an der Ecke des Balkongeländers stehe: der Morgen braucht mich gar nicht, um stattzufinden – umso unbeschwerter und heiterer stupst er mir immer wieder in Erinnerung, dass ich seiner gewahr werden darf, seiner Weite und Ferne ebenso wie seiner Nähe, im smaragdenen Glühen der Moospolster und dem grellen Gelbgrün der Flechtenflecke, die direkt neben meiner Schulter das Geäst eines Baumes durchturnen, in ihrer ganz persönlichen Zeitlupe, um die sich das Eichhörnchen daneben nicht schert: Es keckert und schimpft mich an, weil ich ihm den Sprung aufs Geländer versperre.

Wie ein unbeholfener melancholischer Marabu schiebt ein Kran seinen orangenen Schnabel über die Dächer, zu behäbig, um einen der Rauchwürmer zu schnappen, die sich aus Essen und Rauchfängen emporringeln, verknubbeln, verknoten und fast schüchtern zögern, sich allzu weit von ihren Dachhöhlen zu entfernen, so windstill ist es und immer noch so leise, obwohl das Raunen der großen Straße allmählich anschwillt.

Aber die Glocken vermag auch der Mittlere Ring nicht zu übertönen. Immer wieder umpulsen mich ihre Stimmen, von dunkler Bronze bis zu hellem Silber; aus allen Himmelsrichtungen singen sie mir zu, singen die Stundenteile, rufen zu den Sonntagsgottesdiensten, in die Alte Heide, nach Bogenhausen, nach Schwabing, bis weit hinein in die Innenstadt, von wo einige Male ein Ozean von Glockengewoge aufbraust und von einem Haus zum anderen an mich weiter geworfen wird wie eine riesige schwere Flipperkugel.

Erst spät löst sich mein Blick von all der Höhe und Weite und fällt hinab ins Schattendunkel an der Seite des Hauses, wo ein Stäubchen von Weihnachtsschnee gerade einmal die Spitzeln der Grashalme bedeckt und so geheime Spuren in der Wiese sichtbar macht. Immer noch kein Mensch, nur ab und zu das Aufgähnen eines Hauses jenseits der Straße, wenn eine der Jalousien sich mit leisem Knattern und Ächzen in die Höhe wuchtet.

Und doch lebt der Morgen: Der Himmel weht und bläht sich im Sonnengold wie ein mächtiges Segel, die Bäume sprudeln von Mistelbällen und den aufgeplusterten Federbällchen der Kohlmeisen und Buchfinken, und ich stehe und versuche, dies, all dies durch mich hindurchfluten zu lassen, ohne ihm mit Worten und Vergleichen schon Widerstand entgegenzusetzen, im tiefen Vertrauen darauf, dass sich im Schreiben später die Worte schon von selbst einstellen werden.

Gegen Ende, erst ganz gegen Ende meiner Stunde durchschneiden zwei Flugzeuge den Himmel mit ihren Kondensstreifen – eines von Westen nach Osten, eines in die Gegenrichtung rasend, so hoch und himmelfern. Rasch verwabern, zerquellen und zerfleddern sich die weißen Linien zwischen den Eiswölkchen hoch oben zu holpernden Strichen Morsecodes, dann zu unlesbaren Tupfen, die im Blau zerfließen. Eine feine Naht aus hellen Stichen, die allmählich im Stoff verschwinden.

Der Morgen, die Welt fügt sich zusammen, ein Teil ums andere. Ich bin am rechten Ort, hier und jetzt. Ich brauche wenigstens diese eine Stunde lang keine Angst zu haben, mich nicht zu fragen, auf welche ungewissen Pfade ich meine Füße im nächsten Jahre setzen werde, wo ich den Ort finden darf, an dem ich mich zu Hause wissen kann und gebraucht werde.

Bevor mich der Wecker aus diesem Gefühlt der Geborgenheit reißt, sehe ich unten den ersten Menschen dieses Tages und staune darüber, dass dieser Morgen auch für ihn noch Platz hat: Die volle Sonne leuchtet ihm ins Gesicht, während er sein Fahrrad die Straße hinunterrollen lässt, und ich hoffe, dass ich etwas von diesem Leuchten mit hinein und hinaus in mein Leben, die Zeit, das neue Jahr nehmen kann, während ich mich aus meiner Stunde des Wachens löse.

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Mein Hinterhofbaum ("Mein schönster Baum in Laim")

Dieser Text entstand im Frühling und Sommer 2021. Der Bezirksausschuss Laim veranstaltete einen Wettbewerb, bei dem es darum ging, einen Lieblingsbaum im Stadtviertel in Text und Bild zu dokumentieren. Zu gewinnen gab es eine Jahreskarte für den Botanischen Garten. Bei der Preisverleihung gab man dann plötzlich einige seltsame Regeländerungen bekannt: Preiswürdig seien ausschließlich Beschreibungen von Bäumen im öffentlichen Raum (also nicht in Innenhöfen, Hinterhofgärten etc.), außerdem habe die Jury die Bäume, die diesen Kriterien entsprachen, nun begutachtet und dann den schönsten Baum ausgewählt. Damit hatte die Jury den Wettbewerb gegenüber seinem Titel umgekrempelt. Nachträglich stellte sich nun heraus: Es ging gar nicht darum, den eigenen Lieblingsbaum zu beschreiben und mit Worten und Bildern einzufangen, was diesen Baum für einen persönlich zu etwas Besonderem macht. Es ging nur darum, antizipierend zu erraten, welchen Baum auf einem öffentlichen Platz im Stadtviertel die Jury besonders schön findet. Zu Siegern gekürt wurden folgerichtig denn auch zwei Texte, die beide denselben Baum beschrieben hatten. Ohne diese "Siegertexte" abwerten zu wollen: Es waren bei weitem nicht die besten der eingereichten Texte. Viele andere hatten liebevolle Prosaminiaturen und sogar Gedichte zu "ihren" Bäumen eingereicht. Ich bat daraufhin, meinen Text von der Website des Wettbewerbs zu entfernen, wo alle Einreichungen veröffentlicht worden waren. Mein Text war im Sinne des Wettbewerbs ja offenbar eine Themaverfehlung.


Andere Stadtteile haben ihr Grün mit vollen Händen in riesigen Portionen über sich verteilt. Parks wie fette Kleckse und prunkvolle Tücher, kunstvoll um die Häuser herumdrapiert, teils aufschäumend bis auf die Dächer hinauf, festgesteppt und festgenietet mit flüssigen Fäden und Knöpfen aus Bächen und Seen und Teichen und Licht. Nur Laim, das hat sein Grün mit so leichtem, lockerem Handgelenk über die Häuserschachteln gestreut, dass viel davon verweht ist nach Nebenan und Irgendwo, wie Pusteblumenschirmchen im Wind. Was hängenblieb, hast sich in kleinen Bröseln und Klumpen in den Hinterhöfen verteilt und sammelt sich nur gelegentlich in schmalen Bändern und einigen größeren Flecken.

Laim ist, wo sich viel Grün im Heimlichen verbirgt. In Laim spielen die Bäume Verstecken: Sie schmiegen sich in die Nischen der Gartenmäuerchen entlang der Nebenstraßen, umheddert von wildem Wein; sie stellen Bauklotztürme aus Häuserblocks um sich herum auf und verschwinden darin beinahe. Wenn sie nicht ab und zu eine Amsel oder ein in Trillern explodierender Buchfink oder ein pinkelnder Hund verrät, würden viele Menschen einfach an ihnen vorbeilaufen. Andere tarnen sich auch im Verkehrsdröhnen der Fürstenrieder, dem Trambahnrattern der Agnes-Bernauer- und dem Brausen der Landsberger Straße, immer an der Fahrbahnkante entlang.

Es gibt aber nicht nur die Mückerbäume, die sich wie gelangweilt Stecknadeln die Landsberger Straße entlangreihen und auf ihre Zeit warten, die noch nicht gekommen ist. Es gibt auch die Ballettbäume wie entlang der Friedenheimer Straße, keiner ganz wie der andere, die keine Lust auf schnürlgerades Paradestehen und Habacht haben und sich in leichten Bögen und Schwüngen, jeder anders als der Nachbar, den Wind zum Walzer laden. Es gibt die Jonglierbäume, die in ihrem Geäst grellgrüne Mistelkugeln zum Himmel schleudern wie kleine Zeitlupenfeuerwerksbälle; im Sommer üben sie, getarnt unter ihrem Laub, um dann an klaren Wintertagen Galavorstellungen über die Dächer zu zaubern. Nur an wenigen freien Orten in Laim lassen viele Bäume auf einmal ihr Geäst offen gen Himmel lodern wie grüne Flammen: Den Spielplatzstreifen entlang am Fröbelplatz, auf dem großen Grünklecks am Hogenberg- und Agricola- und ganz klein am Burgerplatz, eingeklemmt neben der Burgkmairstraße, rund um die Paul-Gerhardt-Kirche, wo sich die weite, offene Fläche auffaltet und öffnet wie eine Origamiblüte. Selbst am Laimer Anger registriert kaum einer die Stämme mit dem lebendigen Grün, das in alle Richtungen aus ihnen heraussprießt und -sprüht. Nur den karg geschälten und angepinselten Maibaum mit dem bunten Gockel auf der Spitze nehmen die Menschen wahr, und manch einer wundert sich an der Kante eines Gedankens nur allenfalls kurz über erfrischende Kühle, Blätterknistern und Vogelhuschen, schreibt die Erfrischung dann aber doch eher der zweiten Kugel Detterbeck-Vanille statt den alten Bäumen rund um den Anger zu.

Nur die glücklichen Menschen mit eigenem Garten, die Kinder und die Fensterträumer kennen die Bäume ganz genau; die Kinder zum Beklettern und Bestücken mit Habseligkeiten (wie mein kleiner Obendrüber-Nachbar Gabriel, der sein Springseil in einem Spielplatzbaum verstaut), die Fensterträumer wie ich zum Bestaunen und Befreuen aus den Zimmern oberer Stockwerke heraus, in denen kein Platz für Stamm und Geäst wäre.

Ich habe lange überlegt und bin suchend und fragend durchs Viertel gelaufen, weil in Laim so viele heimliche Bäume zum Bestaunen und Befreuen einladen. Aber mein liebster Baum bist dann doch du, mein Hinterhofbaum, direkt gegenüber meinem Fenster im zweiten Stock. Eine Traubenkirsche bist du, eine spätblühende noch dazu, die als nordamerikanischer Einwanderer im oberbayerischen Boden eigentlich nichts verloren hat. Ich muss mich entschuldigen, weil ich bis vor wenigen Wochen noch nicht einmal wusste, wie du heißt. Um das herauszufinden, musste ich dich erst einmal heraushebeln aus der Selbstverständlichkeit, mit der du dich in meinem Augenwinkel eingewurzelt hast. Du stehst da, so nah und doch zu weit weg, um dich richtig zu durchschauen, zu kennen oder auch nur anzufassen. Stets guckst du mir am Schreibtisch über die linke Schulter und wartest geduldig auf meine Blicke, durchs Fensterglas hindurch und hinweg über das kleine Rasenstück unten, das Territorium der Untendrunter-Nachbarn im Erdgeschoss. Ich musste mich erst einmal trauen, den kleinen Rasenfleck heimlich zu durchqueren, um dich genauer zu betrachten; erst, als ich dich endlich einmal aus der Nähe gesehen, deine Borke berührt hatte und deine Blätter in den Fingern hielt, konnte ich deinem seltsamen Namen auf die Spur kommen.

Rankender Efeu hat sich wie ein Ankertau um deinen Stamm gelegt und verzurrt dich fest im Hinterhof. Dennoch vermute ich, dass du nachts gelegentlich davondriftest, vor allem in den dunklen Winternächten, wenn das schwarze Gefaser deines nackten Gezweigs im Himmelsdunkel versickern. Aber in der Morgendämmerung kehrst du zuverlässig zurück mit all deinen Zweigen, durchsprudelt von der Tintenschwärze wie Adern, die das Dunkel der Nacht zurück in den Erdboden pumpen. Scherenschnittumrisse turnender Elstern und die geplusterten Federbällchen der Kohlmeisen zeichnen sich dann gegen den hellen Himmel auf ihnen ab. Im Frühling füllst du die Zweige mit Blättern und die Blätter mit Inhalten schneller, als ich je zu schreiben vermag. Ende Mai, wenn die anderen Bäume der Nachbarschaft schon mit ganz anderen Dingen beschäftigt sind, schäumst du plötzlich auf mit weißen Blüten. Und jetzt im Sommer morsen mir deine Blätter im Alphabet von Licht und Schatten Geschichten durchs Fenster, Abertausende von Signalflaggen gleichzeitig, in jedem Atemzug eine ganze Bibliothek.

Vielleicht am liebsten aber bist du mir in Wind und Regen, wenn all die Flusen aus kleinen Geräuschen an dir hängenbleiben, in Böen und Trommelwirbeln von dir abperlen und dann in einer Lawine aus Musik durch mein Fenster rollen. Du lässt die Regentropfen Schlagzeug-Soli spielen, bietest im Winter den Flocken eine Heimstatt, birgst rasende Eichkater ebenso wie den Quartiersbuntspecht, Meisen, Finken, Elstern, Krähen und die Mönchsgrasmücke. In der hellen Jahreszeit schlingt sich ihr Lied durch dein Laub und rutscht durchs Gezweig bis hinüber auf meinen Schreibtisch. Der Amsel bist du wohl zu dunkel; sie singt lieber drüben auf dem Dach.

In der Morgendämmerung hältst du die Stille noch etwas länger fest für mich und wehrst die Geräusche der Straße ab, bis die Grasmücke in dir zu singen beginnt und schließlich das Sonnenlicht in Kaskaden deine Blätter hinabfließt. Denn der Hinterhof ist so umschlossen von Häuserriegeln, dass ich von meinem Fenster aus nirgends den Horizont sehen kann. Du bist mein Horizont – dein Wipfel, zehn Meter schräg über mir, in dem die ersten Sonnenstrahlen ebenso hängenbleiben wie das letzte Glühen des Abends. Dein oberster Zweig, der wie der Zeigefinger eines eifrigen Schulkindes in die Höhe weist, deutet mir immer direkt die Blickrichtung in den Himmel: ins verquirlte Grau und Violett, ins stumpfe Nebelweiß, in zartes Wolkengefieder und ins klare Azur, in dem die Mauersegler tanzen. Die Mauersegler sind dir und mir zu hoch und dem Himmel da oben zu nah. Aber ab und zu wirft einer von ihnen im Vorübergleiten einen Lidschlag lang seinen Schatten wie ein langes Seil auf dich, dass dich in diesem winzigen Augenblick dann nicht nur mit dem Hinterhof und mir, sondern mit dem Himmel verbindet.

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